Das P-Konto kommt

Ab 1. Juli kann jeder Kunde von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als P-Konto geführt wird. Das P-Konto bietet einen automatischen Basispfändungsschutz in Höhe des Pfändungsfreibetrages (985,15 Euro pro Monat bei Ledigen ohne Unterhaltsverpflichtungen). Der Schutz ist unabhängig von der Art der Einkünfte. Damit genießen erstmals auch Selbstständige Pfändungsschutz für ihr Kontoguthaben.

Nach dem bislang geltenden Recht wurden Konten durch Pfändung zunächst vollständig blockiert. Alltägliche Zahlungen wie Miete, Energiekosten oder Versicherungen waren dann zunächst nicht mehr über das Konto möglich. In vielen Fällen bedurfte es einer Gerichtsentscheidung, um für ein Guthaben den gesetzlich vorgesehenen Pfändungsschutz tatsächlich zu bekommen.

War dies nicht rechtzeitig möglich, fielen zusätzliche Kosten für verspätete oder nicht ausgeführte Zahlungen an. Zusätzliche Schwierigkeiten ergaben sich daraus, dass der Pfändungsschutz bei Guthaben aus Arbeitseinkommen anders ausgestaltet war als bei Guthaben aus Sozialleistungen.

Das bislang geltende Recht führte zu unnötigem Verwaltungsaufwand bei Banken und Gerichten sowie zu ungerechtfertigten Belastungen für Schuldnerinnen und Schuldner.

Nun hat jeder Inhaber eines Girokontos einen Anspruch auf Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto. Das P-Konto wird durch Vereinbarung zwischen Bank und Kunde festgelegt. Ist das Girokonto schon gepfändet, kann der Kontoinhaber die Umwandlung in ein P-Konto innerhalb von vier Geschäftstagen verlangen.

Der pfändungssichere Betrag orientiert sich an dem Pfändungsfreibetrag für Arbeitslohn.
Automatisch besteht auf dem P-Konto zunächst ein Pfändungsschutz in Höhe des Grundfreibetrages von derzeit 985,15 Euro je Kalendermonat. Der Freibetrag kann je nach Lebenssituation erhöht werden. Eine Erhöhung kommt vor allem in Frage, wenn der Kontoinhaber anderen Unterhalt gewährt oder für andere Sozialleistungen entgegennimmt (zum Beispiel für mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende Partner oder für Stiefkinder).

Die Voraussetzungen der Erhöhung hat der Schuldner bei seiner Bank durch Bescheinigungen des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer Schuldnerberatungsstelle nachzuweisen. Der Basispfändungsschutz erhöht sich um 370,76 Euro für die erste und um jeweils weitere 206,56 Euro für die zweite bis fünfte Person. Auf Nachweis sind auch Kindergeld und Kinderzuschläge pfändungsfrei, ebenso bestimmte weitere Sozialleistungen.

Weitere besondere Aufwendungen können beim Vollstreckungsgericht geltend gemacht werden, etwa Kosten im Zusammenhang mit einer Diabetes-Erkrankung. Das Gericht bzw. die Behörde bestimmt auf Antrag den zusätzlich pfändungsfreien Betrag.

Das P-Konto gewährleistet, dass der Schuldner mit den pfändungsfreien Beträgen weiterhin am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen kann. Der Freibetrag steht jeweils monatlich zur Verfügung. Ist das pfändungsgeschützte Guthaben bis zum Ende des Kalendermonats nicht aufgebraucht, wird der verbleibende Guthabenrest einmal in den Folgemonat übertragen und steht dann einmalig zusätzlich zum geschützten Guthaben zur Verfügung.

So kann der Schuldner Guthaben für Leistungen ansparen, die nicht monatlich, sondern in größeren Zeitabständen zu erfüllen sind (z.B. Versicherungsprämien). Wird der Guthabenrest auch im Folgemonat nicht verbraucht, steht der Betrag dem Gläubiger zu.

