Anwaltskalender zu gewinnen

Vorweihnachtszeit? Ohne Verlosung im law blog quasi undenkbar. Wie jedes Jahr gibt es deshalb für die Leser zehn Exemplare des druckfrischen Anwaltskalenders des Karikaturisten wulkan zu gewinnen. Der Kalender enthält 12 humorvolle Juristenmotive im DIN-A-3-Format, alles in klassischem schwarz-weiß. Es handelt sich praktischerweise um den Kalender für das Jahr 2017.

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Wie immer machen wir es einfach. Wer einen der Juristenkalender 2017 gewinnen will, schreibt bitte bis zum 28. November 2016 einen Kommentar zu diesem Beitrag. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse hinterlassen. Die Gewinner werden ausschließlich über diese E-Mail-Adresse kontaktiert. Die E-Mail-Adressen geben wir nicht weiter und verwenden sie auch nicht für andere Zwecke. Unter allen Teilnehmern entscheidet das Los.

Fünf Kalender spendiert Karikaturist wulkan, die anderen bezahlt das law blog.

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Der Kalender wird noch vor Weihnachten frei Haus an den Gewinner oder eine Wunschadresse geschickt. Er eignet sich deshalb auch als Weihnachtsgeschenk für jemanden in der Fremde. Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch sehr gerne bei wulkan einen Kalender ordern. Der Preis beträgt 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind schnell und unkompliziert möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

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EGMR fühlt sich für verhaftete Türken nicht zuständig. Derzeit.

Eine türkische Richterin, die nach dem Putschversuch inhaftiert wurde, erhält keine Unterstützung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nach Auffassung des Gerichts ist die Beschwerde der Richterin derzeit unzulässig. Die Betroffene müsse zunächst das türkische Verfassungsgericht anrufen, heißt es in dem Beschluss.

Nach den Regeln des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist dieser normalerweise nur für Falle zuständig, in denen der Beschwerdeführer den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft hat. Das Gericht sieht es nicht als erwiesen an, dass das Verfassungsgericht in der Türkei derzeit tatsächlich nicht funktioniert. Ebenso wenig sei erkennbar, dass das Verfassungsgericht die Beschwerde der Richterin auf jeden Fall zurückgewiesen hätte. Die Richterin hatte angegeben, zwei Richter und etliche Anwälte am Verfassungsgericht seien ebenfalls verhaftet worden; ein faires Verfahren sei dort nicht mehr zu erwarten.

Beschuldigte in der Türkei können nach dieser klaren Ansage also erst mal nicht hoffen, dass ihnen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schnell zur Seite springt (Aktenzeichen 56511/16).

Keine Getränkelieferung am Sonntag

An Sonntagen und Feiertagen dürfen keine Getränke ausgeliefert werden. Das Verwaltungsgericht Münster bestätigt ein entsprechendes Verbot der Stadt gegenüber einem Lieferdienst. Begründet wird das Verbot mit der gesetzlich vorgeschriebenen Sonntagsruhe für Arbeitnehmer.

Am Sonntag müsse typische „werktätige Geschäftigkeit“ ruhen, heißt es in dem Beschluss. Der Tag sei zur Besinnung, seelischen Erhebung, persönlichen Ruhe, Erholung und Zerstreuung da, unabhängig von einer eventuellen Religionszugehörigkeit.

Die gesetzlichen Ausnahmeregeln für die Gastronomie (einschließlich Lieferdienste) gelten nach Auffassung des Gerichts nicht. Es sei den Kunden ohne weiteres zuzumuten, ihre Getränke werktags zu besorgen. Dass der Lieferdienst nach eigenen Angaben auf reges Interesse stoße, ändere an den vorrangigen Zielen der Sonntagsruhe nichts.

Der Lieferdienst darf an Sonn- und Feiertagen zunächst keine Arbeitnehmer mehr für die Lieferungen einsetzen. Der Beschluss erging im Eilverfahren und ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 1 L 1701/16).

Der Pfandbetrug, der vielleicht gar keiner war

Mit einer einzigen Pfandflasche ergaunerte sich ein 37-jähriger Kölner insgesamt rund 40.000 Euro Flaschenpfand. Nun ja, er brauchte allerdings auch noch einen Pfandautomaten für rund 5.000 Euro, den er geschickt manipulierte. Laut dem Amtsgericht Köln war die Aktion als Betrug strafbar. Ich habe da so meine Zweifel.

Zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung kassierte der 37-Jährige. Er hatte den Pfandautomaten so umgebaut, dass dieser das Pfandlogo zwar scannte und den Pfandbetrag vorläufig gutschrieb. Die nach den Bedingungen des Pfandsystems vorgeschriebene anschließende Vernichtung der Flasche und des Pfandlogos verhinderte er aber durch eine Holzkonstruktion. Die Vernichtung wurde nur simuliert. So konnte er die Flasche immer wieder vom Automaten einziehen lassen. Eine ermüdende, aber anscheinend auch lukrative Tätigkeit.

Einen Computerbetrug schloss das Gericht zutreffend aus, wie man in der Legal Tribune Online nachlesen kann. Denn ob die Flasche am Ende geshreddert wird, hat mit dem Datenverarbeitungsvorgang nichts zu tun. Damit hat der Angeklagte den entsprechenden Vorgang also nicht manipuliert, wie es § 263a StGB voraussetzt.

Leider wird nicht berichtet, wieso das Amtsgericht einen „normalen“, sogar gewerbsmäßigen Betrug bejahte. Ganz so flüssig wird dem Richter die Urteilsbegründung jedenfalls nicht aus der Feder fließen. Denn nach meiner Meinung fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB:

– Täuschung: Ich weiß schon gar nicht, wer da getäuscht worden sein soll. Bei der Tathandlung war der Mann allein mit seiner Pfandflasche, dem Pfandautomaten und seinem Radio, mit dem er etwas gegen die Monotonie ankämpfte. Es stellt sich also die Frage, wem da ein Bär aufgebunden worden sein soll.

Am naheliegendsten ist vielleicht noch die Tatbestandsalternative der „Unterdrückung wahrer Tatsachen“, indem der Angeklagte später über den Pfandautomaten die Gutschrift des registrierten Betrages durch das Pfandsystem veranlasste, obwohl die Flasche und das Logo entgegen den Pfandbedingungen gar nicht vernichtet waren.

Ich habe heute früh den Chef vom Lebensmittellladen um die Ecke gefragt. Dem ist gar nicht bekannt, dass die Meldungen der unzähligen Pfandautomaten – geht wohl fast alles online – tatsächlich noch von Menschen überprüft werden, die getäuscht werden könnten. Tatsächlich soll dem Pfandsystem ja auch nichts aufgefallen sein. Die Sache flog durch einen externen Tipp auf.

– Irrtum: Aber selbst wenn Menschen involviert waren, müsste ja auch ein Irrtum vorliegen. Der könnte dann nur darin liegen, dass nach den Pfandbedingungen die Flasche und das Logo nach dem Scan durch das Gerät vernichtet werden müssen. Fehlt es schon an einer manuellen Prüfung, kann es keinen menschlichen Irrtum geben. Gibt es wider Erwarten die Prüfung, stellt sich die Frage, wie weit denn jetzt tatsächlich überhaupt eine rechtsverbindliche Erklärung des Automatenbetreibers in die Richtung vorliegt, dass das Pfandlogo tatsächlich zerstört worden ist bzw. dass der Automat nicht manipuliert wurde.

Immerhin steht ein normaler Automatenbetreiber ja nicht ständig neben seinem Gerät. Und störungsanfällig sind die Kisten ja bekanntermaßen enorm. Letztlich geht es also weniger um Tatsachen, sondern um die Einhaltung (vertraglich) übernommener Pflichten. Die Einhaltung von Pflichten ist aber eine rechtliche Wertung bzw. eine Selbsteinschätzung, aber keine harte „Tatsache“ im eigentlichen Sinne des Gesetzes.

Ein wenig erinnert das Ganze an die sehr alte Kontroverse, ob Schwarzfahren ein Betrug sein kann, wenn es gar keine Kontrollen am Bahnsteig oder Schaffner in den Zügen gibt. Weil es eben an einer Täuschung fehlt, hat der Gesetzgeber den Tatbestand des Erschleichens von Leistungen geschaffen.

