Der Lady-Gaga-Hacker und die Panik vor dem Internet

Mit 18 Monaten Freiheitsstrafe hat das Amtsgericht Duisburg heute einen Jugendlichen bedacht, der schon im Vorfeld des Prozesses als “Lady-Gaga-Hacker” bekannt geworden ist (Hintergrundgeschichte bei Spiegel online). Immerhin setzte das Gericht die Strafe zur Bewährung aus, sofern der 18-Jährige innerhalb von sechs Monaten seine “Hacker-Sucht” behandeln lässt und Arbeitsstunden leistet.

Das Urteil fällt sicher zufällig auf den Tag, an dem Innenminister Hans-Peter Friedrich das Cyber-Abwehrzentrum einweiht und 63 % der Teilnehmer einer Umfrage der Tagesschau die Bedrohung aus dem Netz als “real” empfinden. Dennoch passt das Verdikt des Duisburger Amtsgerichts in die möglicherweise gerade aufkeimende Internethysterie – es ist nämlich knochenhart.

Wenn man den Berichten glauben darf, ist der gerade volljährig gewordene Angeklagte nicht vorbestraft. Er hat seine Taten gestanden. Selbst das Gericht sieht  Bedarf, dass er seine “Internetsucht” in den Griff bekommt. Dabei helfen ihm auch seine Eltern.

Alles Umstände, die zunächst mal für den Angeklagten sprechen. Wie das Gericht trotzdem zu anderthalb Jahren Bewährungsstrafe kommen konnte, ist für mich unerfindlich.

Sicher, der 18-Jährige soll in die Computer von Popstars und Plattenfirmen eingedrungen sein, teilweise intime Fotos und noch nicht veröffentlichte Songs entwendet haben. Aber ihn deswegen schon als Hacker zu titulieren, ist fast zu hoch gegriffen. Er profitierte nämlich von der Sorglosigkeit seiner Opfer, denen er ohne größere Probleme Trojaner unterjubeln konnte.

Rund 15.000 Euro soll er “erpresst” haben, vorrangig hat er seinen prominenten Opfern aber “Shouts” abgenötigt. Das sind O-Töne der Stars, in denen diese über den Empfänger goldene Worte verlieren. Wohl etwas, das in der Fanszene nicht mit Gold aufzuwiegen ist.

Mir fallen nur wenige Verfahren, in denen einer meiner jugendlichen Mandanten seine Gerichtskarriere gleich mit einer Haftstrafe begonnen hat. Es gibt da lediglich einen Totschlag und mehrere Vergewaltigungen. Außerdem natürlich Intensivtäter, die nicht nur in Serie raubten, sondern dabei auch übel Gewalt angewandt haben, bevor sie dann nach meist langer Zeit festgenommen wurden.

Der Lady-Gaga-Hacker spielt in einer anderen Liga. Er hat getrickst, geschwindelt und abgezockt. So wie es etwa junge Leute tun, die Kreditkartendaten phishen und unter falschem Namen online einkaufen. Bei Ersttätern bringt das normalerweise eine Latte Arbeitsstunden. Oder vielleicht ein paar Wochenenden Jugendarrest.

Natürlich kann man diskutieren, ob Jugendgerichte grundsätzlich zu milde urteilen. Aber so will es nun mal das Gesetz. Dessen Vorgabe lautet nämlich “Erziehung vor Strafe”. Deshalb ist es durchaus richtig und nach meiner Meinung glücklicherweise auch üblich, nicht sofort die Keule Jugendknast zu schwingen. Nicht umsonst sieht das Gesetz für Jugendliche etliche Sanktionsmöglichkeiten vor, die niederschwelliger sind als Gefängnis. 

Ich fürchte, im Duisburger Fall haben der Druck der Öffentlichkeit und die aufkeimende Internetpanik eine unheilvolle Rolle gespielt. Das Ergebnis ist ein übermäßig hartes Urteil.

Auch wenn es der Stammtisch vielleicht anders sieht.