Anwalt schreibt Gerichtsurteil selbst

Manchmal bleibt was liegen. Auch beim Anwalt. Meist wird Überlastung der Grund sein, wenn Mandate nicht zügig bearbeitet werden. Auch Faulheit soll schon mal eine Rolle spielen (habe ich gehört). Nicht sonderlich ökonomisch scheint allerdings ein Göttinger Anwalt vorgegangen zu sein. Er trödelte, so die Vorwürfe, erst gehörig mit dem Mandat, dann nahm er sich aber richtig Zeit – und schrieb angeblich das passende Gerichtsurteil gleich selbst.

Die Sache nahm ihren Anfang im Jahre 2007, berichtet das Göttinger Lokalblatt Extra TIP. Ein Vermieter beauftragte einen eingesessenen Göttinger Anwalt und Notar mit einer Klage gegen einen gewerblichen Mieter. Der Jurist habe Vollzug gemeldet, doch ein dreiviertel Jahr später darauf hingewiesen, das örtliche Landgericht sei hoffnungslos überlastet. Im Gespräch sei aber ein Mediationstermin. Doch dieser Termin löste sich im Nichts auf.

Erst am 3. August 2009 werde verhandelt, soll der Anwalt seinem Kunden mitgeteilt haben. Außerdem: “Ihre persönliche Teilnahme ist nicht erforderlich.” Erfreulich war das Urteil nicht, welches das Landgericht auf die mündliche Verhandlung verkündete. Angeblich verlor der Klient. Aber nur angeblich, denn das Urteil hat jedenfalls kein Richter am Landgericht geschrieben. Und auch an eine Verhandlung kann sich niemand vom Gerichtspersonal erinnern.

Mit der Niederlage gab sich der Vermieter aber nicht zufrieden, sondern beauftragte seinen Anwalt mit einer Berufung. Still ruhte fortan der See, bis der Anwalt im Juni 2011 mitteilte, mit der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Braunschweig sei im September 2011 zu rechnen. Die nächste Nachricht lautete, der zuständige Richter sei erkrankt, der Termin falle aus.

Just zum Zeitpunkt der angeblichen Verhandlung ging dem Vermieter die Puste aus. Er musste Insolvenz beantragen. Auch, wie er sagt, wegen der aufgelaufenen Mietausfälle aus dem Prozess. Der Insolvenzverwalter des Unternehmers forderte nach einiger Zeit die Prozessakten an und stellte fest: Das Aktenzeichen des Urteils ist am Landgericht unbekannt – und auch die Entscheidung will dort niemand verfasst haben. Was nun zu dem Verdacht führt, dass der Göttinger Jurist zumindest in diesem Fall die Gerichtsentscheidung gefälscht hat, um seinen Mandanten ruhig zu stellen.

Gegen den Rechtsanwalt ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Auch die Anwaltskammer ist eingeschaltet. Sie will aber frühestens was machen, wenn eine strafrechtliche Entscheidung vorliegt.

Bericht (e-Paper, Seite 6)