Die „Kölner Halbe“ als Quell der Ruhe

Nachts ist es bekanntlich kälter als draußen. Ich weiß nicht, ob die Kölner Ordnungspolitiker aus ähnlichen Erknenntnisquellen schöpfen. Kreativ sind sie aber auf jeden Fall. Das belegt eindrucksvoll die neueste Fassung der Kölner Straßenordnung, mit der es ab März ernst wird.

Das bunte, womöglich sogar fahrende Volk auf ihren Straßen scheinen Kölner Politiker, wohl maßgeblich auf Druck der örtlichen Geschäftsleute, schon bisher vorwiegend als störend empfunden zu haben. Jedenfalls bestimmte die Straßenordnung:

Musiker oder Schauspieler müssen den Standort ihrer Darbietungen auf Straßen und Plätzen nach 20 Minuten so verändern, dass ihre Darbietungen am ursprünglichen Standort nicht mehr hörbar sind, mindestens aber 200 Meter weitergehen.

Es ist klar, dass selbst eine hochgerüstete Ordnungstruppe mit der Überwachung Probleme haben dürfte. Da wird es ordentlich Streit darüber gegeben haben, wie lange genau jemand schon seinen Hut oder die Spendendose auf dem Trottoir ausgebreitet hat, was 200 Meter sind und ob Mitarbeiter des Ordnungsamtes besonders feine Ohren haben. Einfache Opfer werden wohl nur Straßenmaler gewesen sein.

Offenkundig hat man mit dieser Vorschrift das mobile Künstlertum nicht ausreichend vergrault. Deshalb ist sie jetzt um folgende Sätze verschärft worden:

Musiker und Schauspieler dürfen nur in den ersten 30 Minuten einer vollen Stunde ihre Darbietungen vorführen. Die zweite Hälfte jeder vollen Stunde ist spielfrei zu halten.

Offiziell wird dies damit begründet, man müsse den Menschen ja auch mal eine Fiedel-, Schrammel- und Trötpause gönnen. Konsequent wäre es dann allerdings auch, die in Köln ja recht ausgeprägte Fortbewegung mit Hilfe von Verbrennungsmotoren in den Minuten 30 bis 59 einer jeden Stunde zu untersagen. Eine entsprechende Initiative ist bislang allerdings nicht bekannt.

Der pfiffige Paragraf erweckt deshalb bei mir den Verdacht, dass er gar nicht die „Kölner Halbe“ als Quell erquickender Ruhe etablieren soll. Vielmehr scheint er mir schlicht dazu zu dienen, das fahrende Volk möglichst in randständige Zonen, also vorrangig zu uns nach Düsseldorf, abzudrängen, weil man dort 100 % länger spielen und entsprechend mehr verdienen kann.

Ob das klappt, darf bezweifelt werden. Klaus der Geiger testet schon mal mögliche Verteidigungsstrategien: „Ich habe nur mein Instrument gestimmt“, ist für den Anfang ein brillanter Ansatz, der virtuos den Wortlaut der Vorschrift („Darbietung“) aufgreift. Alles weitere dann demnächst vor dem Kölner Amtsgericht.