Eine Urkunde, ganz klar

Da hat ein Gericht meinen Mandanten tatsächlich wegen Urkundenfälschung verurteilt. Er soll Verbindungsdaten, die er als nackte Zusammenstellung, ohne jeden Hinweis auf den Aussteller, im ASCII-Format von einem Kommunikationsunternehmen auf CD übersandt erhalten hatte, in eine Excel-Tabelle eingestellt und dabei inhaltlich manipuliert haben.

Der später verwendete Ausdruck der Excel-Tabelle enthielt wiederum nur die nackten Daten. Dennoch soll er eine verfälschte Urkunde gewesen sein. So der Strafrichter in seinem Urteil. In dem Urteil steht mit keinem Wort, warum es sich um eine Urkunde gehandelt haben soll.

So was kann eigentlich nur passieren, wenn man sich als Angeklagter den Anwalt spart. Selbst der mittelmäßigste Verteidiger wäre in der Hauptverhandlung so was von auf die Barrikaden gegangen, dass der Richter sich mit der Frage nach der Urkunde im Urteil hätte auseinandersetzen müssen.

Und hätte er das getan, wäre ihm mit Sicherheit aufgefallen, dass so ziemlich alles fehlt, was eine Urkunde ausmacht.

Schauen wir, was die Berufung ergibt. Diesmal ist der Angeklagte jedenfalls nicht alleine.

Nicht den ganzen Rechtsstaat draufwerfen

Eine Berliner Oberstaatsanwältin erläutert in der Süddeutschen Zeitung, warum sie bei Anzeigen gegen Filesharer nicht mehr ermittelt und Abmahnanwälte abblitzen lässt:

Die bloße Nachfrage beim Provider wäre zwar nicht aufwändig, aber sie bringt auch nicht viel. Um herauszufinden, welche Person tatsächlich die Tauschbörse genutzt hat, müssten wir eine Hausdurchsuchung machen, den Rechner beschlagnahmen, Zeugen befragen et cetera. In einer Wohnung leben ja meist mehrere Menschen, viele arbeiten mit WLAN, das auch Fremde nutzen können, wenn es nicht verschlüsselt ist.

Diesen Aufwand finden wir gemessen an der Tat unverhältnismäßig. Wir können nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen und Grundrechtseingriffe vornehmen, die eigentlich für andere Taten vorgesehen sind. Wir machen ja auch keine Hausdurchsuchung wegen einer Beleidigung. … Die Verfehlung ist einfach zu gering, um den ganzen Rechtstaat daraufzuwerfen. Wir sind ja zum Schutz des Bürgers da und müssen auch dafür sorgen, dass Beschuldigte nicht mit Eingriffen konfrontiert werden, die unverhältnismäßig sind.

Essen aus der Tube

Ich habe mir im Supermarkt Sport Energy Gel gekauft. Angepriesen als „kohlenhydratreiche Sportlernahrung mit Mineralstoffen für Training und Wettkampf“.

Davon schlürfe ich am frühen Nachmittag den Inhalt eines Beutels (25 Gramm) und hoffe, dass jetzt nicht ausgerechnet jemand in mein Büro stürmt und das Beweisfoto auf Youtube stellt. Das Zeug schmeckt so wie alte Turnschuhe riechen, hilft aber sehr gut gegen die Dösigkeit, welche mich regelmäßig gegen 14, 15 Uhr befällt.

Wahrscheinlich bin ich spätestens dann unterzuckert. Ist ja auch kein Wunder, bei einem Frühstücksmuffel wie mir. Erschwerend kommt hinzu, dass ich seit Jahren eine Allergie gegen die Restaurants in der Gegend hege. Zu hohe Blackberrydichte.

Dann also zurück in den Wettkampf…

Verlegenheitsanwälte

Ein Anwaltskollege, verabschiedet sich. Er versucht sein Glück als Angestellter:

Aus der eigenen Erkenntnis heraus kann ich folgendes sagen: Jura ist schön und gut, aber davon alleine kann man nicht leben. In dem Sinne gilt also: Ich habe fertig mit dem Thema – Tatsache ist, daß man sich entscheidend besser fühlt, wenn man nicht mehr einer von 150.000 Angehörigen einer Berufsgruppe ist, die mit dieser Größe im Grunde genommen vollkommen überdimensioniert ist.

Ich schätze, dass 80 % der jungen Anwälte für den Beruf nicht geeignet sind. Sie betrachten ihn überdies selbst als Notlösung. Wer sich unter diesen Voraussetzungen in einen gesättigten Markt begibt, kann nichts reißen.

Mein Mitleid mit Verlegenheitsanwälten hält sich demgemäß in Grenzen.

Staatsanwalt lässt Grab öffnen

In Passau hat ein Staatsanwalt das Grab eines Verstorbenen wieder ausheben lassen. Ziel: Sicherstellung einer Hakenkreuzflagge, die ein Neonazi letzten Samstag bei der Beerdigung des Mannes auf den Sarg gelegt haben soll. Einzelheiten in diesem Bericht.