– Vermögensverfügung: Der auf der Täuschung beruhende Irrtum müsste ursächlich für die Vermögensverfügung gewesen sein. Das ist hier die Gutschrift des Pfandbetrages. Laut meinem Automatenbetreiber wird das Guthaben taggleich gutgeschrieben, und zwar ohne jede konkrete Prüfung, ob das Pfandlogo tatsächlich zerstört wurde. Letztlich kommt man zum nötigen inneren Zusammenhang also nur, wenn man die Manipulation beim Shreddermechanismus als maßgeblich ansieht. Aber das prüfen die menschlichen Mitarbeiter des Pfandsystems ja gar nicht, sofern es sie überhaupt gibt.

– Stoffgleichheit: Die Stoffgleichheit ist der abschließende Prüfungsschritt. Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung müssen einen inneren Zusammenhang haben, also zwei Seiten der gleichen Medaille sein. Da passt allerdings so einiges nur vordergründig zusammen, wie schon dargelegt.

Der Angeklagte wäre im Ergebnis deshalb schlau, wenn er das Urteil zumindest nicht als unverrückbar akzeptiert. Aber selbst wenn er das tun sollte, können wir sicher sein: Dieser Fall hat das Zeug zum Klassiker in Strafrechtsklausuren an der Universität und im Staatsexamen. Und die „richtigen“ Lösungen werden sehr, sehr zahlreich sein.

Recht durchsetzen, auch bei sich selbst

Die WAZ berichtet aus dem Amtsgericht Essen über Verfahren, in denen Übergriffe auf Polizeibeamte angeklagt sind. Herausgreifen will ich das in der Reportage geschilderte Verhalten der zuständigen Richterin:

Die Richterin unterbricht sein letztes Wort, steht ohne eine Sekunde innerer Beratungspause zum Urteil auf: Fünf Monate Haft mit Bewährung, 120 Stunden Sozialarbeit. „Es ist nicht immer einfach, das Recht durchzusetzen“, sagt sie.

Was für ein Glück für die Vorsitzende, dass der Angeklagte aus Kostengründen keinen Anwalt dabei hatte. Den Angeklagten beim letzten Wort zu unterbrechen oder ihm dieses gar zu entziehen, ist nämlich nicht gerade die feine Art. Der Angeklagte hat das Recht, als letzter vor der Urteilsverkündung zu sprechen. Und er ist keineswegs verpflichtet, dies nur zu Themen zu tun, welche die Richterin für ihr Urteil zu brauchen meint.

Dem Angeklagten das letzte Wort ohne sachlichen Grund (zum Beispiel Missbrauch durch endlose Ausführungen) nicht vollständig zu gewähren, ist nicht nur unhöflich. Es ist auch ein Rechtsverstoß durch die Richterin. So was kann zu einem erfolgreichen Befangenheitsantrag führen. Oder zu einer erfolgreichen Revision gegen das Urteil. Wobei Revisionen aus diesem Grund regelmäßig begründet sind (weil man ja nicht weiß, ob der Angeklagte noch etwas gesagt hätte, das zu einem Freispruch oder einem milderen Urteil geführt hätte).

Bei der Richterin handelt es sich übrigens um Margrit Lichtinghagen. Die frühere Staatsanwältin ist mit der Verhaftung des Ex-Postchefs Klaus Zumwinkel zu Ruhm gelangt. Schon als Strafverfolgerin in Bochum war sie kein einfacher Zeitgenosse. Auf ihrer neuen Stelle am Amtsgericht ist es mit ihr nicht einfacher geworden, wie ich selbst aus diversen Verfahren weiß.

„Es ist nicht immer einfach, das Recht durchzusetzen“, soll Frau Lichtinghagen am Ende der Verhandlung gesagt haben. Eine ganz wichtige Voraussetzung für dieses Anliegen ist es nach meiner Meinung, sich erst mal selbst ans Recht zu halten. Das fängt durchaus im Kleinen an.

Bizarre Erfolgsmeldung aus Brandenburg

Reichlich bizarr kommt nach meinem Empfinden eine Pressemeldung daher, mit der sich Staatsanwaltschaft und die Potsdamer Polizei der „weitestgehenden Aufklärung“ eines Verbrechens rühmen. Es geht um die Tötung einer 16-Jährigen, die im Jahr 1993 auf dem Weg zu einem Jugendtreff in Bad Belzig spurlos verschwunden war. Erst im Jahr 2000 wurden Leichenreste verscharrt auf einem verwilderten Grundstück nahe des Jugendtreffs gefunden. Die 16-Jährige war erschlagen worden. Doch auch der Leichenfund führte nicht zur Ermittlung eines Täters.

