Ein Akt der deutschen Behörden

Damit es später keine Missverständnisse gibt: Ein deutscher Staatsanwalt ist nicht verpflichtet, Server zu beschlagnahmen – bloß weil ausländische  Ermittlungsbehörden das von ihm verlangen. Es gibt da keinen Automatismus wie zum Beispiel beim Europäischen Haftbefehl.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hatte also in eigener Regie und anhand der deutschen Gesetze zu prüfen, ob sie vom Bundeskriminalamt, wie heute geschehen, die Server der Piratenpartei vom Netz nehmen, einpacken und / oder spiegeln lässt.

Netzpolitik.org schreibt zu den HIntergründen:

Einem Bericht von “DRadio Wissen” nach haben Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) auf einem der Server “strafrechtlich relevantes Material” gefunden mit dem zu “Hackerangriffen” aufgerufen worden sei. Die ganze Sache dreht sich dabei um ein sog. “Piratenpad”, eine von der Piratenpartei betriebene Etherpad-Instanz bei der kollaborativ an Texten gearbeitet und gechattet werden kann und die für jedermann offen zur Verfügung steht.

Aufruf zu Hackerangriffen. Also etwas, das täglich tausendfach im Netz passiert. Ein Thema, mit dem man praktisch jedes technikaffine Forum lahmlegen könnte. Und das wohl auch in schöner Regelmäßigkeit tut. Das ist schon schlimm genug, aber bei der Piratenpartei handelt es sich nicht um einen x-beliebigen Webmaster, der sich vielleicht gerade mal auf Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Haftungsprivilegien nach dem Telekommunikationsgesetz berufen kann.

Die Piratenpartei genießt noch etwa mehr Schutz, nämlich den des Artikel. 21 Grundgesetz. Die juristischen Kommentare zu dieser Vorschrift sind ellenlang. Wer sie nachliest, wird feststellen, die Parteien sind nach einhelliger Auffassung der “Transmissionsriemen” für die politische Willensbildung. Er wird weiter zur Kenntnis nehmen, dass die Parteien deswegen vor Repression durch die Exekutive nach Möglichkeit zu verschonen sind. Weil das der Demokratie schadet.

Damit sind wir genau bei dem Punkt, auf den es so oft hinausläuft. Kann die Abschaltung der Server der Piratenpartei, noch dazu wenige Tage vor der Wahl eines Landesparlaments, verhältnismäßig sein? Können von Dritten auf einer von der Piratenpartei eingestellte Dokumente die faktische Lähmung dieses demokratischen Organs rechtfertigen?

Hätte es nicht ausgereicht, die Spitze der Piratenpartei oder die verantwortlichen Admins als Zeugen zu befragen? Immerhin hat der Bundesvorstand der Piratenpartei auch heute sofort erklärt, er werde im Rahmen seiner gesetzlichen Pflichten mit den Ermittlungsbehörden kooperieren. Dem Vernehmen nach sind sogar Passworte herausgegeben worden. Das spricht dafür, dass es durchaus mildere Mittel gegeben hätte, dem französischen Ermittlungsersuchen zu entsprechen.

Die Art und Weise, wie die Staatsanwaltschaft Darmstadt hier vorgegangen ist, wird noch eingehend zu hinterfragen sein. Die Ausrede, wir mussten doch wegen der Franzosen, wird jedenfalls nicht ziehen.

Update: Spiegel online berichtet, möglicherweise sei über die frei zugänglichen Kollaborationsseiten – ähnlich wie Google Docs – der Piratenpartei eine Cyberattacke auf französische Atomkraftwerke geplant worden. Vor diesem Hintergrund wird die Durchsuchung für mich noch unverständlicher. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Verantwortlichen der Piratenpartei bei so einem Verdacht nicht mit den Ermittlungsbehörden kooperiert hätten. Update zum Update: Zur Qualität der Spiegelmeldung siehe hier.