Jeder darf nur ein P-Konto haben. Bei der Vereinbarung des P-Kontos hat der Kontoinhaber zu versichern, dass er kein weiteres P-Konto führt. Die Bank ist berechtigt, bei der SCHUFA abzufragen, ob ein weiteres P-Konto des Kunden existiert. Die SCHUFA darf die Daten, die sie im Rahmen der Missbrauchskontrolle von Banken erhält, nur für die Auskunft an andere Banken zur Ermittlung mehrfacher P-Konten nutzen, nicht aber für die Beantwortung von Anfragen zur Kreditwürdigkeit oder für die Berechnung von Score-Werten.

Unklar ist noch, ob und in welcher Höhe die Banken zusätzliche Gebühren für das P-Konto berechnen dürfen. Die Verbraucherzentralen haben bereits Banken abgemahnt, die verschuldeten Kunden Extragebühren bis zu 25 Euro im Monat in Aussicht gestellt haben.

Geldwäsche-Bremse

Es geht um eine größere Schmerzensgeldzahlung für meinen Mandanten. Letzte Woche präsentierte der Verteidiger des mutmaßlichen Täters im Gerichtssaal die Kopie eines Überweisungsauftrags. Den Auftrag habe er vor dem Termin zur Bank gebracht. Das war natürlich alles sehr begrüßenswert.

Aber keine gute Gelegenheit, die sich nicht noch durch einen lockeren Spruch aufwerten ließe. Deshalb garnierte der Kollege die hochoffizielle Vorlage des Belegs mit folgender Anmerkung:

Jetzt hängt die Schadenswiedergutmachung nur noch davon ab, ob mein Konto gedeckt ist.

Heute ist das Geld jedenfalls noch nicht auf meinem Konto. Wahrscheinlich hat die Staatsanwaltschaft mal wieder auf die Geldwäsche-Bremse getreten. Aber morgen sollte die Gutschrift dann doch erfolgen. Sonst mache ich mir langsam wirklich Sorgen…

Temporär oder gelöscht

Wenn Ermittlungsbehörden Computer auswerten, gibt es große Schwankungen. Sowohl beim Sachverstand als auch bei der Gründlichkeit.

Positiv stach für mich jetzt eine Auswertung des Landeskriminalamtes Brandenburg heraus, die aufgefundenes Material nicht ausnahmslos über einen Kamm schor. So kennzeichnete der Auswerter Dateien, die sich in temporären Verzeichnissen befanden. Außerdem solche, die gelöscht waren.

Interessant sind die Definitionen für beide Kategorien:

– Temporäre Verzeichnisse dienen Programmen zum automatischen Zwischenspeichern von Daten ohne aktives Handeln des Anwenders.

– Als gelöschte Dateien gelten solche, die nicht im Papierkorb (z.B. Ordner „Recycler“) stehen, sondern bereits aus diesem entfernt sind.

Utensilien

Durchsuchung im Haus meines Mandanten. Die Polizei stellte einige Waffen und Utensilien sicher. Nachdem das Verfahren nach langen Monaten abgeschlossen ist, hat mein Mandant wieder Zugriff auf die beschlagnahmten Gegenstände.

Es ist alles noch da. Nur ein neues Holster fehlt. Mein Mandant hatte es für eine seiner Handfeuerwaffen angeschafft.

Man würde sich ja nichts dabei denken, wäre das Holster nicht maßgefertigt für die Walther P99. Die Walther P99 ist die neue Dienstpistole der nordrhein-westfälischen Polizei.

Kachelmann – Fehler auf allen Seiten

Während die Juristen am Landgericht Mannheim sich bestimmt sogar der Achtelfinale entsagen und unter größter Konzentration einen (!) umfangreichen Schriftsatz prüfen, damit sie dereinst mal über die mögliche Freilassung des seit Monaten einsitzenden Jörg Kachelmann entscheiden können, fasst Sabine Rückert in einem langen Artikel für die Zeit den Fall zusammen und spart auch nicht mit Kritik an der Verteidigung.

Eine beklemmende Lektüre.

Der unbekannte Termin

Der Anruf des Gerichts stürzte meine Sekretärin in leichte Verwirrung. Der Verhandlungstermin für morgen sei abgesagt, teilte der Geschäftsstellenbeamte mit. Schön zu wissen, dann kann ja nichts mehr anbrennen. Uns war der Termin nämlich überhaupt nicht bekannt. Ich bin morgen auch in einer ganz anderen Stadt.

