In keiner Weise sexualbezogen

Acht Monate Gefängnis auf Bewährung erhielt eine 35-jährige, aus Vietnam stammende Frau, weil sie ihren sechsjährigen Sohn und ihre neunjährige Nichte nicht nur ihre Brust berühren, sondern die Kinder auch daran saugen ließ. Amts- und Landgericht erkannten darin den „sexuellen Missbrauch von Kindern“.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Verurteilungen aufgehoben. Aus dem Urteil:

Für eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs nach §§ 174 Abs. 1, 176 Abs. 1 StGB fehlt es bereits an einer sexuellen Handlung.

Eine solche liegt objektiv vor, wenn die Handlung das Geschlechtliche im Menschen zum unmittelbaren Gegenstand hat und für das allgemeine Verständnis nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine Sexualbezogenheit erkennen lässt …

Dies trifft zwar für das Betasten einer unbekleideten weiblichen Brust grundsätzlich zu, gilt jedoch nicht für die hier zu bewertenden Vorgänge. Denn diese weisen in ihrem Erscheinungsbild keinen sexuellen Bezug auf. Die Erwägung des Landgerichts, dass die Duldung der ´Intimitäten im Brustbereich im Laufe der Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit der Kinder zu einer ungezügelten Sexualisierung des kindlichen Verhaltens führen´ könne, erscheint abwegig.

Die Kinder handelten äußerlich erkennbar aufgrund eines spielerischen Impulses oder weil sie Geborgenheit suchten, ohne dass Sexualität dabei irgendeine Rolle gespielt hätte. Die Angeklagte ließ die Kinder gewähren, wobei sie ihre Hand zärtlich um den Kopf oder den Rücken des Kindes legte. Dieses Verhalten war nach seinem objektiven Erscheinungsbild in keiner Weise sexualbezogen.

Link zum Urteil

(Danke an RA Robert Koop für den Hinweis)

Mit E-Mails muss gerechnet werden

Vorsicht mit E-Mails im Rechtsverkehr! Wer die elektronischen Nachrichten unterschätzt, muss mit den Folgen leben können. Und die sind mitunter finanziell schmerzhaft. Das musste ein Mann aus Mönchengladbach erleben, der sich für den Kauf eines Hauses interessierte und deswegen einem Makler seine E-Mail-Adresse gab.

An die E-Mail-Adresse gingen denn auch Einzelheiten, auf die der Interessent aber nicht mehr einging. Er argumentierte später, er habe die E-Mails gar nicht bekommen und auch nicht gelesen – deshalb sei auch kein Vertrag mit dem Makler entstanden. Dessen Rechnung über 6.960 Euro müsse also nicht bezahlt werden.

Das sieht das Oberlandesgericht Düsseldorf anders (I – 7 U 28/08). Der 7. Zivilsenat gesteht dem Interessenten aus Mönchengladbach zwar zu, es überschreite allgemein die Grenze, wenn jeder E-Mail-Nutzer erst darlegen und beweisen muss, bestimmte E-Mails nicht erhalten zu haben.

Dennoch – hier nimmt der Senat die entscheidende Kurve für ähnliche Geschäfte – wer beispielsweise einem Makler die eigene E-Mail-Adresse nennt, muss „heutzutage damit rechnen“, dass diese auch für die Übersendung von Exposés und anderen Mitteilungen genutzt wird – „einfach weil es billiger ist“.

Wenn der Empfänger seinen Mail-Account nicht öffnet und/oder seine Mails nicht abruft und nicht liest, „kommt das einer Zugangsvereitelung gleich“. Die Folge im entschiedenen Fall: Der Maklervertrag hatte Bestand. (pbd)

Offenbarung

Ein Schuldner, der leider auch mein Ex-Mandant ist, hat die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Dem Gerichtsvollzieher sagte er einige Dinge, die ich noch gar nicht wusste.

Dass er ein Konto bei der Deutschen Bank hat. Und bei einem Messebauer arbeitet. Das offenbarte Netto liegt knapp über der Pfändungsgrenze, aber immerhin.

Nun beschwert sich eben jener Schuldner bitterlich, dass ich sein Konto und sein Gehalt gepfändet habe. Offensichtlich war ihm nicht bewusst, dass der Gerichtsvollzieher das gesamte Vermögensverzeichnis, das bei der eidesstattlichen Versicherung angelegt wird, an uns weitergibt. Früher hieß das Ding Offenbarungseid. Das war deutlicher.

