Promis dürfen Paparazzi abschießen

Das Foto an sich ist unspektakulär. Es zeigt Jörg V., als Journalist unter anderem für Bild tätig, wie er eher gelangweilt in einem unauffälligen weißen Auto sitzt und eine Qualitätszeitung liest. Trotzdem ist das Bild auch ein Akt der Notwehr. Wettermoderator Jörg Kachelmann veröffentliche seinen Gegen-Schnappschuss, der in der Nähe von Kachelmanns Schweizer Wohnung entstand, im März 2011 auf Twitter. Er wollte damit zeigen, wie die Boulevardpresse ihm nachstellt. Auf so eine Art der Öffentlichkeit stand wiederum Reporter V. ganz und gar nicht. Er verklagte Kachelmann auf Unterlassung. Damit blitzte er nun jedoch vor dem Landgericht Köln ab.

Laut Kachelmann hatte Jörg V. ihm tagelang aufgelauert, obwohl jeder wusste, dass er seine Ruhe haben wollte. Der Reporter habe sein Auto etwa 200 Meter von Kachelmanns Wohnung geparkt, aber so, dass er stets Sichtkontakt gehabt habe. Von dieser Warte habe er Kachelmanns Grundstück observiert, dieses aber auch unerlaubt betreten und Nachbarn und Anwohner über Kachelmann ausgefragt.

Das Landgericht Köln sieht in dem Foto ein zeitgeschichtliches Dokument:

Der Umgang der Medien mit Prominenten, insbesondere die Art und Weise wie die Berichterstattung über Prominente und die Bebilderung derselben erfolgt, ist bereits grundsätzlich von gesellschaftlicher Relevanz und von öffentlichem Interesse, da der Umgang miteinander die gesellschaftlichen Grundlagen berührt.

Dieses öffentliche Interesse ist im vorliegenden Fall zudem noch dadurch gesteigert, dass die Berichterstattung über den Kläger, das gegen diesen geführte Strafverfahren aber auch der Umgang der Medien hiermit, ein wesentliches Thema der Jahre 2010 und 2011 war und großen öffentlichen Widerhall gefunden hat. Die Öffentlichkeit hat daher ein Interesse daran zu erfahren, wie diese Berichterstattung zustande kommt.

Jörg V. dürfe sich auch nicht Unrecht als Sündenbock hingestellt sehen. Denn er habe selbst publizistisch Dreck am Stecken. Daran lässt das Landgericht Köln keinen Zweifel:

Der Beklagte, wenn auch selbst nicht bekannt, war in seiner Eigenschaft als Journalist und Fotograf … an dieser vielfach persönlichkeitsrechtsverletzenden (Bild-) Berichterstattung über den Kläger beteiligt. Dies und seine Arbeitsweise wird durch die streitgegenständliche zeitnah veröffentlichte Fotografie dokumentiert, die geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Umstände von Medienberichterstattung zu erbringen.

Bemerkenswerterweise hat sich der Paparazzo auch mit dem Argument verteidigt, das Foto verletze seine Privatsphäre. Dem kann das Landgericht Köln schon vom Ansatz her nicht folgen. Auch wenn der Journalist nichts anderes tue, als in seinem Auto rumzusitzen und Zeitung zu lesen, sei er doch bei seiner Arbeit fotografiert worden. Dies sei eine typische  “Vorbereitungshandlung für weitere journalistische Maßnahmen mit Bezug auf den Kläger”.

Im gleichen Prozess untersagt das Kölner Landgericht auch, ein Bild weiter zu zeigen, das den mittlerweile freigesprochenen Jörg Kachelmann in der Untersuchungshaft beim Hofgang zeigt. Dazu hatte sich der Fotograf Zugang zu einem Gebäude gegenüber dem Gefängnishof verschafft, das gerade umgebaut wurde. Dort wartete er, bis er Kachelmann bei seinem Rundgang abschießen konnte.

Der Fotograf war Jörg V.

Landgericht Köln, Urteil vom 9. November 2011, Aktenzeichen 28 O 225/11