Die doppelt vergessene DNA-Löschung

Wer glaubt, dass die Polizei mit personenbezogenen Daten besonders sorgfältig umgeht? Dem empfehle ich die nachfolgenden Erfahrungen meines Mandanten. Der glaubte bis vor einiger Zeit auch, dass schon alles seine Richtigkeit hat, wenn unsere Strafverfolger sich zum Beispiel DNA-Proben sichern und auswerten. Nun wurde er schon zum wiederholten Mal belehrt, dass dem keineswegs so ist. Doch der Reihe nach:

Ein Amtsgericht hatte im Jahr 2007 angeordnet, dass mein Mandant eine Speichelprobe abgeben muss. Seine DNA sollte dauerhaft in der Zentraldatei beim Bundeskriminalamt gespeichert werden. Gegen so einen Beschluss kann man zwar Beschwerde einlegen. Aber die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Mein Mandant musste also quasi in Vorleistung treten und seine Erbinformationen zur Verfügung stellen. Flugs war die Polizei auch zur Stelle, seine Daten wurden in der Wiesbadener Zentraldatei gespeichert.

Der Beschluss des Amtsgerichts war allerdings rechtswidrig. Das Landgericht hob ihn mit recht deutlichen Worten auf. Der Aufhebungsbeschluss wurde im März 2008 rechtskräftig. An sich hätte der Eintrag meines Mandanten in der Zentraldatei nun gelöscht werden müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Denn für die nun erforderlichen Maßnahmen gab es jedenfalls damals offensichtlich noch keinerlei Routine. Niemand, insbesondere nicht die Staatsanwaltschaft, welche die Probe beantragt hatte, fühlte sich offenbar zuständig. Es passierte – nichts.

Das erfuhr mein Mandant aber auch nur deswegen, weil er durch mich beim zuständigen Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen nachfragen ließ, ob seine Daten tatsächlich gelöscht wurden. Ups, waren sie nicht, wie die Behörde nach angeblich gewissenhafter und vor allem langer Prüfung einräumte (siehe auch diesen älteren Beitrag im law blog).

Die Löschung werde nun aber nachgeholt, bestätigte mir das Landeskriminalamt im Jahr 2008. Das habe ich schriftlich…

Was jetzt kommt, lässt mich allerdings ernsthaft zweifeln, ob man mich und meinen Mandanten seinerzeit nicht schlicht und einfach veräppelt hat. Mein Mandant wollte im März 2014 über den Frankfurter Flughafen einreisen. Der Bundespolizist an der Grenzkontrolle scannte den Pass meines Mandanten, schaute etwas länger in den Computer und verkündete dann:

Ihr DNA-Datensatz im Register ist veraltet. Das ist noch eine Probe nach einem alten System. Da werden Sie wohl bald Post erhalten.

Woher hat ein Bundespolizist Informationen über einen DNA-Datensatz meines Mandanten, der an sich gelöscht sein muss. Und zwar schon seit 6 (in Worten: sechs) Jahren! Das konnte oder wollte der Beamte meinem Mandanten nicht sagen. Er deutete nur an, dass er „alle“ Informationen im Computer hat.

Ich schrieb also erneut ans zuständige Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und fragte nach, wieso in Rechnern der Bundespolizei Hinweise auf das DNA-Muster meines Mandanten zu finden sind. Und zwar trotz des Löschungsbeschlusses des Landgerichts, der späteren Korrespondenz und der ausdrücklichen Zusage, dass die Daten nun gelöscht seien.

Die Antwort vom Landeskriminalamt:

… hat meine Fachdienststelle Ihren Antrag auf Löschung der Speicherung personenbezogener Daten in der DNA-Analyse-Datei erneut überprüft.

Und es gibt sogar ein Ergebnis:

Dabei stellte sich heraus, dass der tatsächliche Vollzug der Löschung der personenbezogenen Daten Ihres Mandanten innerhalb der DNA-Analyse-Datei bedauerlicherweise vergessen wurde.

Nachdem dieses Versehen nunmehr offenkundig geworden ist, habe ich den Vollzug der Löschung unverzüglich in die Wege geleitet und kann Ihnen nunmehr mitteilen, dass die Rede stehenden Daten am heutigen Tage endgültig aus der DNA-Analyse-Datei gelöscht wurden.

