In einer Strafsache fragt die Staatsanwaltschaft an, ob wir die Ermittlungsakte in Fotokopie haben. Begründung: Die Akte sei bei der Staatsanwaltschaft nicht mehr auffindbar. Gleichzeitig bittet die Behörde um Übersendung unserer Kopie.

So einfach ist es nun auch wieder nicht. Wenn die Staatsanwaltschaft keine Akte (mehr) hat, kann sie meinen Mandanten auch nicht bzw. nicht richtig verfolgen. Wenn ich der Staatsanwaltschaft also meine Akte übersende, helfe ich mit, dass er verfolgt werden kann. Das kann man ganz zwanglos einordnen. Unter Parteiverrat. Und selber strafbar machen möchte ich mich dann doch nicht, so freundlich der Staatsanwalt auch anfragt.

Sicherstellen kann die Staatsanwaltschaft meine Aktenkopie auch nicht, weil sie zu den Unterlagen der Verteidigung gehört. Die unterliegen einem grundsätzlichen Beschlagnahmeverbot (§ 97 Strafprozessordnung) und die Maßnahme wäre rechtswidrig. (Ob eine von einer rechtswidrig beschlagnahmten Akte gefertigte Kopie zu einem Verwertungsverbot gegenüber meinem Mandanten führen würde, ist eine andere Frage.)

Mit einem Nö mache ich mich sicher nicht beliebt. Aber dafür werde ich ja auch nicht bezahlt.

ZUM GÄHNEN

ZUM GÄHNEN

Weil der Richter im Prozess eingeschlafen war, haben drei Männer in Großbritannien Berufung gegen sein Urteil eingelegt. Wegen versuchten Raubes waren sie zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Wie die Netzeitung berichtet, hat der Richter sogar eingeräumt, dass er gedöst hat. Patzig soll er allerdings angemerkt haben, es tue nichts zur Sache, ob der Vorwurf des Schnarchens stimmt.

Gerade Mammutprozesse provozieren mitunter Müdigkeitsattacken. Mein schlimmstes Erlebnis in dieser Richtung: In einem Verfahren wegen Menschenhandel haben die Richter einmal anderthalb Tage Telefonabhörprotokolle vorgelesen. Das macht besonders viel Spass, wenn man als Verteidiger die Papiere sowieso schon mehrere Male studiert hat. Ich würde nicht beschwören, dass mich – gerade nach der Mittagspause – nicht auch mal der Sekundenschlaf übermannt hat.

Ansonsten habe ich mich mit Reclam-Heftchen durch den Tag gerettet.

(danke an law blog-Leser Torsten K. für den link)

NETT SEIN

Italiener müssen nett zur Schwiegermutter sein. Sie dürfen ihre Schwiegermütter nicht mit unverhohlener Abneigung behandeln. Das Kassationsgericht in Rom verhängte gegen einen Geschiedenen 25 Euro Geldstrafe, weil er sich „in offener Ablehnung“ in Sichtweite vor das Haus seiner Schwiegermutter gestellt habe. Mitunter habe der Mann, ein 37-jähriger Lastwagenfahrer aus dem süditalienischen Taranto, sogar provozierend den Namen der Mutter seiner Ex-Frau gerufen, berichtet beck-aktuell. Das Urteil des Berufungsgerichts fällt noch milde aus. Die erste Instanz hatte dem Mann 15 Tage Haft aufgebrummt.

HERZKREISE

WDR 5 berichtete über die Herz- und Schenkkreise. Unter anderem darüber, dass reuige Teilnehmer immer wieder abgeblockt werden. Fordern die nämlich ihr Geld zurück, wird gern behauptet: Geschenkt ist geschenkt. Das sogar unter Hinweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Zwar müsse eine Schenkung notariell beurkundet werden, räumen die Beschenkten ein. Sobald das Geld aber fließe, sei der Mangel geheilt.

Knapp vorbei ist auch daneben, argumentierte ein Kölner Anwalt, der nach eigenen Angaben 300 Geschädigte vertritt. Sein Argument: Es handelt sich gar nicht um Schenkungen, sondern um „Eintrittsgelder“, um am Spiel teilnehmen zu können. Da Pyramidenspiele aber nach mehreren Entscheidungen des Bundesgerichtshofes illegal und sittenwidrig seien, könne das gezahlte Geld als „ungerechtfertigte Bereicherung“ zurückgefordert werden.

Klingt plausibel. Es sollen auch schon etliche Prozesse laufen.

Update: Express berichtet über den Auftakt zum ersten Rückforderungsprozess.

TELEKOM INNOVATIV

Da hat die Telekom über Monate einen DSL-Anschluss doppelt berechnet. Schließlich hat der Kunde sich sein Geld zurück geholt. Auf Beschwerden antwortet die Telekom nur mit Blabla. Ihre Hausanwälte Seiler & Kollegen beantragen androhungsgemäß einen Mahnbescheid beim Amtsgericht Euskirchen.

