Fotografen müssen mit Haue rechnen

Wer gegen seinen Willen rechtswidrig von Pressefotografen aufgenommen wird, darf sich dagegen wehren. Unter Umständen darf der Betroffene sogar dem Fotografen die Kamera aus der Hand schlagen oder ihn hauen. Diese, wie ich meine, spektakulären Aussagen macht das Oberlandesgericht Hamburg in einem aktuellen Beschluss.

Ein 60-Jähriger stand wegen Körperverletzung vor Gericht. Es ging um eine Keilerei unter Nachbarn, bei der auch Hunde eine Rolle spielten. Also eine alltägliche Sache. Kleinkriminalität nennt es das Oberlandesgericht Hamburg.

Schon als der Angeklagte die Treppe zum Gerichtssaal erklomm, kam ihm der Reporter einer Boulevardzeitung entgegen und drückte den Auslöser. Der Angeklagte verbat sich die Aufnahmen, doch der Fotograf knipste weiter. Der Reporter erklärte dabei, der Angeklagte können sich doch seine Tasche oder ein Blatt Papier vors Gesicht halten.

Der 60-Jährige hielt sich zunächst die Hände vors Gesicht, war dann aber über das weitere Fotografieren so erbost, dass er mit dem rechten Arm ausholte und wuchtig gegen das Kameraobjektiv schlug. In dem Augenblick des Schlags hielt der Fotograf die Kamera gerade vors Gesicht. Der Fotograf wurde durch den Schlag leicht verletzt.

Amts- und Landgericht verurteilten den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung. Das Oberlandesgericht Hamburg sieht dies anders – es billigt dem Betroffenen grundsätzlich ein Notwehrrecht gegen die unerwünschten Aufnahmen zu, in dessen Rahmen auch Gewalt ein zulässiges Mittel sein kann.

Es stellt sich natürlich zunächst die Frage, wieso die Fotoaufnahmen überhaupt unzulässig gewesen sein sollen. Das Oberlandesgericht Hamburg sieht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angeklagten schon durch den Umstand verletzt, dass der Fotograf ihn überhaupt abgelichtet hat. Fotoaufnahmen von Angeklagten im Gericht seien nämlich nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung überwiege. Das sei bei Fällen der Kleinkriminalität, die keine Besonderheit aufweisen, regelmäßig nicht der Fall.

Da der Angeklagte die Fotoaufnahmen nicht dulden musste, habe er ein Notwehrrecht gehabt. Dieses Notwehrrecht entfalle auch nicht dadurch, dass der Betroffene sein Gesicht hätte verdecken können. Vielmehr habe er ein Mittel wählen dürfen, welches das Fotografieren “sofort und endgültig beendete”. Die Hamburger Strafrichter stellen sich also hinter das durchaus umstrittene Konzept eines schneidigen Notwehrrechts, bei dem Verhältnismäßigkeit allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. 

Die Sache wurde ans Landgericht zurückverwiesen, da dort noch nähere Umstände geklärt werden müssen. Sollte die Entscheidung jedoch Bestand haben, kann sie weit über Gerichtsflure hinaus Bedeutung erlangen. Es stellt sich dann nämlich die Frage, ob sich Menschen grundsätzlich wehren können, wenn sie gegen ihren Willen in der Öffentlichkeit fotografiert werden. Bislang ging die Tendenz eher dahin, dass nur die nicht anonymisierte Veröffentlichung so entstandener Bilder unzulässig ist.

Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg