POSTEINGANG

Dienstag, 7. September 2004, 10.06 Uhr. A day to remember. Alle E-Mails sind bearbeitet. Der Posteingang ist leer. Und bis zur nächsten Aktualisierung sind es noch gut acht Minuten…

GESETZESLÜCKEN

GESETZESLÜCKEN

Missbrauch von Telefonkarten ist weit verbreitet. Ebenso die Neigung der Gerichte, jemanden, der eine fremde Karte benutzt hat, wegen Betrugs zu verurteilen. Dem hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Absage erteilt. Wer eine Telefonkarte benutzt, die auf einen anderen ausgestellt ist, macht sich nicht wegen Betruges strafbar. Nach Auffassung der obersten Strafrichter fehlt es schon an der Täuschung eines Menschen, ohne die ein Betrug nicht denkbar ist. Die Anwahl über eine Telefonkarte löst nur einen „technischen Vorgang“ aus.

Bleibt die Frage, ob vielleicht der besonders geregelte Computerbetrug vorliegt. Der ist aber nur möglich, wenn jemand die Karte „unbefugt“ verwendet. Ist der Karteninhaber einverstanden, handelt der Betroffene aber gerade nicht unbefugt. Diese Auffassung stellt die unteren Gerichte vor ein Dilemma. Sie müssen künftig in jedem Fall nachweisen, dass die Karte ohne Einverständnis des Eigentümers genutzt wurde. Bei den verschlungenen Wegen, die solche Karten mitunter nehmen, ist das nicht einfach.

Beim Thema Karten ist auch interessant, dass es trotz unserer umfassende Gesetze immer noch Strafbarkeitslücken gibt. Zum Beispiel in dem Fall, dass jemand mit einer eigenen Kontokarte Geld abheben will, obwohl er weiß, dass er es nicht zurückzahlen kann. Tut er dies bei einer dritten Bank, kann er wegen Missbrauchs von Scheck- und Kreditkarten verurteilt werden. Plündert er das Konto dagegen am Geldautomaten der eigenen Bank, macht er sich nicht strafbar. Wenn die eigene Bank säumigen Zahlern also mit einer Strafanzeige droht, ist das in diesen Fällen nur heiße Luft. Vorausgesetzt, der Strafrichter am örtlichen Amtsgericht ist bereit, sich mit den Feinheiten der BGH-Rechtsprechung zu beschäftigen.

EINSATZ

Als ich gestern aus dem Büro ging, schien die Sonne. Der ältere Nachbar kümmerte sich gerade um seine Rosensträuche. Und winkte fröhlich rüber:

„So, jetzt wieder im Einsatz für die Gerechtigkeit.“

Das klang überhaupt nicht ironisch.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

GESETZESDSCHUNGEL

Ein Mann findet in einem ererbten Bauernschrank Teile einer Waffe. Eine Pumpgun, wie sich später herausstellt. Er ruft einen Bekannten, der ehrenamtlich bei der Sicherheitswacht arbeitet, und händigt ihm die Teile aus. Der Mann bringt sie ganz fix zur Polizei. Und was hat der ehrliche und besorgte Finder davon? Er findet sich auf der Anklagebank wieder. Vor einem kopfschüttelnden Richter, der über den Tücken des Waffenrechts schier verzweifelt. Wie die Sache ausgeht, berichtet die Pegnitz-Zeitung.

(danke an Robert Huber für den link)

RECHTSRAT, KOSTENLOS

RECHTSRAT, KOSTENLOS

Unentgeltliche Rechtsberatung soll künftig jedermann erlaubt sein. Das sieht der Entwurf des neuen Rechtsberatungsgesetzes vor. Die Justizministerin hat ihn jetzt vorgestellt, so das Handelsblatt. Bezahlte Rechtsberatung soll allerdings auch weiterhin nur Juristen mit zwei Staatsexamen gestattet sein.

Mit dieser Regelung können wir Anwälte (weiter) ganz gut leben. Die nächsten Verfassungsbeschwerden sind allerdings programmiert.

(danke an Mathias Schindler für den link)

KNAST ONLINE

Zwei nordrhein-westfälische Gefängnisse haben jetzt einen Internetauftritt, nämlich Siegburg und Werl.