Zwar gab es früh einen Anfangsverdacht, dass zwei damals 13- und 14-Jährige das Mädchen erschlagen haben könnten. Aber selbst nach dem Leichenfund war ein Tatnachweis laut Polizei nicht möglich. Im Jahre 2012 rollte die Mordkommission des LKA Brandenburg den Fall nach eigenen Angaben noch einmal auf. Dabei soll umfassend ermittelt worden sein – ohne Ergebnis. Einen Tatnachweis konnten die Beamten nicht liefern.

Im Jahr 2016 starb dann der zur Tatzeit 14-Jährige. Nach seinem Tod meldeten sich Angehörige und Bekannte. Sie sagten aus, der 14-Jährige habe von einer Tatbeteiligung gesprochen. Außerdem habe er den 13-Jährigen als Mittäter belastet. Der noch lebende Verdächtige wurde daraufhin an seinem neuen Wohnort in Österreich ermittelt.

Als Beschuldigten wollten ihn die Beamten gar nicht vernehmen, sondern nur als Zeugen. Grund: Mit 13 Jahren war der Mann seinerzeit strafunmündig (§ 19 StGB). Selbst wenn er an der Tötung beteiligt gewesen wäre, könnte er dafür nicht bestraft werden. Bei seiner Befragung hat der Mann die Tatbeteiligung seines damaligen Freundes „zumindest nicht bestritten“, heißt es in der Pressemitteilung. Zu seiner Beteiligung wollte er nach Angaben der Polizei erst etwas sagen, nachdem er mit seiner Familie gesprochen hatte.

Zu einer weiteren Zeugenvernehmung kam es jedoch nicht mehr. Drei Tage später wurde der Mann tot aufgefunden; die Polizei sieht „sichere Anhaltspunkte“ für eine Selbsttötung.

Bei dem Sachstand frage ich mich: Wo ist sie denn, die „weitestgehende Aufklärung“ des Falles? Können die Ermittler den Angehörigen nun tatsächlich sagen, was sich im Jahr 1993 zugetragen hat? Was die beiden jungen Männer tatsächlich getan haben und was sie bewegt hat? Und was nicht? Sind der Tod und der Selbstmord sowie die offenbar eher vagen Angabe der Angehörigen sowie des damals 13-Jährigen tatsächlich tragfähige Belege dafür, dass es die beiden wirklich waren? Und wenn ja, waren sie es wirklich allein?

Für mich klingt das eher nach einem Fall, der heute noch jede Menge Fragezeichen verdient. Auch was die Polizeiarbeit betrifft. Zum Beispiel der Umstand, dass eine in der Nähe des Tatorts verscharrte Leiche trotz einer riesigen Suche zunächst nicht gefunden wurde. Oder die Frage, wieso es auch bei den neu aufgerollten Ermittlungen trotz verbesserter technischer Möglichkeiten nicht gelang, den Verdacht, der sich durch die zwei Tode nun zweifellos verdichtet hat, schon weit früher justiziabel zu machen – und die Aufklärung nicht der „Eigeninitiative“ der mutmaßlichen Täter zu überlassen.

Aber es ist halt Geschmackssache, was man unter „weitestgehend“ versteht.

Ergänzende Infos aus diesem RBB-Bericht

Gericht ratlos über den eigenen Sitzungssaal

Etwas holperig ist in München der neue Gerichtssaal in Betrieb genommen worden, in dem Verfahren mit hoher Gefährdungslage verhandelt werden sollen. 17 Millionen Euro hat das Land Bayern investiert.

Zu Prozessbeginn monierten Verteidiger fragwürdige Einlasskontrollen und unklare Bedingungen für das Gerichts-WLAN, auf dessen Nutzung sie wegen schlechten/geblockten bzw. nicht vorhandenen Mobilfunknetzes wohl angewiesen sind.

