Beredtes Schweigen

Vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) begann heute der Prozess gegen den sogenannten Maskenmann. Dem 46-jährigen Angeklagten werden mehrere Mord- und Totschlagsversuche, Körperverletzung und räuberische Erpressung vorgeworfen.

Als Maskenmann wird der Angeklagte bezeichnet, weil er bei seinen Taten meist eine Imkermaske getragen haben soll und deshalb praktisch nicht erkennbar war. Die gesamte Anklage stützt sich deshalb vorwiegend auf Indizien.

Angesichts dieser Vorgeschichte ist es natürlich ein Statement, wie sich der mutmaßlich „Maskenmann“ heute bei Gericht vorführen ließ (Foto). Sein Gesicht versuchte er offenbar mit einem Schnellhefter zu verhüllen, wobei die klare Vorderseite allerdings auf seinem Gesicht lag. So mussten die Redaktionen das Gesicht offenbar sogar noch nachverpixeln.

Besser kann man als ansonsten schweigender Angeklagter wohl kaum sagen:

Ich war’s nicht.

Anwälte als Hartz-IV-Abzocker

Die Zahl klingt erst mal beeindruckend: Fast 40 Millionen Euro soll die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2012 investiert haben. Für Anwaltshonorare. Allerdings geht es nicht die Kosten irgendwelcher externer Berater. Sondern um Anwaltsgebühren wegen verlorener Hartz-IV-Verfahren.

Das hält aber zumindest Spiegel online nicht davon ab, der Sache einen bemerkenswerten Spin zu geben. Statt die hohe Zahl von Prozessen zu beklagen, welche bei der Arbeitsagentur offenkundig in die Hose gehen, werden die prozessführenden Anwälte in die Nähe von Gierhälsen gerückt. Dazu dienen dann plastische Beispiele, wonach einzelne Kanzleien mit Hartz-IV-Klagen bis zu 300.000 Euro Gebühren eingenommen haben sollen.

Jeder einzelne Cent, den die Arbeitsagentur an die Anwälte überweisen musste, beruht allerdings auf einem eigenen Fehlverhalten der Behörde. Sie hat sich eben nicht rechtmäßig verhalten und Anspruchsberechtigten Sozialleistungen vorenthalten. Das kann an den schlecht gemachten Gesetzen liegen. Aber auch an dem Verhalten der einzelnen Jobcenter, welche die Vorschriften mitunter sehr kassenfreundlich auslegen.

Dass Anwälte, was wohl vorkommt, massenweise Verfahren um die gleiche Sache führen können, liegt halt daran, dass die Agentur ebenso massenweise vorher die Vorgaben der Sozialgerichte missachtet. Was trotz der hohen Erfolgsquote für die Arbeitsagentur immer noch lukrativ sein könnte. Betroffene wehren sich nämlich nur gegen einen Bruchteil der Bescheide, die Masse unrechtmäßiger wird klaglos geschluckt.

Interessante Hintergründe berichtet mein Anwaltskollege Christian Wolf in seinem Blog. Wolf vertritt Hartz-IV-Empfänger vor Gericht.

Grundlage für den SpOn-Artikel ist das druckfrische Buch „Vorsicht Rechtsanwalt: Ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral“ von Joachim Wagner,der auch mit mir im Vorfeld über die Anwaltszunft gesprochen hat. Ob ich es bis ins Buch geschafft habe, weiß ich allerdings noch nicht.

Nachtrag: Spiegel online hat jetzt auch einen ausführlichen Beitrag von Joachim Wagner zum Thema

Konsequente Ermittlungen

Möglicherweise ist es nicht ganz ungefährlich, Post in den Briefkasten des Bundesverfassungsgerichts zu werfen. Der Karlsruher Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah wurde bei dieser Gelegenheit jedenfalls nicht nur die Vollmacht für ein Verfahren los, sondern fand sich auch in Handschellen wieder, nachdem ihn ein Polizist zu Boden gebracht hatten.

Der Vorfall, von dem die taz berichtet, ereignete sich um die Mittagszeit am 14. April, einem Werktag. Nachdem der Jurist die Vollmacht am öffentlich zugänglichen Briefkasten des Gerichts eingeworfen hatte, sagt er, habe ein Polizist von ihm wissen wollen, was er da eingeworfen habe.

Schneider-Addae-Mensah will erwidert haben, was ich auch gesagt hätte:

Das geht Sie nichts an.

Wieso der Polizist darauf hin den Ausweis des Anwalts sehen wollte, kann die Polizei laut taz bislang nicht erklären. Im weiteren Verlauf ist Schneider-Addae-Mensah dann aber wohl von dem Beamten in den Polizeigriff genommen und auf den Boden geworfen worden.

Selbstverständlich hat die Polizei bereits Ermittlungen aufgenommen. Und zwar gegen den Juristen. Er soll Widerstand geleistet und den Polizisten einen „Drecksbullen“ genannt haben. Was ich, rein menschlich gesehen, ein wenig nachvollziehen kann. Immerhin soll es 15 Minuten gedauert haben, bis man merkte, dass man wohl keinen Topterroristen zur Strecke gebracht hat.

Hatte ich erwähnt, dass der Jurist dunkle Hautfarbe hat?

Widerwillen auslösen

Die Zeit veröffentlicht ein sehr ausführliches Porträt der Kölner Rechtsanwältin Anja Sturm. Die Juristin verteidigt im Münchner NSU-Prozess Beate Zschäpe, die für zehn Morde mitverantwortlich sein soll.