Tja, die Frage ist halt nur: Kann man das glauben? So schnell und zuverlässig wie die Speichelprobe beim Bürger eingesammelt wird, scheint es im umgekehrten Fall jedenfalls nicht zu gehen. Was mich besonders stutzig macht: Die erste an sich fällige Löschung war kein simpler Routinevorgang, sondern das Landeskriminalamt musste förmlich angestubst werden. Dazu gab es also eine gesonderte Akte. Ist es aber trotzdem ernsthaft so, dass mir schriftlich die Löschung bestätigt wurde, obwohl sie offensichtlich noch gar nicht stattgefunden hatte? Wie zuverlässig läuft das dann im Normalfall, bei dem niemand nachhakt, sondern auf das korrekte Handeln der Behörde vertraut?

Für mich deutet das auf erhebliche organisatorische Defizite hin. Ich werde meinem Mandanten vorschlagen, dass wir uns an den Landesdatenschutzbeauftragten wenden. Möglicherweise ist es höchste Zeit, dass ich mal jemand von außen die Sache ansieht.

Wer zahlt für Strom?

Vermieter haften nicht für die Kosten von Strom, Wasser und Heizung, wenn ihr Mieter keinen eigenen Vertrag mit dem Energieversorger abschließt. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Der Eigentümer hatte sein Grundstück an den eigenen Sohn verpachtet. Im Vertrag war geregelt, dass der Sohn einen eigenständigen Versorgungsvertrag abschließt. Das tat er jedoch nicht, ließ sich aber mit Strom beliefern. Insgesamt liefen in knapp anderthalb Jahren 32.539,09 € auf. Da der Sohn als Pächter nicht zahlen wollte oder konnte, verklagte der Versorger den Grundstückseigentümer.

Laut Bundesgerichtshof ist aber nur der Sohn als Pächter Vertragspartner geworden. Denn dieser habe die „Verfügungsgewalt“ über das Objekt. Nehme er die Dienste des Versorgers in Anspruch, komme der Vertrag mit ihm zustande. Der Vater hafte als Verpächter auch nicht deswegen, weil er vor Übergabe des Grundstücks an seinen Sohn selbst für wenige Tage geringe Mengen Strom bezogen hatte. Wegen des „beiderseitigen Interesses an stabilen Vertragsbeziehungen“ kommt es nach Auffassung des Gerichts auf so kurze Nutzungsintervalle nicht an.

Der Vater muss nun nicht für die von seinem Sohn verursachten Stromkosten zahlen (Aktenzeichen VIII ZR 316/13).

Blitzer hinterm Ortsschild

Manche Tempomessungen werden als unfair empfunden, weil gleich hinter dem Verkehrsschild geblitzt wird. Das ist zwar nicht unzulässig, kann aber dazu führen, dass ein Regelfahrverbot nicht verhängt werden darf. Dies betont das Oberlandesgericht Celle in einer aktuellen Entscheidung.

Grundsätzlich soll der Abstand zwischen Verkehrsschild und Messung mindestens 150 Meter betragen. So ist es beispielsweise in den niedersächsischen Dienstvorschriften geregelt. Dieser Puffer darf nur mit gutem Gründen unterschritten werden, etwa an Gefahrenstellen.

In dem entschiedenen Fall war die Messstelle lediglich 145 beziehungsweise, von einer zweiten Auffahrt kommend, nur 130 Meter von dem Tempo-50-Schild entfernt. Hinzu kam, dass lediglich 37 Meter hinter dem Ortseingangsschild gemessen wurde. Das Ortseingangsschild spielt deswegen eine Rolle, weil der Tempoverstoß nur in der Stadt zu einem Fahrverbot geführt hätte.

Das Oberlandesgericht Celle verwies die Sache an das Amtsgericht zurück. Dieses muss nun genauer darlegen, wieso ein Fahrverbot gerechtfertigt war, obwohl die 150-Meter-Grenze unterschritten war (Aktenzeichen 2 SsBs 364/13).

Hoteliers haften nicht für ihr WLAN

Hotelbetreiber haften nicht für Urheberrechtsverletzungen, die ihre Gäste über den Internetanschluss des Hotels begehen. Das geht aus einem aktuellen Urteil des Amtsgerichts Hamburg hervor.