Ich weiß nur noch, dass die Richterin am letzten Verhandlungstag einen Beweisantrag von mir mit den Worten quittierte: „Das war’s dann für heute.“ Worauf sich mein Mandant als auch ich entlassen fühlten und wir den Saal verließen. Seitdem kam auch keine Post in dieser Sache.

Gleichwohl soll im Sitzungsproitokoll der neue Termin für morgen notiert gewesen sein. Nun ja, möglicherweise hat die Richterin den Termin anberaumt. Bekanntgegeben hat sie ihn allerdings nicht. Nur darauf kommt es an. Ein etwas schaler Geschmack verbleibt allerdings schon. Vor allem wenn ich daran denke, welche Folterwerkzeuge einem Gericht gegen mutmaßlich zu Unrecht nicht erschienene Angeklagte zur Verfügung stehen. Das geht ja bis zum Haftbefehl.

Jetzt soll in einigen Tagen verhandelt werden. Wie das Gericht in dieser kurzen Zeit die von uns benannten Zeugen ordnungsgemäß laden will, ist mir schleierhaft. Aber egal, ich bin an dem Tag morgens sowieso wegen einer anderen Sache an diesem Gericht.

Vielleicht lassen sich ja doch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Kein Anschluss

Ich erzähle ja immer gern, wie emsig die Polizei mitunter bei Durchsuchungen Hardware beschlagnahmt. In Firmen ist oft nichts sicher, außer dem Digitalkopierer mit der 50-GB-Festplatte.

In einem aktuellen Fall hat die Polizei auch fast alles eingepackt, was in der Wohnung meines Mandanten rumstand. Gut, der Festplattenrecorder (200 GB) wurde nicht als das gesehen, was er vielleicht sein könnte. Aber immerhin entging ein MP3-Player nicht den aufmerksamen Augen der Ermittler.

Auf die immerhin 20 GB große Festplatte des Players wurde dann freilich gar nicht geguckt. Er wurde ununtersucht zurückgegeben.

Warum, steht mit, wie ich finde, entwaffnender Offenheit im Untersuchungsbericht:

Kein Anschlusskabel vorhanden.

Sterbehilfe: Richter stärken Patientenwillen

Wann ist aktive Sterbehilfe zulässig? Der Bundesgerichtshof hat heute zu dieser Frage Stellung genommen – und einen wegen der Beihilfe zum versuchten Totschlag angeklagten Anwalt freigesprochen. Der Jurist hatte den Kindern einer Frau geraten, die lebensverlängernden Maßnahmen bei ihrer im Koma liegenden Mutter selbst zu beenden.

Das Landgericht hat den Anwalt noch zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Jurist ist auf Medizinrecht spezialisiert. Er beriet die beiden Kinder der 1931 geborenen Frau K. Frau K. lag seit Oktober 2002 in einem Wachkoma. Sie wurde in einem Pflegeheim künstlich ernährt. Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten.

Entsprechend einem von Frau K. im September 2002 mündlich geäußerten Wunsch bemühten sich die Geschwister, die inzwischen zu Betreuern ihrer Mutter bestellt worden waren, um die Einstellung der künstlichen Ernährung. Nach Auseinandersetzungen mit der Heimleitung kam es Ende 2007 zu einem Kompromiss, wonach das Heimpersonal sich nur noch um die Pflegetätigkeiten im engeren Sinne kümmern sollte, während die Kinder der Patientin selbst die Ernährung über die Sonde einstellen, die erforderliche Palliativversorgung durchführen und ihrer Mutter im Sterben beistehen sollten.

Nachdem Frau G. am 20.12.2007 die Nahrungszufuhr über die Sonde beendet hatte, wies der Träger der Heime die Heimleitung an, die künstliche Ernährung umgehend wieder aufzunehmen. Den Kindern der Frau K. wurde ein Hausverbot für den Fall angedroht, dass sie sich hiermit nicht einverstanden erklären sollten. Darauf erteilte der Anwalt Frau G. am gleichen Tag den Rat, den Schlauch der PEG-Sonde unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen.