Wir tun nichts – außer Widerspruch einlegen. Darauf nehmen die Telekom-Anwälte den Mahnbescheid zurück, womit die Sache erledigt ist.

Zurück bleibt ein staunender Anwalt. Nämlich ich. Jemand bei der Telekom hat den Fehler selbst bemerkt. Oder sich tatsächlich die Mühe gemacht, die Briefe eines Kunden, der den Sachverhalt der Doppelberechnung minutiös schildert, zu lesen und – zu begreifen. Es geht voran…

PLÖTZLICH UND UNERWARTET

PLÖTZLICH UND UNERWARTET

Im Verfahren über eine einstweilige Anordnung – also eine eilige Sache – hat das Landgericht Ende Dezember einen Termin für den 26. Januar anberaumt. Am 20. Januar kommt folgender Beschluss:

… Der anberaumte Termin wird aufgehoben, weil der Einzelrichter mit Ablauf des 20.01.2004 in den Ruhestand tritt. Neuer Termin wird bestimmt, sobald feststeht, wann und unter welchen Voraussetzungen der Kammer ein neues Mitglied zugewiesen wird.

So ein Eintritt in den Ruhestand kommt ja bekanntermaßen plötzlich und unerwartet…

ÄNGSTLICH?

ÄNGSTLICH?

Nicht jeder Schwarzfahrer muss sich fürchten. Kontrolleure haben mitunter so viel Angst vor (vermeintlichen) Mitgliedern der Drogenszene, dass diese unkontrolliert mitfahren dürfen. Der Express berichtet zumindest über etliche Beschwerden brav zahlender Fahrgäste.

Ich habe es neulich erlebt, dass sich ein Kontrolleur auf einen gerade zugestiegenen Jungen geschmissen hat. Der Fahrgast hatte noch nicht einmal den Hauch einer Chance, seine Fahrkarte zu stempeln. An Ort und Stelle wollte der Kontrolleur sich auf keine Diskussion einlassen. Ich habe mich für den Jungen als Zeuge zur Verfügung gestellt, worauf die Rheinbahn die Sache niederschlug.

VERTIPPT

Okay. Wir geben es zu. Unsere Sekretärin hat sich vertippt. Bei einem Antrag auf einen Mahnbescheid schrieb sie zur Adresse Am Rosenhügel in Gelsenkirchen die falsche Postleitzahl. 46881. Statt 45881. Das Amtsgericht Hagen, zuständig für das automatisierte Mahnverfahren, reagiert auf so etwas allergisch:

Die Angaben zu Postleitzahl und Ort beim Antragsgegner stimmen nach unseren Unterlagen nicht überein.

Dann wird zur Berichtigung aufgefordert. Mit Fristsetzung und Belehrung:

… kann Ihr Antrag u.U. kostenpflichtig zurückgewiesen werden. Eine verspätete Monierungsantwort könnte dann keine Berücksichtigung mehr finden.

Wir fassen zusammen: Das Amtsgericht Hagen vergleicht die angegebene Postleitzahl mit dem Orts- und dem Straßennamen. Und stellt fest, dass zu der Adresse eine andere Postleitzahl gehört. Das teilt das Gericht uns als Antragsteller mit und fragt nach einer Postleitzahl, die es ja eigentlich schon kennt, denn in „unseren Unterlagen“ stehen ja sicher nicht nur falsche, sondern auch richtige Postleitzahlen.

Sonst noch Fragen?

RECHNUNGSNUMMER

Seit Anfang des Jahres müssen alle Rechnungen eine fortlaufende Nummer enthalten. Ist dies nicht der Fall, kann der Rechnungsgempfänger die Vorsteuer nicht abziehen. Wie nicht anders zu erwarten, birgt diese Regelung, die für alle Gewerbetreibenden gilt, einige bürokratische Tücken – und zusätzlichen Verwaltungsaufwand.

Die Bundesrechtsanwaltskammer beschreibt in PDF 1 und PDF 2 kryptisch genau, wie was in welchen Ordnern abzulegen ist, damit Steuerprüfer nicht stinkig werden. Da noch bis 30. Juni 2004 eine Übergangsfrist gilt, reicht es, die Anleitungen erst mal ungelesen zu speichern. Was hiermit geschehen ist :-)

(link gefunden bei Vertretbar.de)

WORTLAUT

Aus einer dpa-Meldung vom 19. Januar 2004:

Wer in erster Instanz einen Gerichtsprozess gewinnt, hat damit nicht zwangsläufig Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn der Gegner in Berufung geht. Das hat das Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) in einem Beschluss entschieden. Die Berufungsinstanz habe das Recht, die Erfolgsaussichten der Klage selbstständig zu prüfen. Komme sie zu einer anderen Einschätzung als die Vorinstanz, dürfe sie die begehrte Prozesskostenhilfe verweigern, betonten die Richter (Az.: 5 U 1635/02).