Ein Hotelier stellte lediglich seinen Gästen den Internetanschluss zur Verfügung. Dabei mussten diese die Nutzungsbedingungen akzeptieren, insbesondere die Haftung für eigenes Fehlverhalten übernehmen.

Dies hält das Amtsgericht Hamburg für ausreichend. Es folgte der Argumentation des Hoteliers, wonach viele (Geschäfts-)Kunden ausbleiben würden, wenn er kein ordentliches Internet zur Verfügung stelle. Der Wirt sei deswegen nicht zu übertriebenen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Insbesondere müsse er den Datenverkehr nicht mitschneiden – was datenschutzrechtlich sowieso nicht zulässig sein dürfte. Der Hotelier müsse aber auch keine Maßnahmen wie eine Portsperrung ergreifen.

Vor Gericht benannte der Hotelier übrigens jene Gäste, die über den Anschluss Filesharing betrieben haben sollen. Allerdings konnten die Abmahner nicht belegen, wer genau den Urheberrechtsverstoß begangen hat (Aktenzeichen 25b C 431/13).

Kein Opt-in am Telefon

Zufriedenheitsumfragen dürfen nicht dazu verwendet werden, bei Kunden das Einverständnis für künftige Werbung abzuluchsen. Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte eine Rüge, die der Datenschutzbeauftragte ausgesprochen hat.

Ein Berliner Zeitungsverlag hatte am Ende von solchen Umfragen stets fragen lassen, ob man dem Kunden künftig über „besonders schöne“ Medienangebote informieren dürfe.

Nach Auffassung der Datenschutzbehörde liegt schon in der telefonischen Frage eine unzulässige Nutzung personenbezogener Daten, und zwar für Werbezwecke. Werbung am Telefon sei aber nur erlaubt, wenn das Einverständnis des Kunden vorher eingeholt wurde.

Die Richter weisen darauf hin, Zufriedenheitsumfragen seien ja nur bei möglich, wenn die Befragten bereits Kunden sind. Die Betreffenden hätten aber wahrscheinlich aus gutem Grund bei Vertragsschluss eben gerade nicht zugestimmt, künftig Werbeanrufe zu erhalten (Aktenzeichen VG 1 K 253.12).

adidas lässt Online-Handel zu

Produkte von adidas werden künftig leichter online erhältlich sein. Auf Druck des Bundeskartellamtes lässt die Sportartikel-Firma künftig den Handel über das Internet grundsätzlich zu.

Bisher durften selbst autorisierte Fachhändler adidas-Produkte nur sehr eingeschränkt online verkaufen. Sie durften zwar eigene Online-Shops unterhalten, einzelne Waren aber nicht auf virtuellen Marktplätzen anbieten.

Das von adidas verhängte Verkaufsverbot erstreckte sich unter anderem auf große Plattformen wie ebay, Amazon Marketplace, Rakuten.de, Yatego.de, Hitmeister.de und meinPaket.de. Außerdem schränkte adidas Händlern die Verwendung des Markennamens in Suchmaschinen ein.

Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist es aber nicht erlaubt, komplette Vertriebswege zu sperren. Der Online-Handel spiele heute eine so gewichtige Rolle, dass Anbieter darauf angewiesen sind, nicht von dessen Möglichkeiten ausgeschlossen zu werden.

Auf die Intervention des Kartellamts änderte adidas nun seine Bedingungen. Auch mit der Konkurrenzfirma Asics spricht das Bundeskartellamt. Die Behörde betont, dass auch andere Markenhersteller ähnlich strenge Regeln verwenden oder planen. Dies dürfte nun schwieriger werden.

Müll muss auch mal warten

Wenn die Mülltonne wegen schlechten Wetters nicht rechtzeitig geleert wird, kann der Kunde des Entsorgungsbetriebs die Gebühren nicht einfach mindern. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Neustadt kommt das nur bei „gröblicher Störung“ in Betracht.

Ein Hauseigentümer im Landkreis Bad Dürkheim hatte eine Altpapiertonne, eine 120 Liter-Restmüll- sowie eine 120 Liter Biomülltonne. Im Winter 2012/2013 holte der private Abholbetrieb, den die Kommune beauftragt hatte, die Tonnen vier Mal wegen des schlechten Wetters nicht am vorgesehenen Tag ab. Sondern jeweils, wenn es das Wetter wieder zuließ.