Es gibt ja reichlich Fotos, unter anderem der Nachrichtenagentur AP, die zeigen, wie der namentlich bekannte Neonazi die Flagge auf den Sarg legt. Außerdem soll mindestens ein Polizist die Aktion beobachtet haben und dürfte deshalb als Zeuge aussagen können. Würde mich überdies wundern, wenn der Neonazi die Aktion abstreitet.

Von daher schon eine spektakuläre Maßnahme. Aber womöglich gab es ja sonstige Gründe, welche den Eingriff in die Totenruhe rechtfertigen und verhältnismäßig machen.

Leih-Räder in Düsseldorf

Ich besitze kein Fahrrad. Hätte aber keine Probleme, mal mit einem zu fahren, wenn es sich anbietet.

Auf Leute wie mich setzt offenbar Nextbike, die mit 400 Rädern jetzt auch in Düsseldorf am Start sind. Nahe meiner Wohnung ist eine Abholstation, am Spichernplatz. Online lässt sich überprüfen, wie viele Räder gerade zur Verfügung stehen. Außerdem kann man in Düsseldorf die Räder an jedem beliebigen Ort hinterlassen. Mit einem Euro pro Stunde (5 Euro für 24 h) ist der Tarif mehr als im grünen Bereich. Wer angemeldet ist, kann auch die Angebote in allen anderen Städten nutzen, in denen Nextbike vertreten ist.

Wenn’s gestern nicht gewittert hätte, wäre ich fast noch zu einer nächtlichen Probefahrt angetreten.

Totales Rauchverbot wäre zulässig

Der Server des Bundesverfassungsgerichts ist momentan überlastet. Deshalb kein Link zur Original-Pressemitteilung, sondern auf die Zusammenfassung bei Welt online. Alle, die eine rauchfreie Gastronomie zu schätzen wüssten, werden folgende Sätze interessiert lesen:

Nach dem Urteil wäre aber ein striktes und absolutes Rauchverbot in allen Gaststätten verfassungsgemäß. … Die Länderparlamente müssen bis zum 31. Dezember 2009 eine Neuregelung schaffen. Entweder sie beschließen ein striktes Rauchverbot in Gaststätten oder sie lassen Ausnahmen zu, die dann auch Eckkneipen einbeziehen müssen.

Die Diskussion wird jetzt sicher auch in Richtung eines totalen Rauchverbots entbrennen. Dann könnten die Gastwirte, zumindest die in Nordrhein-Westfalen, aber auch ihre „Raucherclubs“ vergessen, mit denen sie bislang das Rauchverbot umschifft haben.

Pfandgut soll online unter den Hammer kommen

Gläubiger sollen gepfändete Gegenstände künftig auch online versteigern lassen können. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Gegenstände, die vom Gerichtsvollzieher gepfändet wurden, sollen nun auch übers Internet angeboten werden. Bisher durften sie nur vor Ort versteigert werden.

Nicht nur Gläubiger sollen von der neuen Regelung profitieren. Auch für den Schuldner sei es wichtig, mit der Versteigerung einen möglichst hohen Erlös zu erlangen, da er dann schneller von seinen Schulden herunterkomme.

Die Regierung geht davon aus, dass mit der geplanten Internetversteigerung mehr erlöst werden kann. Online erreiche man einen viel größeren Bieterkreis und die Auktionsplattform sie 24 Stunden am Tag zugänglich.

Bislang ist die Versteigerung vor Ort durch den Gerichtsvollzieher als Präsenzversteigerung in der Zivilprozessordnung vorgesehen. Die dafür notwendige Anwesenheit von Versteigerer und Bieter ist umständlich und verursacht nicht zuletzt wegen der Anreise teilweise hohe Kosten.

Der Gerichtsvollzieher kann die gepfändeten Sachen auf andere Art – etwa über das Internet – nur versteigern, wenn ein Gläubiger oder ein Schuldner das beantragen. Das ist aufwändig und unpraktikabel. Künftig soll die Versteigerung beweglicher Sachen ohne Weiteres im Internet erfolgen können und ein weiterer Regelfall neben der Präsenzversteigerung sein.

Gericht: PCs im Anwaltsbüro sind nicht GEZ-pflichtig

Ein Rechtsanwalt muss für seinen beruflich genutzten PC mit Internetanschluss keine Rundfunkgebühr entrichten. Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz.

Der Rechtsanwalt in dem entschiedenen Fall verwendet in seiner Kanzlei den PC zu Schreib- und Recherche­arbeiten. Dabei nutzt er den Internetzugang auch zum Zugriff auf Rechtspre­chungs­datenbanken, für sonstige beruflich bedingte Recherchen sowie zur elektronischen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung.

Um einen schnelleren Zugang zum Internet zu erhalten, verfügt der Rechner über einen DSL-Anschluss. Im Januar 2007 meldete der Rechtsanwalt seinen PC bei der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtl­ichen Rundfunkanstalten (GEZ) an. Im Verfahren teilte er mit, er habe in seiner Kanzlei einen internetfähigen PC, den er jedoch nicht zum Rundfunkempfang nutze. Es sei deshalb verfassungswidrig, ihn zu Rundfunkgebühren heranzuziehen. Gleich­wohl verlangte die GEZ Rund­funkgebühren in Höhe von monatlich 5,52 €. Hiergegen klagte der Anwalt erfolgreich.

