Im Auge des Betrachters

Im Rahmen von Ermittlungen untersuchte ein Polizeibeamter ein sichergestelltes Handy. Dabei stieß er auf vier Fotos, wegen denen mein Mandant nun wiederum ein Verfahren am Hals hat. Mein Mandant hatte dem Typen, dem das Handy gehört, im Rahmen einer WhatsApp-Plauderei einige private Bilder zugeschickt. Verbreitung pornografischer Schriften, lautet nun der Vorwurf.

Ach ja? Zwei Bilder sind typische Selfies. Bislang war mir nicht bekannt, was an einem Porträt – mehr als das Gesicht ist nicht zu sehen – pornografisch sein könnte. Aber vermutlich ist es die laszive Kombination mit dem Hintergrund, die den Polizisten angeregt hat. Der Kopf meines Mandanten ist nämlich auf zwei Kissen gebettet, und auf einem Bild guckt er etwas verkniffen. Sieht für mich aus, als wäre ein Zitronenbonbon im Spiel? Die Phantasie des Kommissars scheint allerdings anderweitig auf Touren gekommen zu sein, denn er nimmt die Bilder als „relevant“ in seine Akte auf.

Nun zu den beiden anderen Fotos. Auf denen ist ein männlicher Unterkörper zu erkennen. Gut möglich, dass dieser zu meinem Mandanten gehört. Allerdings ist die Leistengegend eindeutig bekleidet, und zwar mit einer undurchsichtigen beigen Herren-Unterhose. Nichts unkonventionelles, ich tippe auf ein Modell vom Grabbeltisch bei Strauss.

Wenig überraschend ist da, wo man bei Männern normalerweise einen Knubbel sieht, wenn man sie in Unterhosen fotografiert, tatsächlich ein Knubbel zu sehen. Der Polizeibeamte weiß aus kriminalistischer Erfahrung genau, was unter dem blickdichten Baumwollgeflecht lauert und womöglich die Rechtsordnung bedroht: „… der Penis, der sich als Beule abbildet“.

Tja, und wenn mein Mandant nun sagt, er hat sich einen Marsriegel – einen von den kleinen – in die Hose geschoben, um ein Scherzfoto zu whatsappen? Ich stelle diese lästerliche Frage nur, weil sie schön belegt, warum es sich hier nie und nimmer um Pornografie im Sinne des Strafgesetzbuchs handelt. Abgesehen von dem Umstand, dass wir ansonsten unsere Freibäder nicht mehr öffnen dürften, spielt das Pornokino hier nämlich gar nicht auf dem Display eines iPhone, sondern ausschließlich im Kopfe des beamteten Betrachters.

Das werde ich der zuständigen Staatsanwältin schreiben. Ich wage die Prognose, wir müssen die Sache nicht weiter vertiefen.