Im Mittelpunkt der Kritik stand der Umstand, dass der Saal mit Überwachungskameras ausgestattet ist. Die Anwälte fürchten nachvollziehbar, dass sie in dem Saal nicht unbeobachtet Kameras ihrer Arbeit nachgehen können. Oder dass gar auf ihre Verteidigungsunterlagen oder Notebooks gezoomt und Gespräche mitgehört werden. Schon das greifbare Risiko, das so was passiert, würde die Verteidigung unzumutbar behindern.

Überdies gibt es ein gesetzliches Verbot von Bild- und Tonaufnahmen im Gerichtssaal (§ 169 GVG). Dieses Verbot ist aber nicht unbedingt einschlägig. Es gilt nur für Aufnahmen, die zur Veröffentlichung gedacht sind oder sein könnten. „Justizinterne“ Aufnahmen von Gerichtsverhandlungen, möglicherweise sogar auf Antrag der Verteidigung, sind gesetzlich gerade nicht von vornherein ausgeschlossen – wenn auch in der Praxis eine extreme Seltenheit.

Der Vorsitzende Richter sagte laut Berichten, er und seine Kammer wüssten nicht, was die Kameras im Gerichtssaal können. Das Gericht sehe ein, dass die Verteidigung so nicht arbeiten könne. Damit war der erste Prozesstag auch schon zu Ende.

Bis zum nächsten Verhandlungstag am Freitag wird das Gericht sicher etwas schlauer sein. Ich hoffe stark, auch im eigenen Interesse. Denn es dürfte an sich auch Richtern mit ein wenig Selbstachtung nicht egal sein, ob einsatzbereite und fremdgesteuerte Videokameras an den Wänden ihres Gerichtssals hängen.

Update: Der Sitzungssaal bleibt bis auf weiteres geschlossen – wegen der Klos

Ein Wunderdings namens Zweitakte

Ab und zu, nicht sehr oft, lege ich Dienstaufsichtsbeschwerden ein. Im jüngsten Fall traf es eine Staatsanwältin. Diese war überhaupt nicht amused. Das merkte ich gleich, als zu mir aufs Handy durchgestellt wurde.

Die anfänglichen athmosphärischen Störungen entluden sich schnell, dann konnten wir das Gespräch sachlich fortsetzen. Ich hatte mich für meinen Mandanten darüber beklagt, dass die Entscheidung nach Abschluss eines Verfahrens, ob sichergestellte Gegenstände einbehalten werden, übermäßig lange dauert und auch wichtige Formvorschriften nicht beachtet wurden.

Das Hauptargument meiner Gesprächspartnerin war aber nicht, dass alles korrekt gelaufen ist. Sondern eher, dass ihr ja jetzt leider durch die Dienstaufsichtsbeschwerde die Hände gebunden seien. Sie müsse die Akte dem Vorgesetzten sofort vorlegen, dieser schicke sie dann an den obersten Behördenleiter, die Prüfung dauere bekanntermaßen länger. Und überhaupt. Im Ergebnis war es also der Ratschlag, die Beschwerde zurückzunehmen, damit es nun doch zügiger geht. Das sei doch das wesentliche Interesse meines Mandanten.

Nun, vielen Dank für die Beratung. Ich konnte dazu nur sagen, dass es meinem – zu Recht verärgerten – Mandanten nach den bisher leidvollen Erfahrungen dann auch nicht mehr auf ein paar Tage oder Wochen ankommen dürfte. Im übrigen gebe es ja ein einfaches Rezept, um als Staatsanwaltschaft die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten, während die Akte wegen einer Dienstaufsichtsbeschwerde in die höheren Etagen wandert.

Man kann die Akte kopieren.

Und mit dieser sogenannten Zweitschrift arbeiten.

Das wäre doch auch eine Lösung, regte ich an. Als viel bessere Lösung fiel mir allerdings noch ein, dass ich die Beschwerde natürlich gerne zurücknehme und dann nicht mehr auf (dann) ollen Kamellen rumreite, wenn die Sache kurzfristig mit einer vernünftigen Entscheidung zu Gunsten meines Mandanten abgeschlossen wird – was aus meiner Sicht juristisch höchst vertretbar wäre.

