UNBESTIMMT

Für den Gesetzgeber hagelt es mal wieder Ohrfeigen. Der Bundesgerichtshof hält den verschärften Straftatbestand der Steuerhinterziehung für möglicherweise verfassungswidrig, berichtet beck-aktuell. Wer „in großem Umfang“ Steuern hinterzieht und dabei gewerbs- oder bandenmäßig handelt, begeht danach ein Verbrechen (Mindeststrafe ein Jahr, keine Einstellung gegen Auflagen möglich, eine Selbstanzeige wirkt nicht strafbefreiend).

Nach Ansicht des BGH ist das Merkmal „in großem Umfang“ zu vage, um dem verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgebot zu genügen. Außerdem weist das Gericht auf Ungereimtheiten bei den Strafrahmen und Wertungswidersprüche hin.

UM DIE ECKE

Über die Erfahrungen, welche „Mandanten am Monitor“ mit Online-Rechtsberatung machen, berichtet der stern. Das Fazit:

„Eine Internet-Rechtsberatung eignet sich zur Information und zur Einschätzung von Rechtsproblemen – wird es ernst, kann sie den Gang zum Anwalt um die Ecke nicht ersetzen.“

Ob allerdings ausgerechnet der Anwalt „um die Ecke“ der Richtige ist, wäre eine ganz andere Frage.

(link via Handakte WebLAWg)

FOLTER FREI

Unverhohlen für die Zulassung der Folter setzt sich ein „Terrorismusexperte“ im Interview mit der Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei (PDF) ein. Berndt Georg Thamm:

Es darf keine Tabus in der Diskussion um Mittel in der Bekämpfung des Terrorismus geben. … Auch hier denk ich, muss zumindest anüberlegt und diskutiert werden, in wie weit selbiger (der finale Rettungsschuss) auch gegenüber Djihâd-Terroristen durch Spezialkräfte zur Anwendung kommen sollte, wenn dadurch ein Sprengstoffattentat verhindert werden kann. Weiterhin, ebenfalls strittig diskutiert, in wie weit in der Vernehmung von Djihâd- Terroristen – um Leben zu retten oder schlimme Anschläge zu verhindern – die Androhung von Gewalt im Sinne eines Notwehrrechtes durchgeführt werden kann, soll oder müsste? Ich will nur mit diesen sehr streitig diskutierten Punkten deutlichen machen, dass wir heute in der Lage und Situation sind, auf Grund des Bedrohungsszenarios gegen Djihâd-Terroristen, was uns ja auf sehr lange
Zeit, wahrscheinlich auf Jahrzehnte erhalten bleibt, wirklich alle Möglichkeiten der Bekämpfung leidenschaftslos und ohne jede Ideologie durchdiskutieren sollten.

Was solche Leute nicht begreifen ist, dass wir mit der Einführung des Polizeistaates genau das aufgeben, was wir gegen Terroristen verteidigen wollen: die Freiheit. Was solche Leute gefährlich macht ist die kaum verborgene Heuchelei. Auch sie wissen doch, dass der Beruf Terrorist normalerweise nicht im Personalausweis steht. Schon deswegen wäre es möglich, die „angedachten“ Maßnahmen auch bei anderen Beschuldigten anzuwenden, abgesehen davon, dass nach einem solchen Dammbruch die Ausweitung sowieso kommen würde.

(danke an Claudia Sanders für den Hinweis)

PRIVATE POLIZEI 2

PRIVATE POLIZEI 2

Wie im Wortfilter zu lesen ist, hat die Braunschweiger Polizei ihre „Privat“auktionen bei ebay eingestellt. Es soll sich jetzt dort nur noch folgende Mitteilung finden:

Verkauf von ausgesonderten Dienstkraftfahrzeugen: Bis zur Klärung eines rechtlichen Problems hinsichtlich der Gewährleistung werden keine Dienstkraftfahrzeuge mehr versteigert. Aktuelle Angebote wurden bereits gelöscht. Wir bitten um Ihr Verständnis.

So was sollte man im Hinterkopf behalten, wenn ein Beamter erklärt, er wisse doch wohl am besten, wie die Rechtslage ist.

(danke an Marc Wickel für den Hinweis)

POSTEINGANG

Dienstag, 7. September 2004, 10.06 Uhr. A day to remember. Alle E-Mails sind bearbeitet. Der Posteingang ist leer. Und bis zur nächsten Aktualisierung sind es noch gut acht Minuten…

GESETZESLÜCKEN

GESETZESLÜCKEN

Missbrauch von Telefonkarten ist weit verbreitet. Ebenso die Neigung der Gerichte, jemanden, der eine fremde Karte benutzt hat, wegen Betrugs zu verurteilen. Dem hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Absage erteilt. Wer eine Telefonkarte benutzt, die auf einen anderen ausgestellt ist, macht sich nicht wegen Betruges strafbar. Nach Auffassung der obersten Strafrichter fehlt es schon an der Täuschung eines Menschen, ohne die ein Betrug nicht denkbar ist. Die Anwahl über eine Telefonkarte löst nur einen „technischen Vorgang“ aus.

Bleibt die Frage, ob vielleicht der besonders geregelte Computerbetrug vorliegt. Der ist aber nur möglich, wenn jemand die Karte „unbefugt“ verwendet. Ist der Karteninhaber einverstanden, handelt der Betroffene aber gerade nicht unbefugt. Diese Auffassung stellt die unteren Gerichte vor ein Dilemma. Sie müssen künftig in jedem Fall nachweisen, dass die Karte ohne Einverständnis des Eigentümers genutzt wurde. Bei den verschlungenen Wegen, die solche Karten mitunter nehmen, ist das nicht einfach.

