Gefährliche Verteidiger

Nachdem sich das Oberlandesgericht München im noch nicht mal begonnenen NSU-Prozess schon mit der Platzvergabe an die Auslandspresse vergriffen hat, droht schon eine weitere Eskalation. Der Vorsitzende des Strafsenats hat angeordnet, dass die Verteidiger von Beate Zschäpe vor jeder Verhandlung körperlich durchsucht werden. Andere Verfahrensbeteiligte, etwa Justizbedienstete, Staatsanwälte und selbstverständlich auch die Richter, sind davon ausgenommen.

Der Gerichtsvorsitzende Manfred Götzl begründet die besonderen Körperkontrollen mit der Gefahr, die Anwälte könnten Waffen oder Sprengstoff in den Gerichtssaal schmuggeln. Wieso Götzl ausgerechnet so eine Gefahr bei den Verteidigern herleitet, geht aus seiner Anordnung nicht hervor.

Die Anwälte sehen darin eine “offene Diskriminierung” und werden sicher alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich gegen das Prozedere zu wehren. Völlig zu Recht, denn eine Durchsuchung vor jedem Betreten des Verhandlungssaals greift tief in die Berufs- und Freiheitsrechte jedes Anwalts ein. Das gilt umso mehr, als es offenbar nicht ausreichen soll, wenn die Verteidiger durch einen Metalldetektor gehen. Sie sollen offenbar abgetastet werden oder sich gar ausziehen müssen. Das wäre ganz einfach entwürdigend.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gericht einen konkreten Verdacht gegen die Verteidiger hegt. Das würde mich schon deshalb wundern, weil es sich um Juristen handelt, die in Gerichtssälen bisher nicht durch unseriöses Handeln aufgefallen sind. Auch der Anwaltskollege Detlef Burhoff, in seinem ersten Leben Richter am Oberlandesgericht Hamm, kennt die Betroffenen zum Teil persönlich und teilt meine Einschätzung.

Wenn das Gericht aber nur eine theoretische Gefahr dafür sieht, dass Anwälte sich als Waffenschmuggler betätigen, ist die Anordnung gegenüber den Verteidigern überzogen. Auch andere Prozessbeteiligte, die nicht kontrolliert werden, könnten ebenso gut Waffen schmuggeln. Was ist etwa mit der Möglichkeit, dass Dritte einen Gerichtsmitarbeiter oder einen Staatsanwalt zu so einer Aktion nötigen? Viel unwahrscheinlicher, als dass ein Rechtsanwalt sein Leben verpfuscht, ist das auch nicht.

Es wird sicher spannend, ob und wie das Bundesverfassungsgericht diese Marschrichtung korrigiert, auch wenn es in der Vergangenheit durchaus, wenn auch in anderer Konstellation, liberal mit solchen Anordnungen umging. Sollte derartiges in so einer krassen Form akzeptiert werden, wäre das ein fatales Signal an andere Gerichte. Strafverteidiger könnten dann offen gedemütigt und diskriminiert werden. Das wäre für mich gegebenenfalls ein Grund, bei so was in dieser Rolle nicht mehr mitzuspielen.

Nachtrag: Ich habe den Text wegen eines sachlichen Fehlers nachträglich geändert.