Berliner Schöffen sollen Angeklagten fürchten

Am Amtsgericht Tiergarten in Berlin soll letzte Woche ein Prozessauftakt geplatzt sein, weil das Gericht keine Schöffen fand. Wie die B.Z. berichtet, soll es keine Schöffen gegeben haben, die im Prozess gegen den Angeklagten Mohamed „Momo“ A. tätig werden wollten.

Mohamed A. soll eine große Nummer auf dem örtlichen Straßenstrich sein. Ihm wird vorgeworfen, auf der Bülowstraße in Schöneberg von Prostituierten ein wöchentliches „Standgeld“ von 120,00 Euro erpresst zu haben. Die Anklage spricht davon, A. habe eine „milieuspezifische Drohkulisse“ aufgebaut. Er gelte als „Herr der Straße“.

Angesichts der bekannten Situation in Berlin ist es schon nachvollziehbar, dass Schöffen, die ja meist selbst in der Gegend wohnen, eher nur ungern über Mohamed A. urteilen wollen. In der Tat sieht das Gerichtsverfassungsgesetz sogar vor, dass Schöffen ihren Dienst verweigern dürfen, wenn ihnen das Richteramt nicht zugemutet werden kann (§ 54 GVG). Die große Frage ist halt nur, wie weit das abstrakte Risiko reicht, welches ehrenamtliche Richter notgedrungen auf sich nehmen müssen. Wenn man einem Schöffen erlaubt, sich wegen möglicher Gefährlichkeit des Angeklagten wegzuducken, wird man das anderen auch nicht verwehren können. Womit das System dann schnell gesprengt wäre.

Sofern der Bericht zutrifft, werden die Verteidiger Mohamed A.s jedenfalls dankbar auf den Zug aufspringen. Das System zur Schöffenwahl ist schon kompliziert genug, auch bei der konkreten Auswahl der ehrenamtlichen Richter für die einzelnen Sitzungstage werden gerne Fehler gemacht. Wenn jetzt noch munter der Stab wegen fehlenden Mutes an sich zuständiger Schöffen weitergereicht wird und das Gericht dies duldet, dürfte allein das ausreichend Stoff für einige Verhandlungstage und die nächsten Instanzen bieten.

Vom Bild, das die Berliner Justiz abgibt, gar nicht zu reden.