Untersuchungshaft ist keine Strafe

Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Tiergarten hat gegen den mutmaßlichen Haupttäter des Übergriffes auf einen 29-Jährigen am Osterwochenende auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße Haftbefehl erlassen. Er hat den Haftbefehl jedoch gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Diese Entscheidung wird in vielen Medien, aber auch von Politikern scharf kritisiert.

Zu Recht?

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. setzt mit einer Erklärung einen sachlichen Akzent in Zeiten der Aufregung:

Die Anordnung und der Vollzug von Untersuchungshaft darf in Deutschland außer in Fällen konkret begründeter Wiederholungsgefahr nur zum Zweck der Verfahrenssicherung erfolgen, insbesondere zur Abwendung von Fluchtgefahr.

Kann eine solche Fluchtgefahr durch Anordnung anderer verfahrenssichernder Maßnahmen abgewendet werden, darf Untersuchungshaft nicht vollzogen werden.

Vor allem darf die Anordnung und der Vollzug von Untersuchungshaft nicht dazu dienen, den Beschuldigten bereits vor einer gerichtlichen Hauptverhandlung zu bestrafen oder ihm dadurch einen „Denkzettel“ zu erteilen. Die Feststellung der Schuld des Beschuldigten und Auswahl und Bemessung der entsprechenden Sanktion bleiben – auch bei geständigen Beschuldigten – dem Gericht in einer solchen Hauptverhandlung vorbehalten.

Nach diesen Grundsätzen ist die Haftverschonungsentscheidung des zuständigen Ermittlungsrichters rechtlich zutreffend und folgerichtig, denn bei einem 18jährigen Beschuldigten, der sich selbst stellt, ein Geständnis ablegt, zur Schule geht, in einem intakten Elternhaus lebt und bislang über keinerlei strafrechtliche Vorbelastungen verfügt,  ist nicht davon auszugehen, dass er sich dem weiteren Strafverfahren entziehen wird.

Die insoweit ablehnenden und teilweise populistisch überspitzten Kommentare in der Tagespresse verkennen die rein verfahrenssichernde Funktion von Untersuchungshaft.

Befremdlich erscheinen in diesem Zusammenhang vor allem die teilweise direkt gegen den zuständigen Ermittlungsrichter gerichteten Angriffe bestimmter Presseorgane (z.B. „Das ist der Richter, der den Schläger freiließ“ – BZ vom 27. April 2011, Titelseite), wobei in einem Fall sogar ein großformatiges Foto des Ermittlungsrichters abgedruckt wurde.

Eine solche tendenziöse und auf die Person eines Richters abzielende (negative) Berichterstattung negiert den Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und widerspricht dem rechtsstaatlichen Verständnis, dem auch die Presse verpflichtet sein sollte.   

Dem schließe ich mich an.

Ein sachlicher Bericht der Welt

Nachtrag: Bildblog zum gleichen Thema