KEIN LUXUS

In der Ausbildung befindliche Kinder nehmen nicht ohne weiteres am Luxus ihrer gut verdienenden Eltern teil. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg entschieden. Eine Fachschülerin hatte von ihrem nichtehelichen Vater (Monatseinkommen: 15.000 Euro), mit dem sie nie in einem Haushalt gelebt hat, zunächst über 2.000 Euro Unterhalt verlangt. Diesen Betrag benötige sie für ein standesgemäßes Leben.

Das sieht das Oberlandesgericht anders: Volljährige Kinder seien auf dem Sprung in die wirtschaftliche Selbstständigkeit. Sie hätten keinen eigenständigen Anspruch darauf, auch in der Ausbildungsphase ähnlich gut zu leben wir ihre Eltern. Konkret konnte das Gericht nur einen Unterhaltsbedarf von 865 Euro feststellen, geringfügig mehr als der Vater schon vorher gezahlt hatte.

(link via Handakte WebLAWg)

LINIENTREU

Ein Kriminalkommissar-Anwärter hat kein Recht auf unliniertes Papier in einer Klausur. Das Verwaltungsgericht Berlin wies damit den Eilantrag eines Polizisten zurück, der seine Arbeiten seit 15 Jahren auf unliniertem Papier formuliert hatte. Anlass für den Streit war die Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst, bei der dem Beamten weisses unliniertes Papier verweigert worden war (Beschluss vom 29.03.2004, Az.: VG 28 A 81/04).

Wer heute noch nicht den Kopf geschüttelt hat, liest die ganze Geschichte bei beck-aktuell.

UNBEKANNTERWEISE

Manche Zeugen haben echt Talent. Sie zermürben Richter und Staatsanwälte. Indem sie Ladungen beharrlich ignorieren. Zwangsgelder schrecken nicht. Ist sowieso häufig nichts zu holen. Und die Androhnung von Gefängnis für den Fall, dass das Zwangsgeld nicht eingetrieben werden kann, ist meist eine leere Drohung. Kümmert sich ja doch keiner um die Vollstreckung. Und, by the way, sind die Haftanstalten nicht ohnehin überfüllt?

Aus der schlechten Zeugenmoral kann man als Verteidiger Kapital schlagen. Gestern zum Beispiel war die entscheidende Augenzeugin nicht gekommen. Zum zweiten Mal. Es hätte zwar nahe gelegen, einfach wieder einzupacken – bis zum nächsten Termin. Aber warum nicht mal den Vorschlag machen, dass der Angeklagte seine Sicht der Dinge darstellt? Dass er definitiv nicht in der Tankstelle mit einer fremden Kreditkarte gezahlt hat. Und dass die Fotos der Überwachungskamera bullshit sind, weil die Uhren von Kasse und Überwachungssystem gar nicht synchron laufen.

Es war deutlich zu sehen, dass weder Richterin noch Staatsanwältin auch nur ein Wort von dem glaubten, was mein Mandant erzählte. Nach 20 Minuten Aussage allerdings war klar, dass die Zeugin ganz schön in die Mangel genommen werden würde, wenn sie denn mal zum Gericht kommt.

Lag es da nicht nahe, auch über andere Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung nachzudenken? Zum Beispiel eine Einstellung wegen geringer Schuld, bei der die Staatskasse sogar die Gerichtskosten übernimmt? Der Vorschlag kommt dann wie erhofft, wenn auch „schweren Herzens und mit großen Bauchschmerzen“.

Wir nehmen natürlich an. Und bedanken uns hiermit recht herzlich bei der Zeugin. Unbekannterweise, zum Glück.

KOMMENTARE

Die Kommentare werden nicht angezeigt? Liegt nicht an euch, sondern am Provider. Hoffen wir mal, dass die nicht schon im Osterurlaub sind.

Notbehelf: Arne weist darauf hin, dass mitunter ein Reload der Kommentarseite mit gedrückter Shift- und/oder Strg-Taste hilft, manchmal aber auch erst nach mehreren Versuchen.

BLIND

Blinde Schöffen haben keinen Anspruch darauf, als Laienrichter in Strafsachen mitzuwirken. Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde eines Blinden zurück, der wegen seiner Behinderung aus der Schöffenliste gestrichen worden ist.

Diese Entscheidung hat allerdings keine Auswirkung auf die nach wie vor beachtliche Blindenquote unter amtierenden Schöffen.

(danke an Mathias Schindler für den link)

VERSCHÄRFT

VERSCHÄRFT

Das gesamte Sexualstrafrecht ist am 1. April 2004 erheblich verschärft worden. Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie werden jetzt mit bis zu zwei bzw. fünf Jahren Gefängnis bestraft. Geldstrafen können in bestimmten Konstellationen überhaupt nicht mehr verhängt werden.

