Wikileaks.de: Doppelter Freispruch in Dresden

Die Vorwürfe klangen schwer. Theodor Reppe, der die Domain Wikileaks.de und einen TOR-Server betreibt, musste sich gestern vor dem Amtsgericht Dresden gegen den Vorwurf verteidigen, Kinderpornografie heruntergeladen, jedenfalls aber zu ihrer Verbreitung Beihilfe geleistet zu haben. Am Ende stand ein Freispruch. Ich habe mit Theodor Reppe über die Hintergründe des Verfahrens gesprochen.

Was hat Ihre Seite Wikileaks.de mit Kinderpornos zu tun?

Die Frage führt gleich zu einem Missverständnis, das auch im Prozess eine Rolle spielte. Ich betreibe auf Wikileaks.de keine eigene Internetseite. Ich leite auf die Hauptseite von Wikileaks weiter. Ich verändere die Inhalte nicht und füge auch keine eigenen hinzu.

Aber auch bei Wikileaks selbst finden sich doch wohl kaum Kinderpornos.

Natürlich nicht. Aber Wikileaks hat seine Arbeit gemacht und unter anderem die australische Liste gesperrter Webseiten veröffentlicht. Diese Liste wurde dann auch bei Wikileaks.de angezeigt. Eine Bürgerin hatte beim Hessischen Landeskriminalamt angerufen und das gemeldet. Eine Richterin segnete die Hausdurchsuchung mündlich ab. Kurz darauf stand die Polizei bei mir vor der Tür. Mir wurde allerdings zunächst nur gesagt, es gehe um pornografische Angebote. Von Kinderpornos war nicht die Rede.

Sie hatten also bis zur Durchsuchung gar keine Kenntnis von den Sperrlisten, die Wikileaks online gestellt hatte?

Nein, auf Wikileaks fanden sich ja seit jeher viele Dokumente. Die Sperrlisten waren nicht auf meinem Radar.

Wie haben Sie sich nach der Durchsuchung verhalten?

Wikileaks erschien mir als zu wichtiges Projekt, um hier sang- und klanglos nachzugeben. Außerdem ging es mit der Veröffentlichung ja um grundsätzliche politische Fragen. Die Sperrdiskussion wird ja auch in Deutschland geführt. Das wollte ich dann doch lieber grundsätzlich geklärt haben.

Das Amtsgericht war offenbar Ihrer Auffassung und hat Sie freigesprochen.

Der Richter unterschied zwei Phasen. Bis zur plötzlichen Hausdurchsuchung konnte er schon gar keinen Vorsatz erkennen, da ich nichts von den Listen wusste. Nach der Polizeiaktion sah er wohl eher Fehler bei den Behörden. Man hätte mich schon konkret darüber informieren müssen, welche Links nun genau beanstandet werden. Der Hinweis, einzelne Links führten zu strafbaren Inhalten, sei zu pauschal gewesen. Mir könne kaum zugemutet werden, alleine rund 3.000 Links aus der australischen Liste zu prüfen.

Zumal Sie sich durch Anklicken einschlägiger Angebote möglicherweise unmittelbar zum “Besitzer” strafbarer Inhalte gemacht hätten.

Genau. Ich habe die Urteilsbegründung so verstanden, dass die Behörden bei einer bloßen Adressweiterleitung nicht einfach pauschal monieren dürfen.

Welche Konsequenzen hat das für Wikileaks.de?

Ich hoffe zunächst, dass die schriftliche Urteilsbegründung etwas konkreter ist. Der Richter hat selbst eingeräumt, dass er die technischen Hintergründe nicht ganz durchschaut. Ich richte mich jedenfalls darauf ein, dass ich bei entsprechenden Hinweisen genauer nachschauen muss. Ob und wie ich dann die Inhalte auf Wikileaks.de beeinflusse, wird sich zeigen. Ich hoffe jedoch, dass es dazu gar nicht kommt.

Neben dem Komplex Wikileaks ging es auch um einen TOR-Server, den Sie beitreiben.

Ja, auch wegen des TOR-Servers habe ich eine Hausdurchsuchung gehabt. Die IP-Adresse meines Exit-Nodes war angeblich beim Tausch strafbarer Inhalte registriert worden.

War der Polizei nicht bekannt, dass die IP-Adresse zu einem TOR-Server gehört?

In diesem Fall anscheinend nicht. Ich nahm bis dahin an, dass vor Ermittlungen schon geprüft wird, ob es sich um einen TOR-Server handelt. Immerhin gibt es ja ein öffentliches Verzeichnis aller Server. Normalerweise scheint das zu passieren, denn vor der Durchsuchung erhielt ich schon öfter Mails von Landeskriminalämtern, die sich erkundigten, ob ich als Serverbetreiber vielleicht doch Daten des eigentlichen Nutzers besitze.

Das haben Sie sicher auch den Beamten vor Ort erklärt.

Ja, genützt hat es aber nichts. Die haben meine Hardware eingepackt. Auch die Staatsanwaltschaft ließ sich nicht davon beeindrucken, dass ich den Betrieb eines TOR-Servers nachweisen konnte. Es dauerte dann 22 Monate, bis ich meine Computer zurück erhielt. Gefunden wurde bei mir nichts.

Sie waren also nachweislich nicht im Besitz von Kinderpornos, wurden jetzt aber trotzdem angeklagt?

Ja, offenbar war die Staatsanwaltschaft der Meinung, dass eine IP-Adresse allein solche Taten beweist und es auch keine Rolle spielt, ob ich einen Anonymisierungsdienst betreibe oder nicht. Der Richter sah das aber ganz anders. Die Sache war wesentlich einfacher vom Tisch als der Komplex Wikileaks.

Für Teilnehmer am TOR-Netzwerk sind das aber trotzdem keine guten Nachrichten.

Das Ergebnis stimmt, aber offenbar besteht ein gewisses Risiko, ins Visier ahnungsloser Behörden zu kommen. Wenn die Beamten einen TOR-Server nicht erkennen oder nicht wissen, was das ist, wird eben nachgeguckt und die Hardware beschlagnahmt. Darauf sollte man emotional vorbereitet sein. Ein vernünftiges externes Backup der eigenen Daten dürfte überdies nicht schaden.

Was macht die Staatsanwaltschaft?

Ich schließe eine Berufung nicht aus, hoffe aber, die Sache ist jetzt zu Ende. Weder Wikileaks.de noch ein TOR-Server verletzen Gesetze. Das könnte man ja auch akzeptieren.