Bayerische Polizei stoppt “Krieg der Welten II”

Im Zeitalter von Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien verbreiten sich Informationen rasant. Leider wird dabei oftmals nicht differenziert zwischen seriösen Nachrichten und Falschmeldungen. Unter diesen neuen Umständen, die jedem Nutzer durchaus mächtige Werkzeuge zur Massenkommunikation bereitstellen, ist es besonders wichtig, dass der Einzelne einen reflektierten Umgang mit Information pflegt.

Um dies zu demonstrieren, starteten Regensburger Studenten letzte Woche ein Projekt mit einem Nachrichtenstream des fiktiven Fernsehsenders “N-CC” über eine vermeintliche Virenkatastrophe in der bayerischen Stadt, die möglicherweise von Terroristen ausgelöst wurde. Auch Blogs, Facebook und Twitter waren eingebunden. Ziel war es, vor Augen zu führen, wie schnell man sich als Internetnutzer heute von einer professionellen Kulisse, realistischen Bildern und einer gutaussehenden Nachrichtensprecherin blenden lässt – zumindest so lange man nicht selbst der Sache ein wenig auf den Grund geht.

Die Videomeldungen über bislang tausende Tote, die von einer unbekannten Seuche dahingerafft wurden, machten bewusst Anleihen an Orson Welles Hörspiel “Krieg der Welten”. Die realistisch klingende Radioreportage über die Invasion Außerirdischer hatte 1938 Zuhörer in den USA beunruhigt; vereinzelt soll es auch zu Panik gekommen sein. 

So weit kam es bei dem studentischen Projekt in Regensburg allerdings nicht. Schon kurze Zeit, nachdem der erste Stream online verfügbar war, meldete sich eine besorgte Bürgerin bei der bayerischen Polizei. Das wiederum führte zu einem hektischen Polizeieinsatz – und dem vorläufigen Aus des Projekts.

“Die Polizei rief uns am Tag der Ausstrahlung um 15:30 an, um 16 Uhr riefen wir zurück, da wir am Handy zunächst keinen Empfang hatten. Ein sehr aufgebrachter Beamter war am Telefon”, berichtet Student Manuel Maria Berger. Der Polizist, es war wohl ein Polizeidirektor aus dem Polizeipräsidium Oberpfalz, habe ultimativ die Abschaltung der Seite gefordert.

Da zumindest zwischen den Zeilen auch Hausdurchsuchungen und Festnahmen in Aussicht gestellt wurden, gaben die eingeschüchterten Studenten nach. Sie nahmen den Stream vom Netz. Am nächsten Tag wurden Manuel Maria Berger und sein Projektpartner Dennis Perzl aufs Revier gebeten. “Dort war man plötzlich sehr freundlich zu uns und befragte uns zu dem Projekt”, sagt Berger. Weitere Entscheidungen werde der Staatsanwalt treffen.

Der wusste bis gestern allerdings noch nichts Näheres von dem Projekt. Die Ermittlungen lägen nach wie vor in den Händen der Polizei, schriftliche Unterlagen seien bei ihm noch nicht angekommen. Erst wenn die Akte vorliege, werde er entscheiden, ob Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vorliegen.

Von der Kripo gibt es derweil unterschiedliche Informationen. Mir gegenüber wurde gestern eingeräumt, dass man Mühe habe, einen passenden Paragrafen zu finden, gegen den das Projekt verstößt. Von der Lokalpresse haben Berger und Perzl dagegen gehört, nun ermittele auch noch der Staatsschutz.

Aber auch dieser dürfte Probleme haben, das Filmprojekt unter einen Straftatbestand zu zwängen. Das nächstliegende wäre eine Störung des öffentlichen Friedens. Allerdings setzt dieser eine Drohung mit Straftaten voraus oder die Vortäuschung, dass eine solche Straftat bevorsteht. In den Videos wird der vermeintliche Terroranschlag aber bereits als geschehen dargestellt.

Letztlich bliebe wohl nur die gute alte “Erregung öffentlichen Ärgernisses”. Aber dieser Paragraf beschränkt sich heute nur noch auf sexuelle Handlungen. Sonstige “grob ungehörige Handlungen” können allenfalls noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Ohnehin darf bezweifelt werden, dass ein derartiges Projekt, welches ja wahrscheinlich auch die Kunstfreiheit für sich reklamieren kann, letztlich als grob ungehörig bewertet werden kann, selbst in Bayern.

Die Macher der Aktion, die sich aus den uninahen freien Theatergruppen Freigeister und Cloudtells und vielen freiwilligen Helfern rekrutieren, wollen aber dennoch nichts riskieren. Immerhin könnte die Polizei ja auch präventiv, das heißt zur Gefahrenabwehr tätig werden. Ähnliche Folgen wie zum Beispiel bei Facebook-Partys, wo “Veranstaltern” enorme Kosten aufgebürdet werden, wollen Berger und Perzl unbedingt vermeiden.

Die aufwendige Produktion von N-CC war schon teuer genug. Vor allem bei den Außenaufnahmen haben die Studenten enormen Aufwand gemacht. Schon bei den Drehs erfuhren die Akteure etwas über die Medienwirklichkeit. So erweckte ein vermeintlich Toter bei einem Dreh keine spürbare Aktivität bei Passanten, obwohl viele stehen blieben und lange ins Auto starrten. Ein Fahrradfahrer wäre vor Schreck fast umgefallen, als er die „Bundeswehr“ mit Gasmasken sah. Eine Gruppe von Menschen stürmte auf den Posten des „Außenkorrespondenten“ zu, weil sie wissen wollten, von welchem Sender und zu welchem Zweck er in Regensburg war.

Auch wenn das Projekt durch die Polizei ein frühes Ende erfuhr, sind Berger und Perzl zufrieden. “Wir wissen zumindest, dass wir mit unserer Sicht der Dinge richtig lagen. Falsche Meldungen verbreiten sich schnell und bringen halt auch die Kripo auf den Plan.”

Die Sondersendung von N-CC haben die beiden nun entschärft auf Youtube eingestellt. Überschrift und Text warnen unübersehbar, dass es sich um eine fiktive Nachrichtensendung handelt. Selbst die Regensburger Polizei dürfte damit leben können.