Die Heimatgemeinde und ihr Promi-Bürger

Auch Promis sitzen am Steuer und begehen dort kleine oder größere Sünden. Mitunter können sie auf mehr Nachsicht hoffen als Otto Normalverbraucher. Wie Franz Beckenbauer, der vor einigen Jahren deutlich zu schnell in einer Tempo 30–Zone geblitzt wurde. Beamte drückten alle Augen zu – allerdings ohne dass Beckenbauer überhaupt etwas von diesem Entgegenkommen wusste oder gar darum gebeten hätte. Dem verantwortlichen Staatsdiener brachte das eine Bewährungsstrafe und die Entlassung aus dem Dienst.

Diese Geschichte kam mir in den Sinn, als ich einen Bericht über die Bußgeldstelle in Kassel las. Die Behörde hat ihren Jahresbericht vorgestellt. Hierbei ließ der stellvertretende Amtsleiter Bernhard Steinbach sich laut HNA.de wie folgt vernehmen:

Auch einen Prominenten aus der Unterhaltungsbranche hat die Zentrale Bußgeldstelle in Kassel im vergangenen Jahr wegen einer Geschwindigkeitsübertretung anschreiben wollen. „Dieser Herr hat uns seine Anschrift zum Zustellen des Bußgeldbescheids aber verweigert“, sagt Steinbach. Auch dessen Heimatgemeinde hätte seine Adresse mit Verweis auf seinen Bekanntheitsgrad nicht herausgegeben. Deshalb habe das Verfahren eingestellt werden müssen. 

Jedenfalls bei der Heimatgemeinde scheint da etwas reichlich zurechtgebogen worden zu sein. Der Bekanntheitsgrad eines Bürgers ist jedenfalls kein Grund, einer anderen Ordnungsbehörde die gesetzlich vorgeschriebene Amtshilfe zu verweigern. Das riecht schon sehr streng.

Aber auch die Kasseler Bußgeldstelle hätte es nicht bei einer Meldeamtsanfrage belassen müssen. Sie hätte auch die Polizei am Wohnort des Prominenten beauftragen können, die genaue Adresse zu ermitteln. Wenn jemand auf einem Blitzerfoto nicht eindeutig zu erkennen ist, werden auch die Bezirksbeamten am Wohnort des Halters in Marsch gesetzt.

Kaum vorstellbar überdies, dass die Polizei vor Ort die Adresse des Prominenten nicht kennt. Oder sie zumindest nicht mit kriminalistischem Spürsinn ermitteln kann. Was ist mit der Kfz-Zulassungsstelle? Dem Führerscheinamt? Der Deutschen Post oder einer anderen privaten Auskunftei? Zur Not hätte man sogar beim Finanzamt fragen können. Wobei man, das räume ich ein, beim Finanzamt darüber diskutieren kann, ob die “Bestandsdaten” eines Steuerpflichtigen schon unter das Steuergeheimnis fallen. Aber das hätte sich das Finanzamt ja überlegen können – wenn es überhaupt gefragt worden wäre.

Als letzte Möglichkeit bleibt einer Bußgeldbehörde auch, einen Bescheid an das schwarze Brett des Amtsgerichts pappen zu lassen. Damit wird er öffentlich zugestellt und kann wirksam werden, ohne dass der Betroffene überhaupt etwas davon erfährt. Das ist gerade dann eine übliche Maßnahme, wenn Betroffene ihre Anschrift verschleiern. Was der Prominente ja wohl getan hat.

Vielleicht, ja vielleicht hätte die Bußgeldstelle Kassel das Verfahren also doch nicht einstellen “müssen”.

(Danke an Gerhard S. für den Hinweis)