Frau G. schnitt Minuten später mit Unterstützung ihres Bruders den Schlauch durch. Nachdem das Heimpersonal dies bereits nach einigen weiteren Minuten entdeckt und die Heimleitung die Polizei eingeschaltet hatte, wurde Frau K. auf Anordnung eines Staatsanwalts gegen den Willen ihrer Kinder in ein Krankenhaus gebracht, wo ihr eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen wurde. Sie starb dort zwei Wochen darauf eines natürlichen Todes auf Grund ihrer Erkrankungen.

Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten als einen gemeinschaftlich mit Frau G. begangenen versuchten Totschlag durch aktives Tun gewürdigt, der weder durch eine mutmaßliche Einwilligung der Frau K. noch nach den Grundsätzen der Nothilfe oder des rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt sei. Die Tochter hat das Landgericht freigesprochen. Sie habe sich auf den Rat des Anwalts verlassen dürfen.

Ausgangspunkt für das Gericht ist die Erkenntnis, zum fraglichen Zeitpunkt habe es unterschiedlichste Urteile zur Sterbehilfe gegeben. Die Rechtslage sei nicht klar gewesen.

Der Gesetzgeber habe diese Fragen aber durch das Patientenverfügungsgesetz im Herbst 2009 ausdrücklich geregelt, so dass der Bundesgerichtshof nun ohne Rücksicht auf die früheren Urteile eine Leitlinie vorgeben kann.

Nach Auffassung der Richter war der Kompromiss zwischen Kindern und Heimleitung rechtmäßig. Dieser Kompromiss sah vor, dass die künstliche Ernährung künftig unterbleibt. Die von der Heimleitung einseitig aufgekündigte Regelung sei somit ein rechtswidriger Angriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin gewesen.

Die im September 2002 geäußerte Einwilligung der Patientin, die ihre Betreuer geprüft und bestätigt hatten, entfaltete bindende Wirkung und rechtfertigte den Behandlungsabbruch. So sei es mittlerweile in § 1901 a Abs. 3 BGB ausdrücklich bestimmt, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.

Insbesondere sei bei diesen Umständen auch ein „aktives Tun“ der Betreuer zulässig gewesen. Ausdrücklich betont das Gericht, die klassischen Maßstäbe zwischen Tun und Unterlassen würden dem Prozess des nunmehr vom Gesetzgeber zugelassenen „krankheitsbedingten Sternlassens“ nicht gerecht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09

Aufschiebende Wirkung

Drei Wochen Räumungsfrist nach einer Wohnzeit von 30 Jahren. Auf solche Ideen können auch nur Behörden kommen – wenn sie das schneidige Ordnungsrecht auf ihrer Seite zu wissen meinen. Von der traurigen Geschichte, die kein gutes Licht auf die Stadtverwaltung Düsseldorf wirft, hatte ich vor einigen Tagen hier berichtet.

Nun scheinen meine Argumente nicht ganz neben der Sache zu liegen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat heute für insgesamt drei Familien die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Es wird also nichts mit dem angedrohten „gewaltsamen Eindringen“ in die Wohnungen. Die Familien dürfen jetzt in ihren Wohnungen bleiben, bis das Verwaltungsgericht endgültig entscheidet. Das kann dauern.

Ich hatte mich übrigens darum bemüht, mit der Stadt einen Vergleich zu finden. Ein paar Monate Frist, um selbst eine Wohnung zu finden – mehr wollten wir nicht. Die Reaktion war über mehrere Etagen hin außerordentlich kühl. Da gebe es überhaupt keinen Spielraum. Ein städtischer Mitarbeiter sagte mir sogar am Telefon, das Verwaltungsgericht entscheide nie zu Ungunsten seiner Behörde.

Na, dann ist das ja mal eine gelungene Premiere.

Ein Umfeld für ältere Gefangene

Der erste Satz ähnelt der Werbung eines Wellness-Hotels: „Am Fuße des Hermannsdenkmales und in der wunderschönen Residenzstadt Detmold liegt sie“ – die Justizvollzugsanstalt im Lippischen Land. Für Gefangene mit langen Haftstrafen mag so ein Internetauftritt bitter klingen, doch für ältere Menschen hinter Gittern aber gilt diese JVA als Vorbild im ganzen Land.

