Hagen: Freischaffendes Künstlertum am Ortseingangsschild
Archiv für das Jahr: 2010
Vollzeitkräfte gesucht
Lese gerade den „Arbeitsvertrag“, den eine am Flughafen in einem Edelbüro residierende Firma Interessenten zur Unterschrift vorlegt:
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich. Für diese Beschäftigung wird ein Monatslohn von € 350 zuzügl. anteiliges Urlaubsgeld von € 25 und anteiliges Weihnachtsgeld von € 25 gezahlt.
Nein, beim Monatslohn fehlt keine Null.
Für verlässliche Identitäten
Wie hier nachzulesen, hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter heute eine Anzeigenkampagne für die Regulierung des Internets gestartet. Mit verschiedenen plakativen Aussagen soll dem Publikum erneut verdeutlicht werden, ein Angriff auf das Internet könne ebenso schlimm sein wie ein Atomkrieg.
Hier ein besonders gelungenes Motiv:
Grafik: John F. Nebel (Metronaut)
Wenig Text, viele Byte
Das Landeskriminalamt Brandenburg hat eine zehnzeilige Pressemitteilung über einen Fahndungserfolg gegen mutmaßliche Drogendealer als Word-Datei verschickt. Die Datei hatte einen stolzen Umfang für den schmächtigen Text. Das weckte das Interesse von Journalisten der Lausitzer Rundschau. Die Redakteure warfen einen Blick in die Versionsgeschichte des Dokuments und entdeckten ein wahres Füllhorn an Informationen:
Deutlich wurden darin nicht nur ausgebesserte Rechtschreibschwächen, Textkosmetik und namentlich der jeweilige Urheber. Word war auch so freundlich, gelöschte Informationen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten, inhaltlich darzustellen, grafisch hervorzuheben und auch noch Datum, Uhrzeit und Urheber der Löschung preiszugeben.
Die Zeitung hofft nun, die Qualität der Ermittlungen sei besser als die IT-Kenntnisse der Polizeibeamten.
In Schüler VZ gegoogelt
Übermütige junge Männer, Alkohol und nichts zu tun. Um etwas Leben auf die nächtliche Straße zu bringen, hoppelte einer aus der Gruppe über ein Auto. Das sahen Nachbarn aus dem Küchenfenster, darunter auch ein Schüler. Der meinte, einen der Beteiligten schon mal gesehen zu haben. Einen Namen hatte er allerdings bei seiner ersten Vernehmung nicht.
Wenige Tage später stand er dann noch einmal bei der Polizei. Aus dem Vernehmungsprotokoll:
Ich habe selbst in Schüler VZ gegoogelt. Dabei habe ich das hier beigefügte Profil eines Dominik gefunden. Dieser Dominik soll auf die Goethe-Schule gehen. Ich bin mir sicher, dass es sich um die Person handelt, die über den Pkw gelaufen ist.
Für Dominik wird es jetzt erst mal eng. Wie immer, wenn Zeugen sich nach eigener Einschätzung zu 100 % sicher sind.
Ob’s am Ende für eine Verurteilung reicht, ist natürlich eine andere Frage.
Junge Richterinnen
Junge Richterinnen kriegen heute Haue. Ich gebe ab an folgende Jura-Blogs:
Strafprozesse und andere Ungereimtheiten
Stimmt natürlich alles nicht…
Links 526
Die Berufsgenossenschaft rät
Justiz verliert Goldhasen
Er hatte ein aufgemaltes Gesicht, trug ein rotes Halsband mit Glöckchen und war ein ganz süßer Kerl. Leider aber ist der Schoko-Osterhase der Firma Riegelein, um den sich ein Markenstreit dreht, bei der Justiz verloren gegangen – spurlos.
