15 Monate Haft für 20 Euro Geldbuße

Wer ein Knöllchen nicht bezahlt, muss mit Konsequenzen rechnen. Dass es aber gleich so schlimm wird, hätte eine Frau aus Schwaben wohl eher nicht vermutet. Stolze 20 Euro schuldet sie der Stadt Stuttgart für eine Ordnungswidrigkeit. Das Amtsgericht Stuttgart hat die Geldbuße bestätigt – seit dem 22. Februar 2011 ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wachte mit Argusaugen darüber, ob das Geld rechtzeitig eingeht. Was nicht der Fall war. Schon etwas mehr als drei Wochen nach Rechtskraft, nämlich am 17. März 2011, holte die Behörde die juristische Keule raus. Sie ordnete Erzwingungshaft an.

Das ist, ungeachtet des schnellen Ablaufs, kein ungewöhnlicher Vorgang. Aber das Schreiben hatte es dennoch in sich. Der Betroffenen wurde nämlich mitgeteilt, es seien 451 Tage Erzwingungshaft verhängt:

110324a 

Die Behörde ließ keinen Zweifel daran, dass die Aufforderung ernst gemeint war:

Sollten Sie sich nicht rechtzeitig zum Haftantritt einfinden, muss gegen Sie ein Vorführungsbefehl erlassen werden.

Angehängt waren praktische Informationen, wie sich die Haft angenehm gestalten lässt:

Mitbringen können Sie insbesondere Bargeld, Brillen, erforderlichenfalls orthopädische Hilfsmittel, Schreibmaterial in angemessenem Umfang (keine gefütterten Umschläge), Lichtbilder nahestehender Personen, Armband- oder Taschenuhr und einige Bücher zur Fortbildung oder Freizeitbeschäftigung sowie Zahnbürste, Haarbürste, Nagelbürste, Kamm, Rasierpinsel und Rasierapparat für die Nassrasur (ohne Klingen, kein Rasiermesser) – Steckdosen für Elektrorasierer sind nicht in allen Hafträumen vorhanden.

Aber auch die Don´ts verschwieg die Vorladung nicht:

Nicht mitgebracht werden dürfen insbesondere Nahrungs- und Genussmittel, Alkohl und andere berauschende Mittel, … Zeitungen und Zeitschriften, Waffen, Stöcke, Spraydosen, Flaschen, Tuben, Cremes und Seifen aller Art, Werkzeuge, Fernsehgeräte, große Gepäckstücke, Fahrräder, Kraftfahrzeuge.

Es liegt nahe, dass die Staatsanwaltschaft hier etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Denn immerhin wären 15 Monate Gefängnis für eine Geldbuße nicht mal vom Gesetz gedeckt. Bei Ordnungswidrigkeiten ist die Erzwingungshaft gesetzlich auf sechs Wochen begrenzt. Die Haft darf wegen desselben Knöllchens auch nicht mehrfach angeordnet werden.

Selbst bemerkt hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Fehler nicht. Erst unser Anruf führte zu der Erkenntnis, dass die von einer Amtsinspektorin tatsächlich notierten 451 Tage wohl auf einem Flüchtigkeitsfehler beruhen.

Die Betroffene soll noch heute eine geänderte Vorladung mit neuer Frist erhalten. Vermutlich wird es auf einen Tag Erzwingungshaft hinauslaufen. Behördensprecherin Claudia Krauth: “Das ist der bei uns übliche Satz, wenn jemand 20 Euro Bußgeld nicht bezahlt.”

Die Betroffene selbst kann natürlich auch was tun. Die offenen 57 Euro überweisen. Dann muss sie gar nicht nach Schwäbisch Gmünd.