Letzte Chance jetzt

Das Inkassobüro accumio verwendet im Briefkopf seiner Mahnungen den fettgedruckten Slogan:

Aktives Inkassounternehmen mit bundesweitem Außendienst

Es ist für den Schuldner, ob nun echt oder vermeintlich, natürlich beruhigend, dass er künftig nicht nur mit Formschreiben bombardiert wird. Sondern dass accumio einen funktionierenden Außendienst hat. So ein Außendienst ist eine feine Sache. Da fühlt man sich als Schuldner gleich besser betreut. Denn nichts geht über einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort, so lange er nicht Mitglied der Bandidos ist. Durch Kompetenz und Hilfsbereitschaft kann auch das weitere, überraschend uneigennützige Motto accumios weitaus effektiver umgesetzt werden:

aktiv schuldenfrei

Ich werde meinem Mandanten empfehlen, sich mal jemanden von accumio nach Hause kommen zu lassen mit der Bitte um beherzte Hilfestellung für ein schuldenfreies Leben.

Den Herrn oder der Dame kann er sodann erst mal voller Dankbarkeit und mit Tränen in den Augen umarmen. Dann gibt es vielleicht Gelegenheit zur Frage, ob angesichts der rührigen Bemühungen accumios, Menschen aktiv schuldenfrei zu machen, indem man freiwillig ihr Geld entgegennimmt, Spenden an accumio steuerlich abzugsfähig sind.

Anschließend sollte der Mandant seinem Gast aber einen Packen Papier neben die Kaffeetasse legen, denn der Gute muss ja schließlich auch noch andere von ihren Schulden befreien. Das ist oft gar nicht leicht, weil mitunter schon Katharina Saalfrank oder Peter Zwegat die kleine Sitzgruppe im Wohnzimmer blockieren und er deshalb später wieder kommen muss.

Bei dem Packen Papier handelt es sich um den Schriftwechsel, den der Mandant mit einer Mobilfunkfirma, Auftraggeberin des Inkassobüros, geführt hat. Haarklein und nachvollziehbar hat er dort belegt, dass ein Rechnungsposten einfach nicht stimmen kann. Außerdem hat er mehrfach mitgeteilt, er werde die angeblich angefallenen Telefongebühren nicht bezahlen. Klare Ansage, in der Sache absolut nachvollziehbar.

Womöglich wird der accumio-Mitarbeiter dann unschuldig gucken und sagen, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich jetzt gar nicht hier und würde Ihren Kaffee trinken, obwohl das ein guter Kaffee ist. Schuld sind unsere Auftraggeber, die schicken immer nur die Daten und tun so, als wären alle Adressen von Leuten, die nur nicht zahlen, weil sie keine Lust haben und deshalb einen kleinen Stubs benötigen. Dabei haben Sie doch recht. Dass Sie diese Telefongebühren nicht zahlen müssen, kann sogar ich verstehen, und das will was heißen.

Der Außendienstler wird sich also womöglich kleinlaut verabschieden, die Kopien der Korrespondenz einpacken und seinen Chef fragen, warum Auftraggeber von Inkassobüros eigentlich nicht begreifen, dass man mit Inkassobüros, die sich an die Gesetze halten und deshalb nicht nicht mit bösen Kerlen zusammenarbeiten, nichts reißen kann, sofern Kunden schon vorher ausdrücklich die Zahlung verweigern.

Diese Frage wird der Chef womöglich wiederum an seinen Chef weitergeben, der näher am Kunden sitzt. Letzterer wird womöglich lachen und sagen, so ist es nun mal. Und jetzt sorgen wir bitte ganz schnell dafür, dass der betreffende Kunde auch morgen was von uns im Briefkasten findet. Am besten eine quasi individuelle Stellungnahme. Nehmen wir unseren größten Trumpf, den Textbaustein A 74:

Sie verlieren durch Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung zusätzlich viel Geld. Es liegt nun bei Ihnen, aktiv zu werden. Ersparen Sie sich diesen Verlust und nutzen Sie Ihre letzte Chance jetzt!

Spätestens da ist noch jeder durchgedreht und hat gezahlt. Einfach, um aktiv schuldenfrei zu werden und – Ruhe vor uns zu haben.

Gewisse Kreise

Mit dem Staatsanwalt in einer etwas weiter entfernten Stadt hatte ich noch nicht zu tun. Er kann also nur begrenzt etwas gegen mich haben. Deshalb fiel ich fast hintenüber, als ich folgendes Schreiben von ihm erhielt:

Es wird darum gebeten, mitzuteilen, auf welchem Wege der Beschuldigte um eine Verteidigung von dort gebeten hat.

Eigentlich hatte ich mit einer Besuchserlaubnis für meinen künftigen Mandanten Herrn N. gerechnet. Diese Besuchserlaubnis hatte ich beantragt, weil Herr N. seit einigen Tagen in Untersuchungshaft sitzt und, wie aus aussieht, wohl von mir verteidigt werden möchte.