Die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatten sich in der Verhandlung den Riegelein-Hasen noch angeschaut und eingehend mit einem Exemplar der Firma Lindt, das als „GOLDHASE“ verkauft wird, verglichen. Lindt klagte über Verwechslungsgefahr zu seinem Goldhasen. Das Urteil der Frankfurter Richter konnten die Juristen in der nächsten Instanz am Bundesgerichtshof in Karlsruhe nicht überprüfen. Der in Augenschein genommene Hase war aus der Gerichtsakte verschwunden.
In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es dazu:
Der Bundesgerichtshof sah sich nicht in der Lage, diese Beurteilung zu überprüfen. Denn der in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht überreichte Riegelein-Hase befand sich nicht mehr bei den zum BGH gelangten Akten; auch eine Nachforschung beim Oberlandesgericht war erfolglos geblieben. Zwischen den Parteien bestand auch keine Einigkeit, ob ein im Revisionsverfahren vorgelegter Riegelein-Hase mit dem verlorengegangenen Hasen in der Farbgebung übereinstimmte.
Dass Beweismittel oder sichergestellte Gegenstände abhanden kommen, ist nicht alltäglich, kommt aber vor. Aus meiner Praxis spontan erinnerlich sind beispielsweise Flachbildschirme, Zigaretten, Pornofilme, Elektroschocker und Pistolenhalfter.
Darf ich Ihren E-Ausweis sehen?
“Guten Tag. Verdachtsunabhängige Kontrolle”
“…Tag.”
“Darf ich bitte Ihre IP-Adresse und Ihren E-Ausweis sehen?”
“Sicher, Herr Wachtmeister…”
“Unter Ihrer IP wurde vorgestern illegales Filesharing betrieben…”
“Das war ich nicht. Wie Sie sicher in ein paar Millisekunden feststellen können, habe ich eine dynamische IP-Adresse.”
“Nun gut. Sind Ihre Windows Updates und die Anti-Viren-Software auf dem neusten Stand?”
“Sicher. Heute morgen erst hat mein PC automatisch neu gestartet und eine Stunde Arbeit gelöscht.”
“Sie sollten öfter abspeichern.”
“Ja, ich weiß das jetzt auch. Gibt es sonst etwas?”
“Wie ich sehe, haben Sie da einen Werbeblocker.”
“Der ist völlig legal. Ich kenne meine Rechte!”
“Sicher, sicher. Aber bedenken Sie, wenn das jeder machen würde…”
“Würden Sie bitte ihre Arbeit machen?”
“Öffnen Sie doch bitte Mal Ihren Cookie-Speicher…”
“Ist das wirklich nötig?”
“Wir haben Hinweise auf illegale Downloads in Ihrem IP-Bereich. Also stellen Sie sich nicht so an”
“Also gut. Aber nur unter Protest…”
“Na, was haben wir denn da: chefkoch.de, Google, Amazon, Gayromeo?”
“Stimmt etwas nicht?”
“Da sind zwei Cookies von Rapidshare…”
“Na und?”
“Sie wissen schon, was das ist?”
“Ja, ein völlig legaler Service”
“Was haben Sie denn da heruntergeladen?”
“Das geht sie nun wirklich nichts an.”
“Sie wissen schon, dass ich ruck-zuck eine Festplattenvisitation beantragen kann?”
“Ich habe nichts unrechtes getan. Wenn Sie etwas vorzuweisen haben, tun Sie das. Wenn nicht…”
“Schon gut, schon gut. Sie dürfen weitersurfen. Und denken Sie daran: beide Hände auf das Keyboard!”
“…”
Bund Chinesischer Deutscher Kriminalbeamter fordert Führerschein fürs Internet
Eine Baustelle weniger
Der kleine Disput mit der Firma, die uns den Kopierer ins Büro stellt, ist beendet. Der Regionalleiter hat sich die Sache überlegt und ist zum Ergebnis gekommen, die nicht vertragsgemäße und ziemlich daneben liegende „Schätzung“ unseres Kopienverbrauchs soll nicht zu unseren Lasten gehen.
Wir erhalten eine Gutschrift über den vollen Betrag.
