Kartei gegen AGG-Hopper

Die Anwaltssozietät Gleiss Lutz hat ein „bundesweites AGG-Archiv“ eröffnet. Dort sollen alle Leute registriert werden, die mehr als einmal bei Arbeitgebern Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz angemeldet haben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand sich wegen seines Alters, seiner Religion oder Rasse diskriminiert gefühlt hat.

Gleiss Lutz will das festhalten und auf diese Weise den alten und neuen Gegnern des Anspruchsstellers die Kontaktaufnahme ermöglichen. Dadurch soll „AGG-Hopping“ erschwert werden.

Sogar zum Datenschutz haben sich die Anwälte Gedanken gemacht:

Der Betrieb des Archivs ist nach § 29 BDSG datenschutzrechtlich zulässig, alle Anfragen und Auskünfte werden nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BDSG dokumentiert.

Das mag ja sein. Es stellt sich nur die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage es dem Arbeitgeber als Anspruchsgegner erlaubt sein soll, die persönlichen Daten des Anspruchsstellers ohne dessen Einverständnis an Gleiss Lutz zu übermitteln.

(Danke an Paul Korsten für den Link)

Demnächst in Südamerika

Ein Verfahren vor dem deutschen Gericht endet mit einem umfassenden Vergleich. Die Parteien trennen sich Unentschieden, das heißt sie verzichten auf ihre wechselseitigen Ansprüche. Was macht die eine Seite? Sie klagt Teile der Forderung noch mal in Südamerika ein, wo unser Mandant schon seit Jahrzehnten lebt.

Wird interessant sein zu sehen, wie viel das Schriftstück von einem deutschen Gericht dort drüben wert ist. Noch mehr berauscht mich allerdings die vage Möglichkeit, dass die deutschen Anwälte vielleicht als Zeugen geladen werden.

Geben und Nehmen

Bei der SPD haben sich die Medienberater zusammengesetzt und überlegt, mit welchen Sprechblasen man sich etwas in die Schlagzeilen katapultieren kann. Heraus kommt dann ein stern-Interview mit dem Parteivorsitzenden Kurt Beck:

Die SPD werde sich wieder stärker denjenigen zuwenden, die Werte schaffen, sagte Beck. „Ich fürchte, wir haben diesen Teil der Menschen zu wenig beachtet.“ Leistungsträger seien die „40 bis 50 Prozent in der Mitte der Gesellschaft“, erfolgreiche Facharbeiter, Angestellte, Selbstständige und Ingenieure. Er wolle den Mittelschichten wieder das Gefühl geben, dass man ihnen nicht ständig nur nehme, sondern auch etwas gebe. „Jede Gesellschaft braucht Antriebsfaktoren“.

Eigentlich brauchen die erwähnten Leute niemanden, der ihnen großzügig etwas „gibt“, außer vielleicht Freiheit und weniger Bürokratie. Abgesehen davon würde es schon völlig reichen, wenn man ihnen weniger nimmt.

Das brauchen wir aber jetzt nicht groß durchzudenken. Oder ist jemand anwesend, der dem Herrn Beck auch nur ein Wort glaubt?

Schlecht verhandelt?

„Die Abfindung vom Kollegen aus der anderen Abteilung war aber viel höher.“

Huch, haben wir da schlecht verhandelt?

Ich rufe den Anwalt des Kollegen aus der anderen Abteilung an. Der bestätigt die Summe. Allerdings gibt es da eine kleine Besonderheit: „Mein Mandant hatte noch um die 600 Überstunden. Die haben wir mit reingepackt.“

Wenn ich das umrechne, hat eher jemand anderes schlecht verhandelt.

Scheidungsquiz

Draußen auf dem Flur denke ich noch, was hat die Frau für seltsame Tattoos auf den Händen. Im Gerichtssaal stützt sie die Hände mit den Kanten auf den Tisch, die Innenflächen schön zu sich gedreht. Mir wird einiges klar. Sie hat sich für das Scheidungsquiz vorsorglich die wichtigsten Daten notiert: Eheschließung, Zusammenzug, Trennung, Auszug aus der gemeinsamen Wohnung.

Na ja, mein Mandant hatte ja auch einen Soffleur dabei…

Heise-Urteil: Meinungsfreiheit geht vor

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg zum Heise-Forum liegt jetzt schriftlich vor (PDF).

Das Gericht zieht die Rechtsprechung zu Livesendungen heran und entscheidet sich für die Meinungsfreiheit:

In Anlehnung an diese Grundsätze gilt für ein Internetforum, bei dessen Nutzung nicht einmal der Eindruck erweckt wird, der Beitrag gebe die Meinung des Forumsbetreibers wieder, dass schon im Hinblick auf die garantierte Freiheit der Meinungsäußerung auch eine Haftung als Störer im Regelfall nicht in Betracht kommt, soweit lediglich der Vorgang des Einstellens des Beitrags durch Dritte in Frage steht. Soweit nicht der Forenbetreiber durch sein eigenes Verhalten Rechtsverletzungen durch die Nutzer provoziert, sind ihm diese nicht zuzurechnen.