Ich rief also den Staatsanwalt an und sagte ihm kurz und knapp, wie es ist. Herr N. hat mir über einen Angehörigen ausrichten lassen, dass er mit mir darüber sprechen möchte, ob ich seine Verteidigung übernehme. Ich möchte also ein sogenanntes Anbahnungsgespräch über ein Mandat mit ihm führen. Was angesichts der Umstände nur möglich ist, wenn ich eine Besuchserlaubnis bekomme.

Der Staatsanwalt bohrte, aber mehr sagte ich nicht. Er meinte, er müsse sicherstellen, dass ich keine Mitbeschuldigten vertrete. Darauf konnte ich nur erwidern, als Verantwortlicher für die Ermittlungen könne er doch am besten übersehen, ob ich schon für einen Mitbeschuldigten tätig sei. Was, wie er einräumen musste, offensichtlich nicht der Fall ist. Tolles Argument, also.

Was er in Wirklichkeit meinte, war natürlich, dass mir das Mandat N. möglicherweise von „gewissen Kreisen“ angetragen worden sein könnte. Ich fragte zurück, ob, wenn man das mal als richtig unterstellt, damit der Verdacht verbunden wird, ich würde mit diesen „Kreisen“ irgendwelche krummen Dinger drehen und meine Tätigkeit als Verteidiger nicht auf meine Mandanten ausrichten. Oder anders gefragt: Seit wann maßt sich die Staatsanwaltschaft an, einen Beschuldigten bei der Wahl seines Verteidigers zu „schützen“?

Irgendwie wollte sich der Staatsanwalt aber doch nicht darauf festlegen, dass ich ein Böser bin. Ich solle das nicht persönlich nehmen, wiegelte er ab. Was mich wiederum zu der Frage bewegte, ob er das grundsätzlich so macht und wie groß der Prozentsatz der Strafverteidiger in seinem Bezirk ist, die permanent so auf sich rumtrampeln lassen.

Schließlich trat der seltene Fall ein, dass ich mich meine Rolle als „Organ der Rechtspflege“ bemühte. Und für mich in Anspruch nahm, dass ich als Strafverteidiger einen Anspruch darauf habe, zu Anbahnungsgesprächen in Justizvollzugsanstalten vorgelassen zu werden. Ebenso wie Beschuldigte einen Anspruch darauf haben, sich auch im Gefängnis einen Verteidiger auszusuchen. Wobei letzteres sicher noch wichtiger ist als mein bescheidenes Anliegen, meinen Beruf ausüben zu können.

Es sei denn natürlich, sagte ich von mir aus in freiem Zitat der einschlägigen Kommentare zur Strafprozessordnung, es liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die auf einen Missbrauch durch mich schließen lassen. Antwort: siehe oben. Oder es ist so, dass Herr N. sein Recht, einen Verteidiger auszuwählen, über Gebühr strapaziert – indem er zum Beispiel täglich fünf verschiedene Anwälte antanzen lässt (und dadurch die Abläufe in der JVA behindert).

Solche Anhaltspunkte, das musste der Staatsanwalt einräumen, gibt es nicht. (Tonfall: noch nicht!) Ich war nun ohnehin nahe dran, nach seinem Vorgesetzten zu fragen. Oder vielleicht mal den zuständigen Ermittlungsrichter anzurufen, damit der wieder die Haftkontrolle übernimmt und mir eine Besuchserlaubnis ausstellt.

An diesem Punkt ging es dann plötzlich doch. Die Besuchserlaubnis soll kommen. Da ein Fax bei der betreffenden Justizvollzugsanstalt nicht akzeptiert wird und ich ein Original benötige, wird es aber wohl nichts mehr mit dem an sich für morgen geplanten Besuch.

Letztlich ist der Inhaftierte Leidtragender des Geplänkels. Herr N. könnte zwei, drei Tage länger eingesperrt bleiben. Sofern ich was für ihn erreichen kann, was ja zumindest nicht auszuschließen ist.

Kalender! Kalender! Wer braucht noch Kalender?

RAK.10.JAN.sehr klein

Mit schönen Traditionen soll man nicht brechen. Deshalb verlose ich auch dieses Jahr wieder fünf Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan. Macht sich gut am Arbeitsplatz jedes Juristen – oder Juristenfeindes. Hält das ganze Jahr 2010.

Wer einen der Kalender gewinnen will, schreibt bitte bis zum 14. Dezember 2009 zu diesem Beitrag einen Kommentar. Drei Kalender werden unter allen Einsendern verlost. Zwei Kalender gehen an die Kommentatoren, die am lustigsten begründen, warum sie unbedingt so einen Kalender haben müssen. Oder die einfach den besten Spruch zum law blog oder den Rest der Welt auf Lager haben. Mein Humor entscheidet.

Bitte eine gültige E-Mail-Adresse angeben, denn ich frage die Versandanschrift ausschließlich über diese E-Mail-Adresse ab. Die Kalender werden frei Haus an die von den Gewinnern gewünschte Adresse geliefert.