Der Rechtsanwalt, so das Gericht, sei nämlich kein Rundfunk­teilnehmer, weil er kein Rundfunkgerät zum Empfang im Sinne der rundfunkrechtlichen Bestimmungen be­reithalte. Zwar könne er mit seinem PC über seinen Internetbrowser Sen­dungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten empfangen. Jedoch rechtfertige dies nicht ohne Weiteres die Gebührenerhebung.

Herkömmliche Rundfunkempfangsgeräte seien speziell für einen Hörfunk- oder Fernsehempfang ausgerichtet und würden nach der Lebenserfahrung zu diesem Zweck angeschafft. Anders verhalte es sich bei einem internetfähigen PC, der den Zugriff auf eine Fülle von Informationen ermögliche und in vielfacher Weise anderweitig genutzt werde. Dies gelte gerade im Fall einer beruflichen Nutzung des PC in Geschäfts- oder Kanzleiräumen, der dort typischer­weise nicht zur Rundfunkteilnahme verwendet werde.

Zudem gewährleiste das Grund­recht der Informationsfreiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen unge­hindert zu unterrichten. Durch die Einführung einer Rundfunkgebühr für einen Inter­net-PC würde eine staatliche Zugangshürde errichtet, die mit den Informations­quellen nichts zu tun habe und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wider­spreche. Von daher gebiete auch eine verfassungskonforme Auslegung des Merkmals „zum Empfang bereithalten“, dass der Rechtsanwalt keine Rundfunkgebühr für seinen ausschließlich beruflich genutzten PC entrichten müsse.

Gegen das Urteil ist Berufung möglich.

(Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 15. Juli 2008, 1 K 496/08.KO)

Beware of the Stiefmutter

„Wir sollen dem Gericht innerhalb von drei Wochen Auskunft geben. Über das Vermögen des Sohnes, den mein Mann aus erster Ehe hat.“ Ich verstand zuerst gar nicht, was die Mandantin mir am Telefon sagte. Familiengericht Düsseldorf. Fragebogen. Vermögensverzeichnis. Und was hatte das mit der zwei Jahre zurückliegenden Scheidung des Mannes zu tun, den sie vor einigen Monaten geheiratet hat?

Nun, der Staat ist eben fürsorglich und misstrauisch. Deswegen hat er Paragraf 1683 des Bürgerlichen Gesetzbuches eingeführt. Zugegeben, ich hatte bislang von der Vorschrift nicht den blassesten Schimmer. Der kleine Rat in Familiensachen ist bei mir ja auch eher eine Serviceleistung am Rande. Aber der Paragraf ist so eindeutig, den verstehe sogar ich. Das Elternteil, das für die Vermögenssorge zuständig ist, muss bei einer beabsichtigten Wiederheirat dem Familiengericht das Vermögen des Kindes auflisten.

Offenbar ging man davon aus, dass Stiefkinder schon mal unter die Räder kommen. Sinn und Zweck der Vorschrift legt der Standardkommentar Palandt jedenfalls so dar:

Damit soll verhindert werden, dass die Vermögensverhältnisse des Kindes durch die Eheschließung unübersichtlich werden und Vermögensminderungen oder Vermögensvermischungen stattfinden.

Nun könnte man darüber nachdenken, ob das alles bei einem 17-Jährigen, der gerade eine Lehre macht und vermutlich bald in eine eigene Wohnung zieht, noch groß Sinn macht.

Muss man aber nicht. Der Abteilung 250 F des Amtsgerichts Düsseldorf ist nämlich schlicht und einfach noch nicht aufgefallen, dass der Paragraf just in diesem Monat ersatzlos gestrichen worden ist.

Haue und Tritte

Der Zeuge kam zu seinem Auto zurück und dachte, mein Mandant haut gerade die Seitenscheibe des Wagens ein. Grund dafür hätte es wohl gegeben – auf dem Beifahrersitz lag ein Handy. Der Zeuge packte meinen Mandanten, schlug ihm die Nase blutig und warf ihn auf den Boden. Zumindest nach Angaben meines Mandanten, der seine Unschuld beteuert, soll es noch Fußtritte gesetzt haben.

Ein Missverständnis? Etwas deutet darauf hin. Als die Polizei eintraf, verzichtete der Zeuge nämlich ausdrücklich auf Strafanzeige und Strafantrag. Sehr zum Frust der Polizeibeamten. Die notierten in der Anzeige, dass sie den Zeugen einfach nicht zu näheren Angaben bringen konnten. Trotzdem wird gegen meinen Mandanten wegen versuchtem schweren Einbruchdiebstahls ermittelt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der vermeintlich Geschädigte in einer eventuellen Hauptverhandlung auskunftsfreudiger sein wird. Also mal sehen, ob im Vorfeld was zu machen ist, in Richtung Einstellung.