So sagt und hofft es die Leiterin dort. Kerstin Höltgemeyer-Schwick hatte die „gesamtgesellschaftliche Entwicklung“ beobachtet und herausgefunden: „Die „Vergreisung“ spiegelt sich auch im Strafvollzug wieder“. Kriminalität sei nicht mehr eine Sache überwiegend junger Leute. Mit dieser Erkenntnis und Ideen dazu ging die Beamtin vor gut einem Jahr zum Justizministerium und bekam ideelle wie finanzielle Unterstützung.

Inzwischen gibt es in der JVA Detmold im Haftbereich C, dem Untergeschoss des sozialtherapeutischen Bereiches, 22 Haftplätze für lebensältere Gefangene. Diese Männer sind wenigstens 62 Jahre alt, der älteste ist 76. Alle bevorzugen sie ihren „Rückzugsbereich“, sind demnach auch in Einzelzellen untergebracht. Dennoch gebe es auch eine „wohngruppenähnliche“ Atmosphäre im Gemeinschaftsraum, berichtet Höltgemeyer-Schwick.

Von Gewalt könne keine Rede sein, obwohl auch wegen Gewalttaten (Banküberfälle etwa oder Raub) verurteilte Männer hier leben. „Es gibt unter den Gefangenen keine Durchsetzungskämpfe und kein Alpha-Tier-Gehabe.“ Dabei spielt wohl auch die Auswahl eine Rolle. Die Menschen hier haben Lebenserfahrung. Sie ordnen sich dem Wachpersonal (im Durchschnitt um die 40 Jahre alt) zumeist unter, sind Hierarchie gewohnt.

Weil im Alter vor allem chronische Erkrankungen deutlich zunehmen, werden solche Diabetes-, Herz- oder Kreislauferkrankungen in enger Zusammenarbeit mit dem Krankenpflegedienst (im zweiten Stockwerk, mit dem Aufzug zu erreichen) medizinisch versorgt. Um seelische Problemen sorgen sich eine Psychologin und ein Pfarrer. In einer Gesprächsgruppe können Erinnerungen, Erfahrungen, Pläne diskutiert werden.

Eine „Freizeitabteilung“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, den lebensälteren Gefangenen reichliche Angebote zu machen. Auf der langen Liste stehen Gymnastik, Tischtennis, Billard und Schach ebenso wie Karten- und Gesellschaftsspiele.

Auch Gefangene im Rentenalter haben ein Sonderrecht, sie müssen nicht mehr arbeiten. Wer das dennoch in Detmold will, kann tischlern oder basteln und sich so ein Taschengeld verdienen. Ein anderes Ziel in dieser JVA ist es aber auch, soziale Kontakte zu halten, zu schaffen, zu fördern. „Wir arbeiten gegen die Isolation“, versichert die Anstaltsleiterin.

Besuche von Verwandten und Bekannten werden unterstützt, insgesamt 25 Ehrenamtler aus der Umgebung kümmern sich zudem, fünf von denen kommen zum Kochen mit Gefangenen regelmäßig hinter die Mauern. Ein Anstaltsbeirat fungiert als Ansprechpartner und der Verein „Straffälligenhilfe e.V.“ unterstützt die Lebensälteren.

Zu deren Problem gehört natürlich, das verschweigt Kerstin Höltgemeyer-Schwick nicht, die Auseinandersetzung mit dem Tod. „Wir hatten noch keinen Todesfall“, sagt sie. Die Kollegen hätten aber gelernt, mit den Tabuthemen Krankheit, Leiden und Sterben „unter Achtung der Menschenwürde“ umzugehen.