Viel Glück.

RAK10.DeckblattKLEIN

Wärter öffnete Straftätern die Türen

Ein Beamter der Justizvollzugsanstalt Aachen hat ohne sichtliche Bedrohung den beiden Straftätern Heckhoff und Michalski in die Freiheit verholfen. Das schilderte gestern NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Sie habe die Videoaufzeichnungen ausgewertet. Darauf sei zu sehen, dass der Beamte am vergangenen Donnerstag in der Zeit von 19.56 bis 20.03 Uhr „in unvorstellbarer Weise“ den fliehenden Gefangenen alle fünf Türen auf dem Weg von der 1. Etage über Haus 4 und das Erdgeschoss bis Haus B aufgeschlossen habe. Dann habe habe er die Gefangenen mit geladenen Waffen versorgt.

„Der hochkriminelle Bedienstete stand unter keinem Druck!“ betonte die Ministerin. Ihr fehlt zum Motiv des 40-Jährigen weiter jede Erkenntniss: „Keiner kann sich vorstellen, dass ein Beamter Gefangene befreit und ihnen Waffen besorgt“. Um solche Taten künftig auszuschließen, kündigte Müller-Piepenkkötter eine „sehr genaue Analyse“ des Personals an, mochte aber keine konkreten Einzelheiten nennen.

Am Rande verwies sie darauf, dass der Beamte wohl nicht allein gehandelt hat: „Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen weiteren Gefangenen wegen des Verdachts der Mithilfe.“ Unterdessen will Klaus Jäkel, der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, der Ministerin heute einen Vorschlag machen, der solche Fluchten verhindern soll: „Im Gefängnis im belgischen Hasselt gibt es keine durchgehenden, sondern nur eingeschränkte Schließbereiche – nur für Zellen, nicht für ganze Durchgangsbereiche“.

Wäre das System in Aachen praktiziert worden, so Jäkel, hätte es die Flucht nicht geben können. (pbd)

Abmeldung ohne Anmeldung

Die Bundesregierung hatte mich ja zum IT-Gipfel eingeladen. Fand ich nett. Leider kam die Einladung so spät, dass mein Terminkalender für die Gipfeltage schon zu ist. Und zwar mit Gerichtsterminen, die ich, wenn überhaupt, nur mit größter Mühe noch hätte verlegen lassen können.

In der Einladung hatte es geheißen:

Mit Ihrem persönlichen Zugangscode BZXWXrXm können Sie sich auf der Seite www.bmwi-veranstaltungen.de zur gewünschten Veranstaltung anmelden.

Ich habe mich logischerweise nicht angemeldet. Heute kam dann eine Mail, die mich mahnte, doch bitte eine Rückmeldung zu geben. Ich drückte auf den Antwortbutton, bedankte mich für die Einladung und teilte mit, dass ich Gerichtstermine habe, die ich, wenn überhaupt nur mit größter Mühe noch verlegen könnte. Deshalb würde ich nicht zum IT-Gipfel kommen.

Die Antwort ließ nur wenige Minuten auf sich warten:

Sehr geehrte Herr Vetter,

wir bedauern, dass Sie nicht zum Vierten Nationalen IT Gipfel kommen können. Bitte melden Sie sich dennoch mit ihrem persönlichen Anmeldecode von der Veranstaltung ab.

Mit den besten Grüßen
Ihr BMWi – Organisationsteam

Bleibt nur die Frage: Wieso muss ich mich von einer Veranstaltung abmelden, zu der ich mich gar nicht angemeldet habe?

Heinos Konzertversicherung muss nicht zahlen

Der 70-jährige Heinz Georg Kramm, besser bekannt als Heino, hat seine Versicherung arglistig getäuscht. Das hat gestern die 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln entschieden. In dem Urteil heisst es, Heino habe vor gut zwei Jahren in einer Gesundheitserklärung verschwiegen, dass er an Tinnitus erkrankt war und ein bestimmtes Medikament nahm.

Als der Barde deswegen zwei Monate später eine Tournee absagte, sollte die Gothaer Allgemeine Versicherung AG in Köln für den Ausfall aufkommen. Die weigerte sich und wurde letztlich vergeblich von der Kult Musik GmbH (Hamburg) verklagt, deren Mitgesellschafter Heino ist.

Er und die Gesellschaft bleiben nach dem Urteil auf 3.625.000 Euro sitzen (AZ: 20 O 189/08). Das Gericht hatte in seiner Beweisaufnahme Heino, seine Ehefrau und – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – seine Hausärztin als Zeugen vernommen. Danach kam die Kammer zu der Überzeugung, dass Heino „bereits seit vielen Jahren an Tinnitus leidet“, also diese Vorerkrankung in der Gesundheitserklärung verschwiegen worden ist. Das Gleiche gilt für die Einnahme eines verschreibungspflichtigen Medikaments.

Das Urtel ist nicht rechtskräftig. Binnen einen Monats ist die Berufung beim Oberlandesgericht Köln möglich. (pbd)