Immerhin, meine Anregungen wurden zur Kenntnis genommen und ich soll „kurzfristig“ ein Feedback erhalten. Ich bin ein klein gespannt, ob es am Ende vielleicht doch zur Ideallösung reicht.

Nachtrag: Ideallösung.

BKA-Datei zu Rauschgiftdelikten ist mangelhaft

Das Bundeskriminalamt speichert in einer Verbunddatei teilweise auch die Daten kleiner Kiffer oder gar unverdächtiger Personen. Das geschieht rechtswidrig, meint die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Die Behörde unter Leitung von Andrea Voßhoff hatte in Zusammenarbeit mit Landesdatenschützern erstmals die „Falldatei Rauschgift“ des Bundeskriminalamtes unter die Lupe genommen.

Die Falldatei Rauschgift ist Teil der INPOL-Datenbank. An sich dürfen hier Rauschgiftdelikte gespeichert werden. Aber nur wenn es sich um Straftaten mit länderübergreifender oder erheblicher Bedeutung handelt. Jede Speicherung muss nach dem Gesetz einzeln geprüft und in einer sogenannten Negativprognose begründet werden. In der Praxis fanden sich zahlreiche Mängel.

So fanden die Datenschützer Einträge zu Bagatellfällen wie dem Konsum eines Joints. Auch die Daten des Gastgebers einer Privatparty wurden gespeichert, in dessen Toilette Gäste Drogen konsumiert hatten. Ein Apotheker wurde registriert, nachdem ein Kunde rezeptpflichtige Medikamente gestohlen hatte. Bei einer Vielzahl von Einträgen fehlten die geforderten Negativprogosen, in denen begründet wird, warum mit weiteren Straftaten zu rechnen ist. In etlichen Fällen wurde nicht überprüft, ob Daten nach Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen gelöscht werden müssen. Häufig fehlten die dafür notwendigen Rückmeldungen der Staatsanwaltschaft.

„Die Kriminalämter müssen hier nachbessern und auch Daten löschen“, erklärt Andrea Voßhoff. Kriminalitätsbekämpfung rechtfertige keine Verstöße gegen den Datenschutz. Eine Vielzahl personenbezogene Daten von Menschen dürfe ohne tragfähige Begründung nicht bundesweit abrufbar sein.

Es handelte sich um die erste gemeinsame Kontrolle der Bundes- und Landesbeauftragten für den Datenschutz. In ihrer Pressemitteilung mahnt Voßhoff an, auch in anderen Verbunddateien des Bundeskriminalamtes müssten die grundlegenden Regeln für die Speicherung eingehalten werden.

Mit weiteren Kontrollen dürfte deshalb zu rechnen sein.

Klare Prioriäten

Aus dem Bericht der Polizei über eine Hausdurchsuchung:

Zum Abschluss der Maßnahme wurde Herr J. gefragt, ob er nunmehr einen Rechtsanwalt aufsuchen würde, woraufhin er erklärte, dass er zunächst seinen Therapeuten aufsucht.

Möglicherweise. Eventuell.

Die Hausdurchsuchung bei meinem Mandanten lief schon einige Zeit, als er dann doch kalte Füße bekam. Er wollte mit mir als seinen Anwalt telefonieren. Was die Polizeibeamten ihm nicht versagen durften. Und es auch nicht taten.

So hatte ich dann also zunächst den Ermittlungsführer am Telefon. Der schilderte mir kurz den Tatvorwurf, nämlich dass mein Mandant über eine dritte Person möglicherweise Chemikalien im Internet bestellt haben könnte, die eventuell zum Bombenbau geeignet sein könnten.

Möglicherweise.

Eventuell.

Insgesamt jede Menge Ungewissheiten, die offenbar auch dem Ermittlungsrichter sofort ins Auge fielen. Der Richter weigerte sich, einen Durchsuchungsbeschluss gegen meinen Mandanten zu erlassen. Er sah keinen Anfangsverdacht, sondern allenfalls straflose Vorbereitungshandlungen. Was die Polizisten aber nicht daran hinderte, auf Anweisung des Staatsanwalts doch zu einer Durchsuchung bei meinem Mandanten anzurücken.

Allerdings waren dem Staatsanwalt die Hände gebunden. Früher hätte er trotz der negativen Entscheidung des Ermittlungsrichters die Durchsuchung sogar noch selbst anordnen können. Trotz des richterlichen Neins hätte er zum Beispiel „Gefahr im Verzug“ bejahen können.

