Auf die Tränendrüse drücken

Der kleine Ausflug nach Holland endet ja oft auf dem Seitenstreifen der Autobahn. Auch einen Mandanten hat es vor einiger Zeit erwischt. Ihn fischte die Bundespolizei mit gerade importiertem Kokain aus dem Verkehr. Und dann folgte das böse Erwachen.

Wie sich herausstellte, hatte der Mandant in den Niederlanden Stoff von fast unglaublicher Reinheit erworben. Mit der Folge, dass er mehr als fünf Gramm Cocain-Hydrochlorid über die Grenze gebracht hatte. Das ist dann keine geringe Menge im Sinne des Gesetzes mehr. Was extrem unangenehme Folgen hat. Unter zwei Jahren Freiheitsstrafe läuft dann nichts. Das Problem: Eine Gefängnissstrafe ab zwei Jahren kann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Wem so was passiert, der hat also ziemlich sicher Knast vor sich. Neben dem sturen Leugnen, das angesichts der Beweislage aber nur selten Erfolg verspricht, bleibt nur ein Ausweg. Man muss das Gericht von einem „minder schwerer Fall“ überzeugen.

Auf diese Aufgabe war mein Mandant heute vorbereitet. Er berichtete flüssig von den Widrigkeiten, die ihm bisher im Leben widerfahren waren. Neben Todesfällen naher Angehöriger auch ein Unfall, an dessen Folgen er noch heute laboriert.

Noch wichtiger aber war die Zukunftsperspektive. Obwohl nicht gerade aus behüteten Verhältnissen, hat er das Abitur geschafft und studiert. Das Examen steht demnächst an. Für die Zeit danach hat er die Zusage auf einen festen Arbeitsplatz.

Daneben konnte der Mandant noch glaubhaft machen, dass er seit dem Ausflug nach Holland die Finger von Betäubungsmitteln gelassen hat.

Ich weiß, über so eine Verteidigung wird gern die Nase gerümpft. Erst Straftaten begehen und dann auf die Tränendrüse drücken. Das hat man gern.

Ich kann dazu nur sagen, dass gute Richter so was vielleicht denken, sich aber in ihrer Entscheidung nicht davon leiten lassen. So wie es das Schöffengericht heute getan hat. Am Ende stand nicht nur der minder schwere Fall, sondern eine Freiheitsstrafe von gerade acht Monaten auf Bewährung.

So was könnte man glatt feiern. Mit legalen Drogen, natürlich.