„Freiwillig“ in Theorie und Praxis

Mit einem Massengentest will die Polizei in Bad Vilbel nach der Mutter eines getöteten Säuglings suchen. Der Hessische Rundfunk berichtet über das vorläufige Ergebnis:

Von insgesamt 1.500 geladenen Frauen gaben an den vergangenen beiden Wochenenden 900 Speichelproben ab. 400 weitere Frauen im Alter von 25 bis 35 Jahren waren nach Angaben der Polizei entschuldigt. 200 erschienen ohne Angabe von Gründen nicht zu der Massenuntersuchung. Sie sollen jetzt von Polizisten aufgesucht und zu ihrem Fernbleiben befragt werden.

So ist das eben – die „Freiwilligkeit“ solcher Tests steht in der Praxis nur noch auf dem Papier.

Zwar ist niemand verpflichtet, auf die Einladung der Polizei zu reagieren und eine Speichelprobe abzugeben. Somit kann es auch keiner der Eingeladenen angekreidet werden, dass sie sich nicht „entschuldigt“ hat. Für was soll sie sich auch entschuldigen? Dass sie von ihren Rechten Gebrauch macht?

Aber nun stehen halt Polizeibeamte vor der Tür und wollen mit den Betroffenen über die Gründe sprechen, warum sie nicht zum Gentest erschienen sind. Die Wahrnehmung eines glasklaren Rechtes, nämlich die Behörden beim Wort (hier: „freiwillig“) zu nehmen, begründet also eine Art Anfangsverdacht.

Was ist, wenn eine Frau nun bei einem Besuch kein Interesse hat, mit den Polizisten zu reden? Oder sie gar herein zu bitten? Was auch wiederum simple Rechte sind, die ihr ohne Frage zustehen. Dann droht mit einiger Sicherheit die nächste Eskalationssstufe. Super angenenehme Rückfragen bei den Nachbarn („Können Sie sich erklären, warum Frau Meyer nicht mit uns sprechen will?“), Recherchen in Datenbanken und am Ende womöglich ein richterlicher Beschluss, mit dem die Speichelprobe im Einzelfall erzwungen wird.

Aber gerade das hat wenigstens einen kleinen Vorteil. Ab diesem Moment ist das Prozedere nämlich nicht mehr so verlogen wie zuvor.