Hilfe oder Totalkontrolle – Bewährungsbeschluss am Limit

Das Urteil in einer Strafsache war fair. Ich hätte gerne sofort auf Rechtsmittel verzichtet, wäre da nicht der Bewährungsbeschluss gewesen. Meinem Mandanten gibt die Strafkammer folgende Weisung mit auf den Weg:

Der Angeklagte hat von der Kammer beauftragten Amtsträgern der Gerichts-/Bewährungshilfe und von der Polizei auf Verlangen Einblick in die von ihm genutzten Datenträger zu gewähren.

Übersetzt bedeutet das: Während der Bewährungszeit, also in den nächsten drei Jahren, können Computer, Tablets, Mobiltelefon, Tablets, Datenspeicher etc. meines Mandanten kontrolliert werden. Ohne Vorankündigung. Jederzeit. Nicht nur durch den Bewährungshelfer. Sondern auch von der Polizei. Ich habe das starke Gefühl, diese Anordnung geht zu weit. Hier einige Gründe:

Das Gericht kann die Bewährung mit sogenannten Weisungen verknüpfen. Diese sollen dem Betroffenen Hilfe geben, um keine weiteren Straftaten zu begehen. Grundsätzlich macht eine gewissen Kontrolle in dem Fall schon Sinn, das will ich gar nicht abstreiten. Es handelt sich um von meinem Mandanten eingestandene Delikte, die „übers Internet“ begangen wurden. Eine gewisse Wiederholungsgefahr kann man da schon sehen, und dieser Gefahr kann natürlich auch mit einer Weisung begegnet werden. Die Grenze bei Weisungen in Bewährungsbeschlüssen ist allerdings in § 56c StGB recht klar formuliert:

Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

Für eine Unzumutbarkeit in diesem Sinn spricht schon, dass es sich um eine Art ständiger Überwachung handelt, jedenfalls aber um die Möglichkeit einer ständigen Überwachung. Dieser Kontrolldruck sitzt natürlich im Kopf des Betroffenen. Das Bundesverfassungsgericht sagt aber in mehreren Entscheidungen, dass der Druck durch Weisungen nicht die Resozialisierung gefährden darf, weil sonst die Mittel selbst den Zweck vereiteln. Das ist hier doch der Fall.

Es kommt auch hinzu, dass die Kontrollen weder nach Zeit noch nach Häufigkeit begrenzt sind. Außerdem verstehe ich auf Anhieb nicht, wieso ausgerechnet auch noch die Polizei quasi unbegrenzte Kontrollmöglichkeiten erhalten soll. Es ist doch gerade die Aufgabe der besonders geschulten Bewährungshelfer, den Betroffenen auf seinem Weg zu unterstützen. Von der Polizei vorgenommene Kontrollen wären faktisch Hausdurchsuchungen ohne Anfangsverdacht, also von der Eingriffsintensität etwas ganz anderes als ein Besuch vom Bewährungshelfer.

Insgesamt meine ich, dass das Gericht hier nicht mehr die vom Gesetz vorgesehene „Hilfe“ leistet, sondern sehr einseitig auf Kontrolle setzt und zwar mit übermäßigem Druck. Ich konnte auf die Schnelle in Urteilsdatenbanken keinen so weitgehenden Bewährungsbeschluss finden. Möglicherweise kann das Oberlandesgericht auf meine Beschwerde hin ein klein wenig Rechtsgeschichte schreiben.

Karikatur: wulkan