Bemerkenswert, dass sich die JVA Siegburg in ihrer Selbstdarstellung als Dienstleistungseinrichtung versteht, allerdings mit besonderer Stoßrichtung: Sie produziert nach ihrem Selbstverständnis Sicherheit für die Bürger, und zwar „durch Integration der inhaftierten Straftäter in die Gesellschaft“.

Ach so.

GEBIMMEL

Wenn man am Sonntagnachmittag mal so wegdöst, dann aber gleich wieder von einem wahnsinnigen Gebimmel der Kirchenglocken um die Ecke aus dem Schlaf gerissen wird, dann will man den Juristen in sich gar nicht verleugnen:

Warum darf die Kirchengemeinde eigentlich mindestens viermal in der Stunde 100 % der Bevölkerung mit Geräuschimmissionen behelligen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass noch nicht einmal die Mehrheit der spärlichen Kirchenmitglieder gesteigerten Wert darauf legt, akustisch die Zeit angesagt zu erhalten. Falls wider Erwarten doch noch jemand alle 15 Minuten eine Erinnerung braucht, was die Uhr geschlagen hat (haha), könnte man ihm nicht besser eine SMS schicken?

Wie die Stadt Stuttgart erklärt, unterscheidet man zwischen Zeitläuten und liturgischem Geläut. Ersteres stört mich. Erfreulich: Zeitläuten soll dem normalen Immissionsrecht unterliegen. Auf der Seite ist sogar ausdrücklich erwähnt, dass Gerichte das Zeitläuten bereits eingeschränkt haben. Und ich (sorry, kleine Schwächen im öffentlichen Recht) dachte bisher, alle Proteste gegen Glockengeläut blitzen regelmäßig vor den Verwaltungsgerichten ab.

Das eröffnet ja ganz neue Perspektiven…

NERVIG

Reisende müssen aufdringliches Verhalten des Reiseleiters nicht dulden. Das Amtsgericht Bad Homburg billigte Urlaubern 10 Prozent Minderung zu, berichtet der Anwaltsuchservice. Ihr Reiseleiter hatte sie 11 Tage lang auf einer Nilkreuzfahrt genervt, um Buchungen für ein Galadinner zu erhalten.

ALLES PRIVAT

Die Bezirksregierung Braunschweig versteigert bei ebay Polizeiautos, zum Beispiel diesen VW Passat. Interessant finde ich folgenden Hinweis im Angebot:

„Bei dieser Auktion handelt es sich um einen so genannten Privatverkauf, daher ist die Gewährleistung ausgeschlossen.“

Bezirksregierung = Privatperson, darauf muss man erst mal kommen.

(danke an das ebay-Mitglied sailorxone für den link)

POST VON EBAY

In jeder Mail von ebay steht die Standardwarnung á la: „Ebay wird Sie per E-Mail nie unaufgefordert nach persönlichen Daten fragen.“ Leider hält sich das Auktionshaus möglicherweise nicht daran. Mit einer (echten) Mail sollen Kunden aufgefordert worden sein, ihre Telefonnummer anzugeben, berichtet heise online. Ansonsten könnten sie ausgeschlossen werden.

Eine andere Frage ist, wofür ebay die Telefonnummer braucht. Die Weitergabe an den Geschäftspartner ist wohl nicht geplant und auch nicht erlaubt. Die Spekulationen reichen also von besseren Abgleichmöglichkeiten bei der Schufa bis zum möglichen Weiterverkauf der Adressen.

Dass gerade bei einer bestehenden Geschäftsverbindung die Nichtangabe von Daten, die ohnehin nicht erforderlich sind, nicht zur Kündigung führen darf, steht auf einem anderen Blatt.

(danke an Andrea Altefrone für den link)

REFORM

Neue Möglichkeiten der Videovernehmung, bessere Chancen, schon im Strafverfahren Schmerzensgeld zu erhalten – das Opferrechtsreformgesetz ist seit Monatsanfang in Kraft, berichtet beck-aktuell.

Leider konnte sich bisher niemand aufraffen, die Videovernehmung zur Pflicht zu machen. Nicht mal ein Tonband muss heutzutage mitlaufen, wenn sich Zeugen oder Beschuldigte äußern. In den normalen Vernehmungsprotokollen auf Papier steht häufig mehr von dem, was der Polizeibeamte gerne hören möchte und nicht das, was der Befragte wirklich gesagt hat.