Nun soll ich eine Ratenzahlung einräumen, und zwar dringend. Ratenzahlung? Genau diese hatte ich schon einige Male vorgeschlagen, bevor ich die Anwaltsgebühren eingeklagt habe.

Nachdem ich meinem Geld fast ein Jahr hinterhergelaufen bin, muss nun mal der Ex-Mandant Geduld haben. Bevor ich mir die Ratenzahlung überlege, warte ich auf jeden Fall die Auskünfte der Bank und des Arbeitgebers ab…

Chaos in Dortmund – Wer kriegt Entschädigung?

Chostag am Flughafen von Dortmund:
Am Morgen war eine Air-Berlin-Maschine nach einem Startabbruch in einer Wiese gelandet. Gegen Mittag wurde der ganze Flughafen für Stunden geschlossen.
Die meisten Reisenden konnten laut einem Bericht der WAZ von anderen Flughäfen starten, natürlich mit einiger Verspätung.
Spannend dürfte nun die Frage werden, ob die Fluggäste Anspruch auf Entschädigung haben. Folgende „Ausgleichsleistungen“ sind abhängig von der Flugstrecke vorgeschrieben:

bis 1500 km 250 €
1500 – 3500 km 400 €
über 3500 km 600 €

Das gilt schon seit Jahren für gecancelte Flüge. Vor kurzem hat der Europäische Gerichtshof zudem klargestellt, dass auch bei einer mindestens um drei Stunden verspäteten Ankunft bereits von einem Flugausfall und einem Entschädigungsanspruch auszugehen ist (Urteil vom 19.11.2009, Az. C-402/07).

Die Ausnahme: Eine solche Verspätung führt dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgeht, so der EuGH. Dabei muss es sich um Umstände handeln, „die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind”.

Technische Probleme (wie z.B. ein Turbinenschaden), die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, sind noch kein außergewöhnlicher Umstand, so der EuGH in einem anderen Urteil (Az: C-549/07).

Bei der Air-Berlin-Maschine sollen während des Starts die Instrumente im Cockpit verschiedene Geschwindigkeiten angezeigt haben, woraufhin der Start abgebrochen wurde. Das klingt schwer nach technischem Defekt, der beherrschbar gewesen sein dürfte. Und die Reisenden in anderen Maschinen? Ich vermute, die Schließung des Flughafens wird wohl als außergewöhnlicher Umstand gewertet werden, so dass sie nichts zu erwarten haben.

Ein Vielzahl weiterer Urteile zu diesem Thema gibt es hier.

Da Udo Vetter stets in Düsseldorf Frankfurt/Main startet und landet, gehe ich davon aus, dass er inzwischen ohne Verspätung zu Hause angekommen ist und morgen in bewährter Weise den Lawblog wieder betextet.
Die Urlaubvertretung verabschiedet sich und wünscht ein schönes Rest-Wochenende.

GEZ-Kritiker mundtot gemacht?

Ein Mitarbeiter des NDR hat offenbar eine Rechtsanwaltskanzlei damit beauftragt, den Hamburger GEZ-Kritiker Bernd Höcker abzumahnen. Der Streitwert wurde auf satte 50.000 Euro angesetzt. Gilt hier etwa die Devise: Lieber eine Person bestrafen und damit Tausende erziehen?

In seinem Blog „Meine Zwangsanmeldung“ sprach er sich bislang sehr offen gegen die Methoden der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) aus. Im Schreiben der gegnerischen Rechtsanwaltskanzlei wurde er aufgefordert alle Teile seines Blogs zu löschen, wo er über vergangene Auseinandersetzungen mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) berichtet.

(Zitat von gulli.com)

Wie gulli.com oder MMnews heute berichten, ist das eher streitbare Weblog „Meine Zwangsanmeldung“ seit dem 31. Dezember offline. Mir selbst fehlt der juristische Hintergrund, um die Angelegenheit inhaltlich kommentieren zu können, auch wenn die Pressekammer des Landgerichts Hamburg, an der das Urteil gefällt wurde, den meisten hinreichend bekannt sein dürfte. In den Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass ich damit wohl knapp den falschen Richter „getroffen“ habe. Sorry.

Zur Erklärung des Weblogs. Ob die „Kunstaktion“, zu der dort anschliessend aufgefordert wird, der Sache dienlich ist halte ich allerdings für eher zweifelhaft.