Heftig kritisiert wird, dass künftig jeder Verstoß gegen Normen des Sexualstrafrechts die Ermittlungsbehörden berechtigt, eine DNA-Probe des Beschuldigten zu speichern. Ich wage die Prognose, dass das Bundesverfassungsgericht diese Regelung als überzogen aufhebt.

Eine lesbare Zusammenfassung der Neuregelungen steht hier.

(danke an Andrea Altefrone für den link)

ADDITIVE EHE

Wie am 30. März im law blog berichtet, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz der Zweitfrau eines Muslimen eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zugesprochen. Das heftig diskutierte Urteil nimmt Spiegel online zum Anlass für eine launige Betrachtung, ob der additiven Ehe die Zukunft gehört.

(danke an Mathias Schindler für den link)

GANZ UNTEN

Selbst altgediente Juristen müssen erst fünf Jahre als Anwalt zugelassen sein, bevor sie am Oberlandesgericht (OLG) auftreten dürfen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es bei dieser Wartefrist keinerlei Ermessensspielraum gibt. Damit muss sogar eine OLG-Richterin, die sich nach ihrer Pensionierung noch als Anwältin versuchen wollte, wieder „ganz unten“ anfangen.

(link gefunden bei Vertretbar.de)

SCHLAGZEILEN

Die aktuellen Schlagzeilen beim Anwaltsjournal JUVE:

Abschied von Clifford: Ehemaliger European Managing Partner Nägele verlässt die Kanzlei

Ungewissheit bei Hölters & Elsing: Alle Partner kündigen Sozietätsvertrag

Eklat bei Heussen: Partner vor der Entlassung, Büros in Düsseldorf und Köln werden geschlossen

Anlegeranwälte getrennt: Zwist bei Tilp & Kälberer

Habe ich schon mal erwähnt, wie schön es ist, ein kleines Anwaltsbüro zu besitzen :-)

NAMEN UND DATEN

Beamte der Mönchengladbacher Polizei sind sparsam. Für Skizzen und Notizen bei Vernehmungen benutzen sie überzählige Computerausdrucke. Immerhin ist dort ja die Rückseite noch frei. Obwohl ich eigentlich in einer Verkehrssache vom 1. April 2004 als Verteidiger tätig bin, weiß ich jetzt zum Beispiel, dass unter der Tagebuchnummer 506100 210204 …. gegen Herrn Masoud A. aus Schwalmtal ermittelt wird. Wegen eines Deliktes vom 21. Februar 2004. Die Straße, an der Herr A. wohnt, ist auch noch vermerkt.

Oder ich erfahre, dass Herr Regierungsangestellter Frank D. unter der EDV-Nummer 758… die Vorgangsdaten zum Vekehrsunfall 506200 300104 …. erfasst hat. Sämtliche Daten sind praktischerweise unten auf der Seite aufgeführt.

Leider wurden meinem Mandanten nur zwei Blätter Papier in die Hand gedrückt. Aber demnächst vielleicht mehr…

REISEN BILDET

Die FDP-Landtagsfraktion aus Nordrhein-Westfalen fuhr nach Frankfurt/Oder, um sich über den Beitritt Polens zur EU zu informieren. Besonderer Themenschwerpunkt: Grenzkriminalität. Dumm nur, dass sich ein Abgeordneter beim Zigarettenschmuggeln erwischen ließ. Die Journalistin Claudia Sanders berichtet in einer Radioreportage (MP 3).

(Danke an Mathias Schindler für den link)

ECHTE FREUNDE

Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch eines Richters im Bezirk Stendal aufgehoben. Dieser soll einen Rechtsanwalt, mit dem er eng befreundet war, lukrative Insolvenzverfahren zugeschoben haben. Als mögliche Gegenleistung gab es dann zum Beispiel preiswerte Autos, u.a. für die Lebenspartnerin.

Vor der Anklage hatte es unter Richtern und Anwälten bereits erheblichen Unmut über das Verhalten des Richters gegeben. Sogar im Gerichtspräsidium musste er Rede und Antwort stehen. Trotzdem soll er ungerührt weiter gemacht haben. Dass ihn seine Kollegen straflos davon kommen lassen wollten, hat dem Bundesgerichtshof wohl nicht so gut gefallen. Jedenfalls muss nun ein anderes Landgericht den Fall neu entscheiden – und die vom BGH in deutlichen Worten kritisierten Unterlassungssünden der Stendaler Strafrichter vermeiden.

(Danke an Rainer Langenhan für den link)