Nicht vergleichbar, dennoch ähnlich delikat seien die Vorbereitungen zur Entlassung aus der Haft. Dazu zählen die helfende Suche nach passender Unterkunft, tragfähigen, soziale Beziehungen und – schwierig – neuen Bezugs- und Lebensmittelpunkten. Möglichst in Nachbarschaft zum Hermannsdenkmal. Und doch weit von der JVA: „Der Drang nach Freiheit ist immer da“, ist die Erkenntnis der Leiterin, „jeder strebt nach draußen.“ (pbd)

„Das haben wir auf Facebook gefunden“

Die Gefahren sozialer Netzwerke werden allerorten beschworen. Heute konnte ich am Landgericht live erleben, wie Inhalte auf Facebook plötzlich zum Prozessthema werden.

Ich vertrete den Nebenkläger. Ein junger Mann, der von anderen heftig gemangelt worden ist – Lebensgefahr inklusive. Seine Kontrahenten müssen sich jetzt wegen Erpressung und Körperverletzung verantworten.

Für die Gegenseite gehört es zum Repertoire, das Opfer möglichst schlecht aussehen zu lassen. Offenbar gilt das -aus meiner Sicht freilich nur wenig aussichtsreiche – Motto: Wenn Kriminelle einen (Klein-)Kriminellen verdreschen und bedrohen, ist das doch nur halb so schlimm.

So kam also das Video ins Spiel, das meinen Mandanten angeblich dabei zeigen soll, wie er großkotzig aus seinem Leben erzählt. Anspielungen auf Drogen eingeschlossen. Auf Facebook soll das Video aufgefunden worden sein, allerdings nicht im Account meines Mandanten.

Nun ja, zur sofortigen Vorführung auf dem Verteidiger-Laptop kam es dann doch nicht. Ich widersprach und bat darum, aus dem Überraschungsbeweismittel doch ein ganz normales zu machen. Immerhin wissen weder mein Mandant noch ich genau, was da präsentiert werden soll. Und ob es nicht vielleicht sogar Gründe gibt, der Verwertung zu widersprechen.

Jetzt muss das Video erst mal ins Verfahren eingebracht werden. Das heißt, der Verteidiger schickt das Video ans Gericht, sofern er denn noch will. Von dort geht es an die Beteiligten. Mit der Möglichkeit, sich noch vor der Hauptverhandlung eine Meinung zu bilden. Und, was für uns natürlich ganz wichtig ist, eine mögliche Erklärung zum Kontext des Filmchens parat zu haben, statt bei einer Adhoc-Vorführung möglicherweise kalt erwischt zu werden. Ist ja auch nicht immer alles ernst gemeint, was junge Leute auf Facebook und Youtube so erzählen.

Wer weiß, vielleicht suche ich sogar noch ein paar augenfällige Beispiele raus…

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Telekom darf IP-Adressen sieben Tage speichern

Telekom-Kunden können nicht die sofortige Löschung ihrer IP-Adressen verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden. Das Gericht hält es für zulässig, wenn die Telekom die IP-Adressen sieben Tage speichert – selbst wenn der Kunde eine Flatrate hat.

Zur Zeit der Klageerhebung speicherte die Telekom die IP-Adressen nach dem Rechnungsversand noch 80 Tage. Das Landgericht gab der Klage im Juni 2007 insoweit statt, als es der Telekom untersagte, die Daten länger als sieben Tage zu speichern. Im selben Jahr änderte die Telekom ihre Praxis dahin, dass sie die Speicherzeit auf sieben Tage reduzierte. Diese neue Speicherpraxis entspricht einer Absprache mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz.

Mit seiner Berufung ans Oberlandesgericht macht der Kläger weiterhin geltend, die Telekom müsse die IP-Adressen jeweils sofort nach Beendigung einer Internetverbindung löschen. Hierzu sei die Telekom im Interesse des Datenschutzes und des Schutzes seiner Privatsphäre verpflichtet. Weil über die IP-Adressen die Möglichkeit bestehe, das Nutzerverhalten auszuspähen und daraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des jeweiligen Teilnehmers zu ziehen, sei auch ein Speicherzeitraum von (nur) sieben Tagen nicht hinnehmbar.

Die Telekom meint, sie sei berechtigt, die IP-Adressen zur Erkennung, Eingrenzung und Beseitigung von Fehlern und Störungen an ihren Anlagen sowie zur Abrechnung mit den Nutzern zu erheben und zu verwenden.