Das ist ein schönes Beispiel dafür, welchen Stellenwert der Wortlaut des Gesetzes hat, wenn er Richtern nicht in den Kram passt. § 119 Zivilprozessordnung ordnet für diesen Fall nämlich exakt das Gegenteil an. Wörtliches Zitat:

In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussichten auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.

„KONZENTRIERT“

„KONZENTRIERT“

Mit Leuten vom Finanzamt redet man nicht so gern. Über die bitteren Folgen berichtet rp-online:

Mancher Beamte mag zwar während seiner Arbeit weitgehend leblos erscheinen. Im Falle eines finnischen Finanzbeamten aber täuschte dieser Eindruck nicht. Während seine Kollegen glaubten, dass er mit angestrengter Konzentration über Steuerklärungen brütete, war der Mann in Wirklichkeit schon zwei Tage tot.

KNAST FÜR ULLA

KNAST FÜR ULLA

Da werden viele Krankenkassenmitglier dem Staatsanwalt die Daumen drücken:

Im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform hat ein Taxifahrer Strafanzeige gegen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und andere Politiker erstattet. Grund ist der Tod eines mittellosen Dialysepatienten aus Hameln, der verstarb, weil er die Zuzahlung für Taxifahrten zur Behandlung nicht aufbringen konnte.

Ob die Bundesministerin jetzt wirklich mit einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung rechnen muss, fragt ein „stiller Leser“ des law blog unter Hinweis auf den Bericht in rp-online.

Da gibt es Probleme auf mehreren Ebenen. Zunächst einmal ist Gesetzgebung nicht justiziabel. Richter sollen die Gesetze anwenden und sie nicht auf ihre Richtigkeit übeprüfen (Gewaltenteilung). Eine Ausnahme wird nur für den Fall anerkannt, dass Gesetze gegen allgemeine ethische Grundsätze, zum Beispiel das Recht auf Leben, verstoßen. Diese Begründung musste jedenfalls dafür herhalten, um überhaupt gegen die Verantwortlichen für die Todesstreifen an der Zonengrenze vorgehen zu können. Dass die Praxisgebühr Menschen töten soll, wird man kaum behaupten können.

Zum anderen setzt Fahrlässigkeit voraus, dass der Erfolgseintritt für den Täter vorhersehbar ist. Konnte Frau Schmidt wirklich ahnen, dass sich jemand auf so tragische Weise im Gestrüpp ihrer Gesetze verheddert? Und hätte der Betroffene nicht wenigstens noch zum Sozialamt gehen können? Und im Falle der Ablehnung zu einem Rechtsanwalt, der eine einstweilige Anordnung beantragt (und ihm die 10 Euro vorstreckt)?

Die Strafanzeige taugt für schöne PR. Frau Schmidt muss sich aber keine Sorgen machen.

FERIEN-FAKIRE

Erholsame Ferien in Dalmatien. Von wegen:

Auf den Betten unserer Mandanten befanden sich Federkernmatratzen. Diese Matratzen waren so durchgelegen, dass die Auflage nur noch fingerdick war. Ein Polsterungseffekt war mit diesen Matratzen nicht mehr zu erzielen, so dass unsere Mandanten praktisch ohne ausreichende Unterlage auf dem Bettkasten lagen. Dieser Bettkasten ist noch dazu ein durchgehendes, nicht gefedertes Brett.

Außerdem drückten die zusammengepressten Federkerne durch den Bezug, so dass unsere Mandanten eher auf einem „Nagelbett“ lagen als auf einer Matratze. Eine ruhige Schlafposition war auf der Unterlage nicht zu finden. Unsere Mandanten rügten den Mangel bei der Reiseleiterin. Hierauf wurden die Matratzen zwar ausgetauscht. Jedoch erhielten unsere Mandanten lediglich die Matratzen aus einem anderen Zimmer auf dem Flur; diese waren genauso durchgelegen.

Herr K. verzog sich beim Versuch, in dem Bett auch nur annähernd Ruhe zu finden, schmerzhaft den Rücken. Da er am Morgen des 2. Juli 2003 sich kaum noch bewegen konnte, musste er einen Arzt aufsuchen, der ihm eine mobilisierende Spritze gab. Die Behandlungsrechnung ist beigefügt. Da Abhilfe vor Ort nicht zu erhalten war, mussten unsere Mandanten ihre Luftmatratzen unterlegen, um einigermaßen Schlaf finden zu können.

Demnächst entscheidet das Amtsgericht Köln, ob und in welcher Höhe solche Zustände eine Reisepreisminderung begründen. Zugesagt war ein „gut geführtes Mittelklassehotel“.