Öffentlich-rechtliches Geschäftsmodell

Kommt es zu einer Hausdurchsuchung, sind PCs und Notebooks erst mal weg. Gleiches gilt für Datenträger, etwa externe Festplatten. Wer kein Backup an einem anderen Ort hat, steht da schnell auf dem Schlauch – beruflich und/oder privat. Der Staat nutzt die Not der Betroffenen mittlerweile für ein öffentlich-rechtliches Geschäftsmodell. Polizeibehörden bitten Betroffene gerne zur Kasse, bevor sie dringend benötigte Daten aushändigen.

Der Polizeipräsident von Berlin hat das Verfahren regelrecht perfektioniert. Jeder Beschuldigte, der zum Beispiel Geschäftsunterlagen oder die Datei mit dem Entwurf seiner Magisterarbeit benötigt, kriegt einen “Dienstvertrag” zugeschickt – nachdem der zuständige Staatsanwalt die Freigabe der Daten genehmigt hat.

Der Polizeipräsident nennt sich in dem Vertrag “Verpflichteter” und bietet eine “Dienstleistung” an. Zum Beispiel: Kopien der Verzeichnisse/Dateien vom Notebook Ordner: Desktop “Diplomarbeit”.

Der Beschuldigte heißt “Berechtigter”. Er ist aber auch zu was verpflichtet. Er muss seine Geldbörse zücken und Gebühren zahlen, die “gemäß KostKat” anfallen. In Klammern wird dies näher erläutert:

In der Regel bewegen sich die Kosten je nach Aufwand der Dienstleistung zwischen 100,00 und 350,00 Euro, können aber durchaus diese Obergrenze überschreiten!!!

Die Ausrufezeichen sind original. Mindestens 100,00 Euro für zwei, drei Klicks mit der Maus und einen CD-Rohling? So einfach ist es nach Auffassung der Dienstleister nun auch wieder nicht. Selbstverständlich muss ja streng darauf geachtet werden, das System nicht zu korrumpieren. Weswegen eben nur die Leute aus der Kriminaltechnik dran können, also ausgewiesene Superduperspezialexperten.

Unabhängig von der Höhe der Entlohnung wird man auch darüber diskutieren können, ob dieses Dienstleistungssystem überhaupt erforderlich wäre, wenn die Polizeiarbeit einigermaßen funktionierte. Es macht ja schon einen Unterschied, ob Computer zügig durchgesehen werden. Das heißt eine Grobsichtung spätestens nach zwei Tagen und, sofern Verdächtiges gefunden wird, die genaue Analyse binnen 14 Tagen.

So sollte es eigentlich sein, die Wirklichkeit sieht anders aus. Hardware wird beschlagnahmt und landet bei Bergen bereits beschlagnahmter Hardware. Für eine Schnelldurchsicht ist keine Zeit. Die normale Auswertung dauert vier bis acht Monate – sofern die Asservate bis dahin nicht anderweitig abgängig sind. Das ist nicht unbedingt das, was man sich gemeinhin unter einem zügigen Verfahren vorstellt, wie es unter anderem von der Europäischen Menschenrechtskonvention verlangt wird.

Die Polizei hält also für die eigene Unfähigkeit, ihre Arbeit zügig zu erledigen, die Hand auf. Die meisten Betroffenen zahlen notgedrungen. Letztlich auch aus der Erkenntnis, dass Beschwerdegerichte zwar die säumige Polizei durchaus per Beschluss zur Tätigkeit zwingen. Allerdings brauchen sie hierfür meist selbst Monate.