Sohn des Generalstaatsanwalts wird Staatsanwalt – trotz mauer Noten

In Schleswig-Holstein sorgt eine Personalie für Wirbel: Der Sohn des Generalstaatsanwalts Ralf Peter Anders wurde trotz fehlender Prädikatsexamina in den höheren Justizdienst des Landes aufgenommen. Das führt zu Diskussionen, nicht nur in Fachkreisen.

Normalerweise braucht man in Schleswig-Holstein für eine Stelle als Staatsanwalt oder Richter mindestens neun Punkte in beiden juristischen Staatsexamina, also ein sogenanntes Doppelprädikat. Das steht so zumindest auf der Website des Landes. Doch der Sohn des seit 2024 amtierenden Generalstaatsanwalts wurde zum 1. August eingestellt – mit nur 7,01 Punkten im ersten und 7,1 Punkten im zweiten Examen. Zusammen macht das knapp über 14 Punkte, was deutlich unter den üblichen Anforderungen liegt. Das Justizministerium bestätigte die Einstellung, schwieg aber zu den Noten mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte. Aus der Staatsanwaltschaft kam Kritik, berichtet beck-online: Anonyme Stimmen werfen dem Ministerium „vorauseilenden Gehorsam“ vor und fragen, ob Bewerber ohne prominente Familienverbindung überhaupt eine Chance auf ein Vorstellungsgespräch gehabt hätten.

Das Justizministerium wiegelt ab. Prädikatsexamina seien nicht das einzige Kriterium. Laut Pressesprecher Christian Kohl spielen auch berufliche Vorerfahrungen, Zusatzqualifikationen wie eine Promotion oder gute Stationszeugnisse eine Rolle. Die Examensnoten seien nur ein Ausgangspunkt, die Summe der Punkte kein festes Kriterium. Das klingt nach einer flexiblen Auslegung. Es macht aber die Angaben auf der Webseite des Landes reichlich verwirrend, die weiter von mindestens neun Punkten sprechen. Offenbar wurde im Fall des Generalstaatsanwalt-Sohnes von dieser Prädikatsregel abgewichen, vermutlich – oder aus Sicht der Verantwortlichen hoffentlich – wegen solch überwältigender Zusatzqualifikationen. Genauere Angaben dazu gibt es aber nicht.

beck-online hat beim Ministerium die zurückliegende Einstellungspraxis abgefragt. Von 2016 wurden demnach bis heute 414 Personen in den höheren Justizdienst aufgenommen, darunter viele ohne Doppelprädikat. 271 hatten im ersten Examen mindestens neun Punkte, 224 im zweiten. 142 bzw. 189 Personen wurden mit „befriedigend“ eingestellt. Für den Zeitraum Juli 2024 bis Juli 2025 gibt das Ministerium an, dass keine der 27 Neueinstellungen eine Gesamtpunktzahl von 14 Punkten oder weniger hatten.

Der schleswig-holsteinische Richter Dirk Meisterjahn kritisiert auf Instagram öffentlich, dass die irreführenden Angaben auf der Landeswebsite Bewerber benachteiligen. Wer sich auf die offiziellen Infos verlässt, könnte denken, mit weniger als Doppelprädikat habe man keine Chance – und sich gar nicht erst bewerben. Es bleibt bis zum Beleg des Gegenteils zumindest der Eindruck, dass familiäre Verbindungen möglicherweise mehr zählen als Noten.

Die Sache ist sicherlich noch nicht ausgestanden.