Auf Auszahlung wird verzichtet
Uns hindert noch nicht mal das Gesetz
Ich habe schon öfter davon gehört, dass es manche ARGE nicht immer genau nimmt – wenn es um die Rechte ihrer Leistungsbezieher geht. Leibhaftig habe ich es jetzt erlebt im Fall eines Mandanten, dem ich die Hilfe auf diesem für mich etwas exotischen Rechtsgebiet aus persönlichen Gründen nicht abschlagen wollte.
Es geht um eine Überzahlung. Angeblich, so die ARGE, habe sie meinem Mandanten einen durchaus stattlichen Betrag überwiesen, der ihm nicht zusteht. Das kann man auch anders sehen, deshalb nahm ich in der Sache Stellung und legte gegen den Rückforderungsbescheid Widerspruch ein.
Nun gibt es mittlerweile diverse Gerichtsurteile, die klipp und klar sagen: Bei der Rückforderung vermeintlicher Überzahlungen haben Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung. Die Betonung liegt auf haben. Man muss also keinen weiteren Antrag stellen. Wegen der aufschiebenden Wirkung darf die ARGE nicht aus dem Bescheid vollstrecken.
Dies hielten die ARGE und das von ihr beauftragte Hauptzollamt aber nicht davon ab, meinem Mandanten beamtete Geldeintreiber nach Hause zu schicken und ihm schriftlich folgendes in Aussicht zu stellen:
– Gehaltspfändung
– Kontopfändung
– Pfändung der beweglichen Habe
Wirklich bemerkenswert finde ich aber folgenden Satz, der sich in den Anschreiben ständig wiederholt:
Ihre Einwendungen hindern die Vollstreckungsstelle nicht daran, die Vollstreckung fortzusetzen und die oben genannten Maßnahmen auszuführen.
Bei solcher Dreistigkeit hatte ich wenig Hoffnung, dass jemand bei der ARGE rechtliche Argumente überhaupt zur Kenntnis nimmt. Ich aktivierte jedoch meinen gesamten Optimismus und griff zum Telefonhörer. Dann stellte ich fest, dass ausgerechnet der Laden, der das Existenzminimum bedürftiger Bürger verwaltet, nur über eine kostenpflichtige 0180-er Nummer zu erreichen ist.
Immerhin war eine Mailadresse aufzufinden, an die ich dann einige höfliche, aber doch deutliche Worte sandte. Verbunden mit der Aufforderung, bis spätestens heute zu erklären, dass die Vollstreckung gegen meinen Mandanten bis zum rechtskräftigen Abschluss der Sache ausgesetzt wird. Ansonsten einstweilige Verfügung beim Sozialgericht.
Vorhin traf die gewünschte Erklärung ein.
Schnell sein sollen nur die anderen
Das Bundeskriminalamt ist offensichtlich mit seinem Auftrag nicht zufrieden, sich um die Löschung kinderpornografischer Seiten zu bemühen. Die Ermittler kritisieren nach einem Bericht der Welt, dass 40 Prozent der beanstandeten Seiten nach einer Woche noch immer aufrufbar seien. Nun wollen sie doch wieder ihre Stoppschilder aufstellen.
Wer schon mal einen Brief oder ein Fax an das BKA oder eine andere Polizeibehörde geschrieben hat, den wird das Lamento aus Wiesbaden erstaunen. Innerhalb einer Woche hat in einer deutschen Polizeibehörde die Nachricht meist noch nicht einmal den Schreibtisch des Sachbearbeiters erreicht. Mit einer Antwort ist sicher zu rechnen, aber vielleicht in Wochen. Manchmal erst in Monaten.
Ausgerechnet das Epizentrum verkrusteter Bürokratie mokiert sich also über Bearbeitungszeiten, die selbst nie und nimmer erreicht werden, noch dazu bei internationalem Bezug. Müsste es nicht umgekehrt heißen: Sage und schreibe 60 Prozent der beanstandeten Seiten werden innerhalb einer Woche gelöscht! Was sind die Russen, Amerikaner und Holländer doch für flotte Kerle; von denen können wir was lernen.
