Danke, Apple

Gestern gab Apple bekannt, das neue iPhone lasse sich künftig auch per Fingerabdruck entsperren. Ich finde, das ist eine gute Nachricht zur richtigen Zeit. Jedenfalls dann, wenn man wie ich die Themen Totalüberwachung durch Sicherheitsdienste und  Datenschutz derzeit für vernachlässigt hält.

Ausgerechnet das iPhone 5S wird Bewegung in die Debatte bringen. Denn Apples Argumentation, man lasse niemals auch nur irgendjemanden an die lokal gespeicherten Fingerabdruckdaten ran, ist offensichtlich viel zu simpel gestrickt – und ebenso offensichtlich unglaubwürdig.

Apple gehört wie Google und Facebook zu den “Big Data” mit dem Heimatland USA. Seit Wochen erfahren wir durch die Enthüllungen von Edward Snowden, wie gerade die amerikanische NSA sich ziemlich ungeniert aus den riesigen Datenpools der Unternehmen bedienen kann.

Firmen wie Apple dürfen darüber nicht sprechen. Selbst Verfahren, mit denen sie sich juristisch gegen die NSA-Zugriffe wehren, sind in den USA geheim. Ob die so erzwungene Kooperation nun widerwillig oder womöglich gut dotiert ist, spielt aber letztlich keine Rolle.

Unwidersprochener Fakt ist bislang, dass die NSA so ziemlich an alle Daten herankommt, die sie haben will. Warum sollten lokal gespeicherte Fingerabdrücke hiervon ausgenommen sein? Selbst ein hoch und heiliges Versprechen Apples, die Daten nicht auf eigene Server zu kopieren, steht und fällt mit der Bereitschaft der NSA und anderer Geheimdienste, sich ebenfalls daran zu halten.

Selbstverständlich besteht diese Bereitschaft nicht, und deshalb wir es Zugriffe auf die Fingerabdrücke geben. Übrigens auch bei uns. Dazu müssen noch nicht mal die Schlapphüte ran.

Jeden Tag beschlagnahmen deutsche Kriminalbeamte hunderte, wenn nicht tausende Mobiltelefone. Sogar ohne richterlichen Beschluss dürfen sie in vielen Fällen die gesamten Geräteinhalte unter die Lupe nehmen. Für Fingerabdrücke gibt es keine Ausnahme.

Wer so ein mögliches Beweismittel selbst aus der Hand gibt, um sein Handy bequemer aktivieren zu können, kann sich später nicht auf Verwertungsverbote berufen. Die Fingerabdrücke sind noch nicht mal Kommunikationsdaten im engeren Sinn, für welche die kargen Reste des Telekommunikationsgeheimnisses gelten.

Auch so wird die Polizei das Fingerabdruck-Ident toll finden. Das Passwort zu meinem Handy muss ich nach geltender Rechtslage als Beschuldigter (und erst recht als Zeuge) nicht nennen. Dafür gibt es das Schweigerecht.

Parallel dazu gilt auch das Prinzip, dass niemand aktiv an Ermittlungen mitwirken muss. Ich kann mich weigern, auf einer geraden Linie zu gehen. Eine Schriftprobe abzugeben. Oder mit einem Arzt zu sprechen. Ebenso wenig muss ich in ein Alkoholmessgerät pusten oder auf einen Teststreifen pinkeln.

Aber ich bin zum Beispiel verpflichtet, mir eine Blutprobe abnehmen zu lassen. Mit den Fingerabdrücken ist es nicht anders. Auch hierfür bedarf es meiner aktiven Mitwirkung nicht. Unabhängig von juristischen Einzelheiten ist es für die Polizei also einfacher, an Ort und Stelle Zugriff auf ein iPhone zu nehmen, wenn sie hierfür nur schnell den Fingerabdruck des Besitzers braucht.

Die Folge ist also kein Mehr, sondern ein weniger an Freiheit für den einzelnen. Gleiches gilt natürlich auch für Dritte, die vielleicht sogar noch weniger Skrupel bei der Beschaffung des Abdrucks haben. Es ist auf jeden Fall viel leichter, jemanden einen Fingerabdruck abzunötigen, als ihn zur Preisgabe seines Handypassworts oder des Entsperrmusters zu bewegen.

Noch ein weiterer Aspekt: Wer die Fingerabdruck-Sperre nutzt, akzeptiert gleichzeitig eine faktische Umkehr der Beweislast, wenn sein Mobiltelefon für ein krummes Ding genutzt worden sein soll. Ein biometrisches Datum hat bei der Frage, wer das Handy genutzt hat, natürlich erst mal einen wesentlich höheren Stellenwert als ein Vierzahlen-Code. Die Folge: Der mögliche Rechtfertigungsdruck auf den Telefonbesitzer steigt.

Es gibt noch viele weitere Gründe, warum der Fingerabdruck im iPhone unseren Alltag nicht sicherer macht. Kai Biermann zählt sie in einem hervorragenden Artikel auf. Als gute Nachricht bleibt letztendlich, dass die iPhone-Geschichte das Zeug hat, Problembewusstsein zu wecken, und zwar nicht nur bei Apple-Jüngern.