Der Bericht beschreibt das Unverständnis, mit dem ein Strafverteidiger nicht immer, aber doch häufig konfrontiert wird. Wie kann er sich nur auf die Seite des vermeintlich Bösen stellen, für die Interessen eines mutmaßlichen Mörders, Vergewaltigers, Kinderschänders oder – je nach aktuellem Fokus – sonstwie als verachtungswürdig empfundenen Menschen eintreten?

Die Argumente, warum der Anwalt das macht, machen darf und sogar machen sollte, liegen eigentlich auf der Hand. Dennoch ist es gut, wenn sie in dem Artikel noch mal sehr schön nachvollziehbar aufgedröselt werden. Völlig korrekt ist auch das Fazit des Hamburger Rechtsanwalts Johann Schwenn:

Es ist nun mal die Rolle des Strafverteidigers, Widerwillen auszulösen.

Zum Beitrag in der Zeit.

Tattoo-Selfies – ein Fall für die Juristen

Momentan kommen zwei Sachen zusammen: Es wird Sommer, und die Selfie-Ära ist angebrochen. Da liegt es nahe, auch mal die eigenen Tattoos einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf Twitter etwa. Oder Facebook. Allerdings gibt es nichts, woran einem Juristen nicht den Spaß verderben können.

Ein vermeintllich schicker Tattoo-Schnappschuss kann im schlimmsten Fall – Stichwort Arschgeweih – nicht nur zu Hohn und Spott führen, sondern sogar zu einer Abmahnung. Wegen Urheberrechtsverletzung.

Das Tattoo gehört nämlich keineswegs ausschließlich seinem Träger, erläutert der Mainzer Anwalt Karsten Gulden auf seiner Seite „infodocc“. Vielmehr handele es sich, absoluter 08/15-Körperschmuck ausgenommen, um ein „Werk der bildenden Kunst“.

Grundsätzlich können sich Tätowierte darauf berufen, dass der Künstler ihnen die Rechte auch übertragen hat. Zumindest, wenn sie das Tattoo bezahlt haben. Allerdings bleibt es laut Gulden fraglich, ob dieses Einverständnis stets auch für Tattoo-Bilder im Internet gilt.

Auch hier gelte zwar, dass Menschen ihren Körper online zeigen dürfen. Allerdings kämen die Rechte des Tätowierers umso mehr ins Spiel, je deutlicher das Foto aufs Tattoo fokussiere.

Gulden rät deshalb dazu, sich inbesondere die Online-Rechte vom Tätowierer schriftlich übertragen zu lassen. Dabei sollte man auch festhalten, ob bei einem Tatto-Foto der Hautkünstler benannt werden muss. Auch darauf, so Gulden, habe der Tätowierer einen Anspruch.

Diese unbequemen Gesetze aber auch

Mit einer fragwürdigen Ermittlungsmethode gerät die Polizei in Baunatal in die Kritik. Die Ermittler hatten von 15 Mitarbeiterin im örtlichen VW-Werk DNA-Proben genommen. Offiziell auf „freiwilliger“ Basis. Allerdings wäre auch hierfür eine richterliche Anordnung erforderlich gewesen.

Es ging um einen unappetitlichen Sachverhalt. Eine VW-Angestellte hatte Spermaspuren auf ihrer Jacke entdeckt. Sie vermutete, dass ein Kollege ihre Kleidung besudelte. Deshalb trat die Polizei an 14 VW-ler heran, die im Umfeld der Betroffenen arbeiten und als Verursacher in Frage kamen.

Wie genau das geschehen ist, darüber gibt es unterschiedliche Versionen. Währen die Polizei davon spricht, sie habe die Speichelproben „freiwillig“ erhalten, scheinen das einzelne Testkandidaten anders zu sehen. Die Hessische Niedersächsische Allgemeine berichtet vom Schreiben eines Betroffenen. In dem Brief schildere der Angestellte die Situation nicht gerade so, dass die Polizei den Testkandidaten viel Spielraum ließ. Auch sei keinem gesagt worden, wofür der Test überhaupt benötigt werde.

Wie auch immer, selbst eine auf dem Papier „freiwillige“ DNA-Untersuchung hätte die Polizei wohl nicht selbst anordnen dürfen. Nach § 81h Strafprozessordnung müssen Reihenuntersuchungen, bei denen Personen nach einem bestimmten Raster überprüft werden, vorab von einem Richter angeordnet werden. Ohne diese Anordnung darf die Polizei gar nicht um eine „freiwillige“ Speichelprobe bitten.

Überdies sind solche Tests auch nur zulässig, wenn ein Verbrechen begangen wurde. Verbrechen sind Straftaten, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis bedroht sind. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Die in Frage kommenden Delikte (Sachbeschädigung, Beleidigung) sind lediglich Vergehen, die milder bestraft werden können.

Nun wird sich die Frage stellen, ob die Polizei das Gesetz nicht kennt. Oder ob sie es kennt und schon deshalb gleich darauf verzichtet hat, einen Richter zu fragen. Da dieser die Tests nämlich nicht hätte erlauben dürfen. Für letzteres, die bedenklichere Variante, spricht der Umstand, dass laut den Zeitungsberichten die Akte bislang noch nicht mal der zuständigen Staatsanwaltschaft vorliegen soll. Diese leitet aber an sich die Ermittlungen und müsste den Antrag ans Gericht stellen.

Wie so oft in dieser Konstellation, wird sich die Polizei am Ende wahrscheinlich im Lichte ihres Fahndungserfolges sonnen und die juristischen Bedenken als unbedeutsam abtun. Der Mann, von dem das Sperma stammt, hat sich nämlich dem Test unterzogen, konnte so mittlerweile ermittelt werden und hat auch ein Geständnis abgelegt.

Bericht in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen: (1) (2)