Das ist heute nicht mehr möglich, denn das Bundesverfassungsgericht hat letztes Jahr entschieden, was eigentlich auf der Hand liegt: War der Richter mit der Sache befasst und hat er einen Durchsuchungsbeschluss abgelehnt, steht dem Staatsanwalt keine eigene Eilkompetenz mehr zu. Das Nein des Richters ist also bindend.

Sehr kreativ kriegten die Polizisten eine andere Marschroute. Sie sollten offenbar meinen Mandanten so lange belatschern, bis er sich „freiwillig“ mit einer Durchsuchung einverstanden erklärte. Das war wohl auch zunächst erfolgreich, bis mein Mandant nach Beginn der Durchsuchung doch leise Zweifel bekam, ob das alles korrekt abläuft.

Von der angeblichen „Freiwilligkeit“ konnte ich nach meinem Gespräch mit dem Beamten auch nicht mehr viel erkennen. Der Ermittlungsführer räumte ein, mein Mandant habe gefragt, ob es einen Durchsuchungsbeschluss gibt. Das habe er verneint. Was er aber wohl für sich behielt oder zumindest nicht mal ansatzweise deutlich machte, war der Umstand, dass ein Richter den Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich abgelehnt hatte. Ich bin mir sicher, dass mein Mandant es sich bei Kenntnis dieses Details noch einige Male wesentlich intensiver überlegt hätte, ob er tatsächlich „freiwillig“ der Durchsuchung zustimmt.

In so einer Konstellation verlangt das Bundesverfassungsgericht offene Worte gegenüber dem Beschuldigten. Er muss darüber belehrt werden, dass die Durchsuchung auch wirklich nicht stattfindet, wenn er es nicht will. Dazu gehört meiner Meinung nach auch eine ehrliche Information darüber, dass ein Richter die Durchsuchung gerade nicht gestattet hat. „Der Beschuldigte hat ja nicht danach gefragt“, wäre hier wohl keine taugliche Ausrede.

Das alles schien dem Beamten auch einigermaßen klar zu sein. Jedenfalls reagierte er in der einzig richtigen Weise, als ich für meinen Mandanten jedwedes Einverständnis mit sofortiger Wirkung widerrief. Die Durchsuchung war an dieser Stelle zu Ende, man verabschiedete sich höflich.

Wer Propaganda teilt, darf nicht zur Polizei

Schon die bloße Verbreitung islamistischen Materials im Internet führt dazu, dass ein Bewerber keinen Ausbildungsplatz bei der Bundespolizei erhält. Wer Propagandamaterial teile, begründe den Verdacht, dass er nicht ausreichend fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. So entschied das Verwaltungsgericht Koblenz in einer Eilentscheidung.

Ein Bewerber um einen Ausbildungsplatz bei der Bundespolizei hatte in sozialen Netzwerken etliche Propaganda-Videos eingestellt. Unter anderem teilte er einen Clip, in dem es heißt, es sei eine größere Sünde, nicht zu beten, als einen Menschen zu töten. Vor diesem Hintergrund lehnte die Bundespolizei seine Einstellung ab.

Laut dem Gericht muss ein angehender Beamter Gewähr dafür bieten, dass er sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennt. Beim Betroffenen gebe es hieran Zweifel. Auch wenn er nur fremde Inhalte geteilt habe, fehle es an jedweder Distanzierung. Deshalb seien die Zweifel an seiner Eignung berechtigt (Aktenzeichen 2 L 11591/16.KO).

Crystal Meth ist nichts für Lkw-Fahrer

Was ein Arbeitnehmer so in seiner Freizeit schluckt, geht den Chef nichts an. Normalerweise. Wird einem Lkw-Fahrer aber der Konsum von Crystal Meth nachgewiesen, kann dies die fristlose Kündigung rechtfertigen. Und das nach Auffassng des Bundesarbeitsgerichts sogar dann, wenn der Lkw-Fahrer bei Beginn seiner Schickt wieder fit war.

