Ein unschöner Generalverdacht

Beim bislang größten Massengentest in Schleswig-Holstein spricht die Polizei von einer “Enttäuschung”. Von den 3.200 Männern, die eine Speichelprobe abgeben sollten, war dazu bislang knapp die Hälfte bereit. Der Rest blieb trotz schriftlicher Einladung zwei Terminen fern.

Was die Polizei bedrückt, halte ich für ein Zeichen der Hoffnung. Massengentests sind stets freiwillig, das heißt niemand kann nach geltender Rechtslage zur Teilnahme gezwungen werden. Wer das Wort freiwillig ernst nimmt, sorgt mit dafür, dass die Unschuldsvermutung in unserem Land nicht durch die Hintertür außer Kraft gesetzt wird. 

Bei großangelegten Gentests setzt die Polizei seit jeher auf das Ausschlussverfahren. Betroffene belegen durch die Abgabe der Speichelprobe zwar in erster Linie, dass sie mit der Straftat (aller Wahrscheinlichkeit nach) nichts zu tun haben. Gleichzeitig ermöglichen es die Willigen aber auch der Polizei, diejenigen, die “freiwillig” ernst nehmen, unter Druck zu setzen.

Da werden dann Hausbesuche angekündigt und mit Sicherheit im Hintergrund auch recherchiert. Obwohl dem Verweigerer erst mal nichts weiter zur Last gelegt werden kann, als dass er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, nicht an einem Massengentest teilzunehmen. Die Inanspruchnahme eines Rechtes macht also faktisch verdächtig, am Ende steht die richterliche Anordnung des Gentests im Einzelfall – eine groteske Umkehrung rechtsstaatlicher Prinzipien.

Eine hohe Zahl Verweigerer macht das Ausschlussverfahren schwieriger oder sogar unmöglich. Rein faktisch, weil die Ermittler nicht die Kapazitäten haben dürften,  bei eintausend Verweigerern dasselbe Programm durchzuziehen wie bei acht. Aber auch rechtlich hat eine hohe Verweigerer-Quote Auswirkungen. Ein Richter wird nur schwer massenweise gegen Personen Verdachtsmomente herleiten können, wenn erkennbar ist, dass die Verweigerer eben nur ihre Rechte in Anspruch nehmen.

Bei dem nun so enttäuschend verlaufenden Test liegt die hohe Zahl der Verweigerer sicher auch daran, dass schon das polizeiliche Raster kaum noch nachvollziehbar ist. Die Behörden ermitteln wegen eines Raubüberfalls, bei dem eine Seniorin stressbedingt verstarb. Das Täterprofil soll angeblich ergeben haben, dass mindestens einer der Täter Bezüge zum Norden Kiels hat oder dort wohnt. Deshalb lud die Polizei alle männlichen Personen im Alter von 16 bis 35 Jahren zum Gentest, die in den vergangenen fünf Jahren in den Kieler Stadtteilen Schilksee, Friedrichsort, Holtenau und Pries sowie in den Ortschaften Altenholz, Dänischenhagen und Strande gelebt haben oder noch leben.

Ein Raster, das kaum noch dehnbar ist. Betroffene dürften sich auch gerade deswegen quasi unter einen unschönen Generalverdacht gestellt fühlen. Womit sie recht haben, was aber gleichzeitig auch die ungewöhnlich hohe Verweigererquote erklärt.

Die Kieler Polizei will nun nochmals zu einem Termin einladen. Hoffentlich wird sie auch danach noch enttäuscht sein.

Pressemeldungen der Polizei: (1) (2)