Der Hauseigentümer beklagte vor Gericht eine Verschwendung von Steuergeldern, die Müllentsorger beriefen sich auf „höhere Gewalt“. Die Richter räumen zwar ein, dass auch im öffentlichen Gebührenrecht Schlechtleistung eine „Minderung“ rechtfertigen kann. Das sei aber nur der Fall, wenn sich sich ein spürbares Missverhältnis auftue.

Das sei aber hier nicht gegeben. Zum einen, weil die Leerung wegen des schlechten Wetters ausfiel, für das der Entsorger nichts könne. Zum anderen, weil der gesamte Müll abgefahren worden sei, nachdem es das Wetter wieder zuließ (Aktenzeichen 4 K 1119/13.NW).

Beamte in NRW kriegen zu wenig Geld

Besser bezahlte Beamte in Nordrhein-Westfalen können auf mehr Geld hoffen. Der Verfassungsgerichtshof des Landes hat die Besoldungsregeln der Beamten für verfassungswidrig erklärt. Kern der Beanstandung ist eine Regelung, die auf eine Nullrunde für besser bezahlte Beamte hinausläuft.

Die rot-grüne Landesregierung hatte für die unteren Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 die Bezüge um 5,6 % für erhöht. Die mittleren Gehaltsstufen A 11 und A 12 sollten noch 2 % bekommen, besser bezahlte Beamte und Richter sollten gar keine Lohnerhöhung erhalten.

Grundsätzlich, so das Gericht, sei der Gesetzgeber verpflichtet, die Bezüge der Beamten und Richter an eine positive Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen. Das bedeute zwar nicht unbedingt, dass die Löhne parallel zu den Einkommen sonstiger Beschäftigter steigen müssen.

Der weite Gestaltungsspielraum gehe aber nicht so weit, bei an sich fälligen Lohnerhöhungen innerhalb der Beamtenschaft zu differenzieren. Das komme höchstens in Frage, wenn eine Überversorgung abgebaut werden solle. Von einer solchen Überversorgung könne allerdings nicht die Rede sein.

Das Gesetz kippt also schon wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Über weitere mögliche Gründe hat das Gericht nach eigenen Angaben dann gar nicht entschieden.

Die NRW-Landesregierung kündigte an, das Gesetz zu ändern (Aktenzeichen VerfGH 21/13).

Früherer Beitrag im law blog

Daten bleiben beim Anbieter

Internetportale müssen nicht die Anmeldedaten von Nutzern herausgeben, die bei ihnen Kommentare oder Bewertungen einstellen. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden. Ein Arzt hatte geklagt, weil er sich auf einer Bewertungsplattform falsch dargestellt fühlte.

Das Internetportal hatte auf die Beschwerden des Arztes reagiert. Es löschte jeweils die Behauptungen, die nachweislich falsch waren. Damit wollte sich der Arzt jedoch nicht zufriedengeben. Er verlangte die Nutzerdaten desjenigen heraus, der die Kommentare hinterlassen hatte. Er bekam in zwei Instanzen recht, aber nun sah der Bundesgerichtshof die Sache völlig anders.

Die obersten Richter verweisen auf die gesetzliche Regelung in § 12 Telemediengesetz. Danach darf ein Diensteanbieter bei ihm gespeicherte Kundendaten nur herausgeben, wenn eine gesetzliche Vorschrift dies erlaubt und ausdrücklich auf das Telemediengesetz verweist. Diese Vorschrift, so das Gericht, gebe es für Private aber bislang nicht. Auch ein allgemeiner Auskunftsanspruch, wie ihn die Vorinstanzen bejaht hatten, reiche hier nicht aus.

Wäre die Grundsatzentscheidung anders ausgefallen, hätte dies weitreichende Folgen gehabt. Internetportale hätten dann bei Protesten nicht nur falsche Behauptungen aus dem Netz nehmen müssen (wozu sie auch verpflichtet sind). Sie hätten auf Beschwerden hin Nutzerdaten rausgeben müssen, ohne die Berechtigung des Anspruchstellers selbst näher überprüfen zu können. Das hätte geradezu zu Missbrauch eingeladen.

Zulässig bleibt aber der ausdrücklich vom Gesetz gestattete Zugriff von Ermittlungsbehörden auf Nutzerdaten, wenn dem Verdacht auf eine Straftat nachgegangen wird (Aktenzeichen VI ZR 345/13).