Vorratsdaten: Die EU lernt aus dem ACTA-Debakel

Seit heute gibt es für Deutschland einen guten Grund mehr, die Vorratsdatenspeicherung (VDS) nicht einzuführen – selbst wenn die EU-Kommission mit Strafzahlungen droht. Die VDS-Richtlinie steht nämlich auch auf europäischer Ebene zur Überarbeitung an. Und wie es aussieht, wollen die Verantwortlichen die bisherigen Vorgaben deutlich abschwächen.

EU-Kommissarin Cecilia Malmström gibt in einem Interview mit der FAZ deutlich zu erkennen, dass in Brüssel die Tendenz zwar weiter zur Vorratsdatenspeicherung geht, aber eher in einer abgespeckten Variante. So betont die Kommissarin insbesondere, viele Länder würden die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung der Kleinkriminalität und gar für die “Gewährleistung der öffentlichen Ordnung” einsetzen. Das sei nicht Sinn der Vorratsdatenspeicherung; die Daten dürften nur für die Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Kriminalität zum Einsatz kommen.

Auch die bisherigen Speicherfristen scheinen der EU-Kommission nicht mehr zu behagen. Malmström erklärt, die Fristen müssten “natürlich” kürzer ausfallen.

Anscheinend sucht die EU-Kommission einen Ausweg aus dem VDS-Dilemma. Ich nehme an, dass man auf europäischer Ebene unbedingt auch ein zweites ACTA vermeiden will und somit jedenfalls Bereitschaft besteht, nichts übers Knie zu brechen. Dazu zählt auch die Ankündigung Malmströms, VDS-Kritiker und Datenschützer in die Debatte einzubeziehen.

Konsequenz ist zunächst, dass nach Angaben der Kommissarin in diesem Jahr nicht mehr mit einer neuen VDS-Richtlinie zu rechnen ist. Alles in allem viele Gründe mehr für Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, sich weiter gegen eine schnelle Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu stemmen. Sich trotz verfassungsrechtlicher Bedenken einer EU-Richtlinie zu beugen, die schon an ihrer Quelle mittlerweile als überzogen erkannt wird, wäre der falsche Weg.

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