Der Lkw-Fahrer hatte am Samstag privat Crystal Meth konsumiert. Am Montag war er nach den Feststellungen des Gerichts an sich wieder leistungsfähig. Jedoch wurden bei einer Polizeikontrolle Abbaustoffe der Drogen in seinem Blut festgestellt. Ein Berufskraftfahrer dürfe seine Fahrtüchtigkeit grundsätzlich nicht durch harte Drogen gefährden, so das Bundesarbeitsgericht. Es spiele auch keine Rolle, ob die Drogen vor der während der Arbeitszeit konsumiert wurden.

Die Vorinstanzen hatten das noch anders gesehen. Sie hielten eine fristlose Kündigung für unverhältnismäßig, weil das Verhalten des Lkw-Fahrers nicht zu einer erhöhten Gefahr geführt habe (Aktenzeichen 6 AZR 471/15).

Schlafmohnkapseln sind nicht für den Import geeignet

Die „nicht geringe Menge“ spielt bei Betäubungsmitteln eine große Rolle. Denn bei einer nicht geringen Menge fangen meist die wirklich happigen Strafen an. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der Bundesgerichtshof sich auch mit der Frage beschäftigen musste, wann bei getrockneten Schlafmohnkapseln eine nicht geringe Menge vorliegt.

Schlafmohn wird in einigen Ländern legal produziert und verkauft, zum Beispiel in Österreich und der Schweiz. In einem Wiener Bezirk gibt es zum Beispiel einen recht bekannten Shop (wenn man weiß, dass der Laden hinter einer grünen, ansonsten unbeschrifteten Tür ist). Aus Österreich bezog auch der Angeklagte in dem Strafverfahren seine Schlafmohnkapseln. 48 Kilogramm waren es insgesamt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den Mann wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu knapp sechs Jahren Freiheitsstrafe.

Dabei setzte das Landgericht den Grenzwert der nicht geringen Menge für getrocknete Schlafmohnkapseln auf 6 Gramm Morhpinhydrochlorid fest. Das entspricht ungefähr den 4,5 Gramm Wirkstoff, die der Bundesgerichtshof für intravenös injizierte Morphinzubereitungen als nicht geringe Menge ansieht.

Der Bundesgerichtshof bemängelt an dieser Entscheidung aber, dass sie zu wenig Rücksicht auf die Verabreichungsform und Gefährlichkeit nimmt. Immerhin hatten die Schlafmohnkapseln nur einen Wirkstoffanteil von maximal 1,55 %. Zutreffend, so das Gericht unter Berufung auf Experten, sei die nicht geringe Menge bei getrockneten Schlafmohnkapseln auf 70 Gramm Wirkstoff festzusetzen. Dieser Wert wird also künftig gelten. Der Angeklagte kann in der Neuverhandlung seines Falles mit einer deutlich geringeren Strafe rechnen (Aktenzeichen 1 StR 492/15).

Gericht: GEMA-Meldungen schaffen Klarheit

Die Sängerin Julia Neigel ist mit ihrem Versuch gescheitert, für sich vor Gericht einen höheren Anteil an den GEMA-Erlösen für die Songs der „Jule Neigel Band“ zu erstreiten. Neigel hatte Ex-Band-Kollegen mit der Begründung verklagt, diese hätten weit weniger zu den gemeinsamen Songs beigetragen als gegenüber der GEMA gemeldet.

Die Jule Neigel Band veröffentlichte zwischen 1988 und 1998 insgesamt acht Alben, von denen die meisten kommerziell sehr erfolgreich waren. Lange nach dem Ende der Band reklamierte Neigel höhere GEMA-Ausschüttungen für sich, weil sie die Gesangsmelodien geschrieben habe. Die Anteile der anderen Musiker fielen dagegen nicht ins Gewicht.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilte jetzt aber nach einer Beweisaufnahme, die Meldungen an die GEMA hätten seinerzeit auch dazu gedient, „Unsicherheiten über den Umfang der Beteiligung an den einzelnen Kompositionen zu beseitigen sowie variierende Beteiligungsintensitäten von Komposition zu Komposition auszugleichen“. Somit hätten die Meldungen die Funktion eines Vergleichs. Neigel könne das nachträglich nicht mehr in Frage stellen. Dass die Künstlerin arglistig getäuscht wurde, konnte das Gericht nicht feststellen (Aktenzeichen 6 U 103/12).