Auch eine generelle Überwachungspflicht für die Beiträge will der Senat „ohne konkreten Anlass“ eher nicht annehmen. Allerdings bejaht das Oberlandesgericht eine Überwachungspflicht für den Fall, dass der Betreiber Rechtsverletzungen selbst „provoziert“ hat oder auf diese hingewiesen wurde. Diese Überwachungspflicht erstreckt sich dann aber auch nur auf die Foren (gemeint sind wohl die Threads), in denen mit weiteren Rechtsverletzungen zu rechnen ist.

Insgesamt ergibt sich also folgende Abstufung:

1. Forenbetreiber haften nicht für Kommentare, sofern klar ist, dass die Kommentare von Dritten stammen und nicht unbedingt die Meinung des Forenbetreibers wiedergeben.

2. Forenbetreiber müssen die Kommentare nicht vorsorglich kontrollieren, es sei denn, sie haben rechtswidrige Äußerungen „provoziert“.

3. Werden rechtswidrige Äußerungen beanstandet, muss der Forenbetreiber künftig von sich aus kontrollieren, ob es zu erneuten Verstößen kommt.

Die Trickser von der Kripo

In Lübeck ist ein Mordprozess mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Der Angeklagte musste freigesprochen werden, weil die Polizei einem Zeugen Geld in Aussicht stellte, ihn umsorgte und darüber hinaus möglicherweise auch noch die Akten frisierte. Jedenfalls wird jetzt gegen Polizeibeamte ermittelt, berichtet die taz. Die Staatsanwaltschaft fühlt sich von den eigenen Ermittlern hinters Licht geführt.

Die Verteidiger des Beschuldigten hatten schon vor einiger Zeit aufgezeigt, mit welchen Methoden in Lübeck ermittelt wurde. So gab es für verfängliche Dokumente folgenden Stempel:

Hintergrundinformation
Nicht in Ermittlungsakte oder
Handakte aufnehmen
Vernichtung nach Auswertung

Das ist natürlich praktisch. Was nicht ins Konzept passt, wird als Hintergrundinformation tituliert und zur Seite geschafft. Wie gut, dass es offensichtlich noch Gerichte gibt, die sich von solch frisierten Akten nicht täuschen lassen. Das Lübecker Gericht kam jedenfalls zu seinem Freispruch zweiter Klasse, weil es angesichts der Manipulationen Verwertungsverbote für belastendes Material bejahte.

(Danke an Gerd Hoffmann für den Link)

Fußballfans – diesmal nur halbnackt

Anhänger von Eintracht Frankfurt mussten beim jüngsten Gastspiel in Mainz ihre Trikots ausziehen, wenn sie Karten für „neutrale“ Plätze hatten. Das berichtet der Main Rheiner.

Zahlreiche Fans hätten die Begegnung mit nacktem Oberkörper beobachtet müssen, schreibt mir law blog-Leser Dieter Wennes. Schon im Vorfeld soll es knallharte Kontrollen gegeben haben. Auf der Seite von Eintracht Frankfurt wird berichtet, es seien sogar Ausweise einbehalten wurden.

Siehe auch:

Die Welt nackt zu Gast bei Freunden

Erniedrigt und beschmutzt

Gericht bestätigt Kleiderregeln für Anwälte

Das Verwaltungsgericht Berlin hält es für rechtmäßig, dass den Anwälten in der Stadt Kleidungsvorschriften gemacht werden. Anwälte sollen demnach nicht nur eine Robe tragen, sondern auch ein weißes Hemd und eine weiße Krawatte. Jedenfalls müssen Hemd und Krawatte aber in unauffälligen Farben gehalten sein.

Ein Anwalt hatte gegen die Kleidervorschrift geklagt. Unter anderem mit der Begründung, vor Gerichten seien bunte Hemden und Krawatten längst üblich. Das Verwaltungsgericht meint jedoch, das Tragen unangemessener Kleidungsstücke könne die Robe und damit mittelbar das Verfahren abwerten.

Nun ja. Jedenfalls sollte man fairerweise darauf hinweisen, dass die angegriffene Vorschrift schon vom Wortlaut her keine Verpflichtung begründet. Verbindlich ist sie lediglich für Richter, Staatsanwälte und andere Justizbedienstete. Rechtsanwälte „sollen“ sich lediglich daran halten.

Näheres in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts.

(Link gefunden bei Recht und Alltag)

Schonfrist

Sieh an, eine falsch notierte Frist. Die Sekretärin hat „zur Stellungnahme binnen 14 Tagen“ gelesen. Dabei steht da „4 Wochen“.

Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass ich heute Abend noch ernsthaft arbeiten muss.