Und wäre es nicht redlicher, mal dazu zu sagen, wie der Löscherfolg sich nach zwei, drei oder vier Wochen darstellt? Möglicherweise steht das ja in der von der Welt zitierten Studie drin, soll aber aus offensichtlichen Gründen nicht erwähnt werden. Stattdessen wird – garantiert ohne jeden greifbaren Beleg – davon gefaselt, die Seiten hätten enorme Zugriffszahlen und gefährdeten die öffentliche Sicherheit.
Nebulös spricht der Bericht auch davon, zwischen Januar und Juni seien nur 20 „direkte Löschungsbestätigungen“ eingegangen. Dürfen wir daraus schließen, dass für das BKA Meldungen ins Ausland nur dann als erfolgreich gelten, wenn es ein ausdrückliches Feedback gibt, so mit Stempel und Siegel? Dass also die Löschung, die man durch bloße Nachrecherche kinderleicht selbst verifizieren könnte, nicht reicht? Es wäre nicht das erste Mal, dass aus Wiesbaden unredlich argumentiert wird.
Interessant ist die Zahl der 20 Löschungsbestätigungen aber auch in anderer Hinsicht. Auf den Halbjahreszeitraum gesehen, ergibt das eine Fallquote von knapp über drei pro Monat. Man kann diese mickrige Nummer durchaus als Indiz dafür werten, wie groß das Problem von Kinderpornografie auf im Ausland gehosteten Webseiten tatsächlich ist.
Ansonsten wird im Artikel ja nur noch eine absolute Zahl genannt. Danach gehen pro Monat 150 Hinweise ein. Die Zahl der Hinweise sagt allerdings wenig darüber, wie viele der gemeldeten Seiten tatsächlich kinderpornografisch sind und das BKA tätig werden lassen. Auch nicht jede Strafanzeige ist ja begründet. 150 Hinweise stehen nach meinem Empfinden jedenfalls in einem deutlichen Gegensatz zum Horrorszenario, das Internet sei geradezu mit Kinderpornografie verseucht und auf einer Vielzahl von Webseiten würden mit solchem Material Abermillionen verdient.
Bleibt die Frage, ob das BKA überhaupt willig ist, den Löschauftrag umzusetzen. Immerhin gelingt es ja jeder Bank innerhalb von Stunden, Phishing-Seiten deaktivieren zu lassen. Vielleicht sollte man sich da mal ein Beispiel nehmen.
Weiterer Artikel bei netzpolitik.org / heise online
Nachtrag: Bundesjustizministerin kritisiert die Aussagen des BKA
In the end, a game may simply be a game
Gewaltspiele sind im Verruf. Vielleicht zu Unrecht. Eine amerikanische Studie will jetzt belegen, dass Probanden nach längerem Spielkonsum sich sogar weniger gestresst und depressiv fühlten als nicht spielende Personen. Für die Studie wurde das Spielverhalten von 103 Studenten an einer hispanisch geprägten Hochschule untersucht.
Getestet wurde mit folgenden Spielen: Hitman: Blood Money, Call of Duty 2 und Madden 2007, wobei letzteres zwar Action, aber keine explizite Gewalt enthält.
Aus der Zusammenfassung der Studie:
As with aggressive behavior, the evidence did not support that short-term randomized exposure to violent video games either increased or decreased hostile feelings or depression. By contrast long-term exposure to violent video games was associated with reduced hostile feelings and depression following a stressful task. Subjects who were exposed to violent video games were not less aggressive, but they were less hostile and depressed.
Die Forscher meinen, möglicherweise werde um Gewaltspiele viel zu viel Aufhebens gemacht:
The fervor over violent video games which has become intensely politicized (we would argue this unfortunately extends to the scientific community) may be ‘much ado about nothing.’ In the end, a game may simply be a game.