Iserlohn: Polizei fragt Handynummern ab

In der Nacht zum vorletzten Samstag wurde in Lüdenscheid ein 21-Jähriger überfahren. Er starb. Der beteiligte Autofahrer floh von der Unfallstelle. Die Polizei sucht ihn nun mit Hochdruck – und greift dabei zu bemerkenswerten Fahndungsmaßnahmen.

Exakt eine Woche nach dem Unfall sperrte ein Großaufgebot die Straße, an der die Unfallstelle liegt und kontrollierte über mehrere Stunden jedes Fahrzeug, das vorbei kam. Zeitweise stauten sich die Autos auf zwei Kilometer Länge, berichtet Der Westen.

Dass sich die Beamten alle Autos auf Unfallschäden ansahen, ist sicher nachvollziehbar. Auch wenn in erster Linie wohl nach einem “hellen Pkw, vermutlich der Mittelklasse, mit Fließheck, als Kombi oder in Zwischenform mit breiter, dunkler, seitlicher Rammschutzleiste, die sich mit der Stoßstange fortsetzt”, gesucht wird.

Wirklich ungewöhnlich ist aber das, was eine andere Lokalzeitung berichtet.  Danach mussten alle Kontrollierten ihre Handynummern angeben. Die Anschlüsse sollen nun darauf überprüft werden, ob das Handy möglicherweise um die Unfallzeit in eine Funkzelle in der Nähe des Unglücksortes eingeloggt war. Möglicherweise wird auch nach anderen Verbindungsdaten gesucht, die einen Bezug zum Unfall haben können. 

Im Bericht wird erwähnt, es gebe für die Maßnahme einen richterlichen Beschluss. Für die erwähnte Aktion scheint mir das kaum denkbar, denn auch ein Richter kann niemanden dazu zwingen, der Polizei die eigene Handynummer zu nennen. Das liegt schon daran, dass niemand mit der Polizei reden muss, sei er nun Zeuge oder Beschuldigter. Eine Auskunftspflicht ist schlicht nicht im Gesetz enthalten. Auch ein Richter kann sie nicht anordnen.

Bleibt also die Möglichkeit, dass der Beschluss die Beschlagnahme eventuell mitgeführter Telefone für den Fall anordnet, dass die Befragten bei der Kontrolle ihre Handynummer(n) nicht angeben. Dann müsste außerdem erlaubt werden, die Handys zu überprüfen und gespeicherte Inhalte – dazu gehört auch die Telefonnummer der SIM-Karte – auszulesen. Eine Maßnahme, die kaum in der Strafprozessordnung zu verorten ist. Die hat nämlich was gegen Stochern im Nebeln und Schüsse ins Blaue.  

Unverhältnismäßig wäre die Aktion ohnehin. Ein Richter kann vielleicht Bürger nicht dazu zwingen, der Polizei auf Zuruf ihre Handynummer zu offenbaren. Er hat aber die Möglichkeit, die Daten der Funkzellen auswerten zu lassen, die sich in der Nähe des Unfallortes befinden. Dann geben die Provider Auskunft darüber, welche Mobiltelefone zur fraglichen Zeit in dem betreffenden Bereich eingebucht waren.

Der Bericht deutet an, die Polizei habe es möglicherweise auf Geodaten abgesehen, die das Handy selbst speichert. Das wäre dann der erste mir bekannte Fall, in dem die deutschen Ermittlungsbehörden aus der Geodatenaffäre ums iPhone praktisch Kapital zu schlagen suchen. Allerdings werden die Geodaten von Apple & Co. ja nicht an die Provider übertragen, so dass die Polizei das Gerät selbst haben müsste und mit der Rufnummer nicht weiterkäme. 

Wie auch immer, mir erschließt sich nicht, wieso die Polizei des Märkischen Kreises bei einer derartigen Großkontrolle eine Woche nach dem Unfall unbedingt an die Rufnummern vorbeikommender Autofahrer kommen will. Und was die in dem Bericht erwähnte Auswertung der Verbindungsdaten bringen soll – außer juristischen Problemen mit Autoinsassen, die sich so was nicht gefallen lassen.

Nachtrag: Die Polizeibehörde des Märkischen Kreises hat mir nun mitgeteilt, dass kein Autofahrer zur Angabe der Telefonnummern gezwungen wurde. Vielmehr seien alle Kontrollierten nach der Handynummer gefragt worden, um ihre spätere “Erreichbarkeit” sicherzustellen. Alle Angaben seien freiwillig erfolgt. 

Fest steht somit, dass die Handynummern der Befragten jedenfalls für die Ermittlungen in diesem Fall gespeichert werden. Somit stehen sie, zumindest theoretisch, auch für Ermittlungen zur Verfügung, die über bloße Nachfragen bei Kontrollierten hinausgehen. Ein Kommentator hat ja bereits darauf hingewiesen, dass durch die Kontrolle jedenfalls nun nicht oder falsch registrierte Prepaid-Handys einer Person zugeordnet werden können, sofern diese in die Kontrolle geriet und ihr Telefon auch am Unfalltag in der Funkzellenauswertung auftaucht.

Wer bei der Kontrolle seine Handynummer angegeben hat, kann nach meiner Einschätzung verlangen, dass die Daten gelöscht werden.