Beim Thema Karten ist auch interessant, dass es trotz unserer umfassende Gesetze immer noch Strafbarkeitslücken gibt. Zum Beispiel in dem Fall, dass jemand mit einer eigenen Kontokarte Geld abheben will, obwohl er weiß, dass er es nicht zurückzahlen kann. Tut er dies bei einer dritten Bank, kann er wegen Missbrauchs von Scheck- und Kreditkarten verurteilt werden. Plündert er das Konto dagegen am Geldautomaten der eigenen Bank, macht er sich nicht strafbar. Wenn die eigene Bank säumigen Zahlern also mit einer Strafanzeige droht, ist das in diesen Fällen nur heiße Luft. Vorausgesetzt, der Strafrichter am örtlichen Amtsgericht ist bereit, sich mit den Feinheiten der BGH-Rechtsprechung zu beschäftigen.

EINSATZ

Als ich gestern aus dem Büro ging, schien die Sonne. Der ältere Nachbar kümmerte sich gerade um seine Rosensträuche. Und winkte fröhlich rüber:

„So, jetzt wieder im Einsatz für die Gerechtigkeit.“

Das klang überhaupt nicht ironisch.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

GESETZESDSCHUNGEL

Ein Mann findet in einem ererbten Bauernschrank Teile einer Waffe. Eine Pumpgun, wie sich später herausstellt. Er ruft einen Bekannten, der ehrenamtlich bei der Sicherheitswacht arbeitet, und händigt ihm die Teile aus. Der Mann bringt sie ganz fix zur Polizei. Und was hat der ehrliche und besorgte Finder davon? Er findet sich auf der Anklagebank wieder. Vor einem kopfschüttelnden Richter, der über den Tücken des Waffenrechts schier verzweifelt. Wie die Sache ausgeht, berichtet die Pegnitz-Zeitung.

(danke an Robert Huber für den link)

RECHTSRAT, KOSTENLOS

RECHTSRAT, KOSTENLOS

Unentgeltliche Rechtsberatung soll künftig jedermann erlaubt sein. Das sieht der Entwurf des neuen Rechtsberatungsgesetzes vor. Die Justizministerin hat ihn jetzt vorgestellt, so das Handelsblatt. Bezahlte Rechtsberatung soll allerdings auch weiterhin nur Juristen mit zwei Staatsexamen gestattet sein.

Mit dieser Regelung können wir Anwälte (weiter) ganz gut leben. Die nächsten Verfassungsbeschwerden sind allerdings programmiert.

(danke an Mathias Schindler für den link)

KNAST ONLINE

Zwei nordrhein-westfälische Gefängnisse haben jetzt einen Internetauftritt, nämlich Siegburg und Werl.

Bemerkenswert, dass sich die JVA Siegburg in ihrer Selbstdarstellung als Dienstleistungseinrichtung versteht, allerdings mit besonderer Stoßrichtung: Sie produziert nach ihrem Selbstverständnis Sicherheit für die Bürger, und zwar „durch Integration der inhaftierten Straftäter in die Gesellschaft“.

Ach so.

GEBIMMEL

Wenn man am Sonntagnachmittag mal so wegdöst, dann aber gleich wieder von einem wahnsinnigen Gebimmel der Kirchenglocken um die Ecke aus dem Schlaf gerissen wird, dann will man den Juristen in sich gar nicht verleugnen:

Warum darf die Kirchengemeinde eigentlich mindestens viermal in der Stunde 100 % der Bevölkerung mit Geräuschimmissionen behelligen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass noch nicht einmal die Mehrheit der spärlichen Kirchenmitglieder gesteigerten Wert darauf legt, akustisch die Zeit angesagt zu erhalten. Falls wider Erwarten doch noch jemand alle 15 Minuten eine Erinnerung braucht, was die Uhr geschlagen hat (haha), könnte man ihm nicht besser eine SMS schicken?

Wie die Stadt Stuttgart erklärt, unterscheidet man zwischen Zeitläuten und liturgischem Geläut. Ersteres stört mich. Erfreulich: Zeitläuten soll dem normalen Immissionsrecht unterliegen. Auf der Seite ist sogar ausdrücklich erwähnt, dass Gerichte das Zeitläuten bereits eingeschränkt haben. Und ich (sorry, kleine Schwächen im öffentlichen Recht) dachte bisher, alle Proteste gegen Glockengeläut blitzen regelmäßig vor den Verwaltungsgerichten ab.

Das eröffnet ja ganz neue Perspektiven…

NERVIG

Reisende müssen aufdringliches Verhalten des Reiseleiters nicht dulden. Das Amtsgericht Bad Homburg billigte Urlaubern 10 Prozent Minderung zu, berichtet der Anwaltsuchservice. Ihr Reiseleiter hatte sie 11 Tage lang auf einer Nilkreuzfahrt genervt, um Buchungen für ein Galadinner zu erhalten.

ALLES PRIVAT

Die Bezirksregierung Braunschweig versteigert bei ebay Polizeiautos, zum Beispiel diesen VW Passat. Interessant finde ich folgenden Hinweis im Angebot:

„Bei dieser Auktion handelt es sich um einen so genannten Privatverkauf, daher ist die Gewährleistung ausgeschlossen.“

Bezirksregierung = Privatperson, darauf muss man erst mal kommen.

(danke an das ebay-Mitglied sailorxone für den link)