Das Gericht folgte im wesentlichen den Argumenten der Telekom. Es sei kein Rechtsgrund ersichtlich, nach dem die Telekom verpflichtet sei, die IP-Adressen sofort nach Ende der Internetverbindung zu löschen. So habe auch das Bundesverfassungsgericht in einschlägigen Urteilen nicht einmal ansatzweise die Rechtmäßigkeit von Datenspeicherungen durch Dienstanbieter im Zusammenhang mit dem Telekommunikationsverkehr in Zweifel gezogen.

Nach den derzeitigen technischen Gegebenheiten sei davon auszugehen, dass der Telekom bei einer Löschung der IP-Adressen „sofort“ nach Beendigung der Internetverbindung eine Abrechnung mit ihren Kunden gar nicht möglich sei. Bei den IP-Adressen handele es sich daher um für die „Berechnung des Entgelts erforderliche Daten“ im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG).

Dass die Telekom aktuell über bessere technische Möglichkeiten verfüge, habe der Kläger nicht darlegen können. Es komme hinzu, dass es der Telekom bei einer sofortigen Löschung der IP-Adressen praktisch unmöglich wäre, einen relevanten Teil von Störungen und Fehlern an Telekommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen und zu beseitigen.

Unter diesen Voraussetzungen könne der Kläger allenfalls die „unverzügliche“ Löschung verlangen, worunter nicht die „sofortige“ Löschung zu verstehen sei, sondern eine solche „ohne schuldhaftes Zögern“. Dass es der Telekom möglich sei, die IP-Adressen schneller als nach Ablauf von sieben Tagen zu löschen, ohne dass dies ihre Abrechnung mit ihren Kunden und die Störungserkennung beeinträchtige, habe der darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht nachweisen können.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.6.2010, Aktenzeichen 13 U 105/07

Der unterlassene Blick in die Kartei

Meine Mandantin kriegt ihr Leben nicht in den Griff. Die Drogen. Früher ist sie viel schwarz gefahren. Seitdem ihre Betreuerin ihr bei der Düsseldorfer Rheinbahn ein personengebundenes Ticket 1000 im Abo besorgt hat, ist das deutlich besser geworden.

Jetzt allerdings flattern wieder Anklagen ins Haus. Die Mandantin soll gleich drei Mal im Stadtgebiet von Düsseldorf schwarz gefahren sein. Eigentlich unmöglich, denn für diesen Bereich gilt ihr Ticket.

Näherliegende Erklärung: Die Mandantin hatte ihr Ticket vergessen. Und es nicht, wie es in den Beförderungsbedingungen verlangt wird, später im Rheinbahn-Kundencenter vorgezeigt. Wenn man das vergessene Ticket vorzeigt, wird wohl nur eine Bearbeitungsgebühr fällig. Man kann also auch nachträglich aus der Sache rauskommen, anders als beim nichtpersonengebundenen Ticket 2000.

Wenn das schon fürs Vertragsverhältnis mit der Rheinbahn gilt, wird die Lage im Strafrecht kaum anders sein. Beförderungserschleichung liegt nur vor, wenn der Täter die Absicht hat, den Fahrpreis nicht zu entrichten. Hier war der Fahrpreis bereits bezahlt. Das bloße Nichtdabeihaben eines Tickets ist vielleicht eine Vertragsverletzung, aber doch nicht strafbar.

Für mich ist nicht nachvollziehbar, wieso die Rheinbahn überhaupt Strafanzeige erstattet. Immerhin dürfte ja auch dort die Elektrifizierung schon so weit fortgeschritten sein, dass man die Personalien eines vermeintlichen Schwarzfahrers ohne großen Aufwand mit der Kundenkartei abgleichen kann. Bei einem Ticket 1000 müsste man dann halt wenigstens die Strafanzeige lassen.

Aber vielleicht ist es da auch manchem egal. Letztlich treffen die Anwalts- und die Verfahrenskosten ja doch nur den Steuerzahler, wenn das Hauptverfahren mangels Tatverdacht nicht eröffnet oder die Angeklagte gar freigesprochen wird.