Gericht weicht Handyverbot am Steuer auf

Das strenge Handyverbot am Steuer gerät ins Straucheln – dank der Genderisierung der Gesetzesprache. Aus einer sprachlichen Anpassung des Verbots für Mobiltelefone am Steuer leitet das Oberlandesgericht Stuttgart jedenfalls weitreichende Folgen her. Wer das Handy in der Hand hält und gleichwohl über eine Freisprecheinrichtung telefoniert, kann nach einem druckfrischen Gerichtsbeschluss vom 25. April 2016 nicht mit einem Bußgeld belegt werden.

Ein Autofahrer hatte sich damit verteidigt, sein Handy verbinde sich automatisch mit der Bluetooth-Freisprecheinrichtung. Er sei wähend eines laufenden Telefonats losgefahren und habe vergessen, das Telefon aus der Hand zu legen. Telefoniert habe er während der Fahrt aber nur über die Freisprecheinrichtung.

Nach Auffassung des Gerichts erfüllt dies nicht (mehr) den Tatbestand der unerlaubten Handynutzung. Die Richter verweisen darauf, dass mit der sprachlichen Anpassung der Straßenverkehrsordnung auch die Norm inhaltlich geändert wurde. Im Jahr 2013 wurden alle Formulierungen der Straßenverkehrsordnung ausgetauscht, in denen vom „Fahrzeugführer“ die Rede war. Stattdessen heißt es jetzt überall vermeintlich geschlechtsneutraler: „Wer ein Fahrzeug führt…“

Im fraglichen § 23 StVO stand früher:

Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält.

Die aktuelle Fassung lautet so:

Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.

Aus der erkennbar neuen Formulierung „muss“ schließt das Oberlandesgericht Stuttgart, dass nun ein innerer Zusammenhang zwischen dem Aufnehmen oder Halten des Telefons und der Telefonnutzung erforderlich ist. Es sei also erforderlich, dass das Telefon gerade deswegen gehalten wird, um die betreffende Funktion nutzen zu können. Ein bloßes Halten des Telefons unabhängig vom Grund reiche nicht mehr aus.

Die Richter formulieren es so:

Aus sei­ner Einlassung, die in der Hauptverhandlung nicht wi­der­legt wer­den konnte, er­gibt sich, dass er das Telefonat vor Fahrtantritt be­gann. Nach dem Starten des Motors hat sein Telefon (selbst­tä­tig) über Bluetooth eine Verbindung mit der Freisprecheinrichtung des Fahrzeugs her­ge­stellt. Das Telefonat wurde so­dann über diese Anlage fort­ge­führt. Das Telefon musste da­mit vor­lie­gend für den Kommunikationsvorgang nicht ge­hal­ten wer­den.

Damit ist die tat­be­stand­li­che Bedingung, wo­nach hier­für das Mobiltelefon „auf­ge­nom­men oder ge­hal­ten wer­den muss“ dem Wortlaut nach je­den­falls nicht er­füllt. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der Betroffene das Mobiltelefon tat­säch­lich in der Hand ge­hal­ten hat. Dies hat sich vor­lie­gend ge­rade nicht auf den Kommunikationsvorgang aus­ge­wirkt. Das Halten des Geräts be­grün­det des­halb über den Telefonvorgang hin­aus kein re­le­van­tes ei­gen­stän­di­ges Gefährdungspotential.

So lange das Telefon nicht ans Ohr gehalten wird, eröffnet diese Sicht der Dinge Betroffenen ganz neues Verteidigungspotenzial. Im entschiedenen Fall war es so, dass dem Fahrer lediglich nicht nachgewiesen werden konnte, dass seine Geschichte mit der Freisprechanlage nicht stimmt (Aktenzeichen 4 Ss 212/16; Text im Verkehrsrecht Blog).