Hier sind 200 Seiten Papier

Manche Anzeigenerstatter machen es sich wirklich leicht. Und deren Anwälte auch. Zum Beispiel eine Rechtsanwältin, die für ihren Mandanten knapp 200 Seiten Papier einreichte. Alles Ausdrucke von Chatverläufen, E-Mails und Facebook-Posts meines Mandanten.

Verbunden war das mit der Behauptung, mein Mandant habe den Anzeigenerstatter beleidigt oder ihm übel nachgeredet. Der Text der Strafanzeige und des Strafantrags sagte aber mit keinem Wort, wo in den 200 Seiten denn die bösen Taten zu finden sind. Bei einer groben Durchsicht konnte ich beim besten Willen nichts finden, was die Grenzen der Meinungsfreiheit erkennbar überschreitet. Und schon gar nichts, was strafbar sein könnte.

Dementsprechend schrieb ich an die Staatsanwaltschaft:

Ein kurzes Blättern in den Unterlagen wird sehr schnell ergeben, dass die Vorwürfe gegen unseren Mandanten nicht tragfähig sind. Es sind keinerlei Äußerungen ersichtlich, die einen Straftatbestand erfüllen könnten.

Es ist überdies nicht Aufgabe der Ermittlungsbehörden, sich ins Blaue hinein durch einen Berg Papier zu kämpfen und jede Zeile „vorsorglich“ auf die Waagschale zu legen. Überdies hat ja auch die Polizei den Abschlussvermerk schon sehr kurz gehalten. Tatsachen, die auf eine konkrete Straftat hindeuten, führt die ermittelnde Beamtin jedenfalls nicht auf.

Ich lag wohl richtig in der Annahme, dass der Staatsanwalt auch Besseres zu tun hatte, als im Trüben zu fischen. Die Einstellungsmitteilung kam postwendend.

Unzulässig

Im Gestrüpp der revisionsrechtlichen Formvorschriften, die weitgehend auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren gelten, kann man sich leicht ganz übel verheddern. Das passiert oft Betroffenen, mitunter Rechtsanwälten und und ganz, ganz selten auch mal Richtern.

Ein Mitglied der letztgenannten Gruppe schickt jetzt ein schneidiges Schreiben an Herrn J. Der hatte in einer Bußgeldsache in die Röhre geschaut, wollte das Urteil aber nicht auf sich beruhen lassen. Deswegen legte er schriftlich Rechtsbeschwerde ein, denn verteidigt hatte er sich ja auch selbst. Das geht problemlos mit einem Brief oder einem Fax, einen Anwalt braucht man hierfür nicht.

Die später fällige Begründung der Rechtsbeschwerde kann man als Betroffener aber nicht schriftlich einreichen. Das geht nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts, wo man einem Rechtspfleger die Begründung in den Block diktieren kann. Oder durch einen Rechtsanwalt. Genau darin sah das Gericht die Versäumnis meines Mandanten: Die Begründung der Rechtsbeschwerde sei weder durch eine Erklärung auf der Geschäftsstelle noch durch einen Anwalt erfolgt. Deshalb sei die Rechtsbeschwerde unzulässig und müsse verworfen werden. Das werde auch innerhalb von einer Woche passieren, es sei denn, der Betroffene nehme das Rechtsmittel von sich aus zurück.

Aber halt, es gibt auch noch eine dritte Möglichkeit. Nämlich die, dass die Richterin auf dem Holzweg ist. Sie hat nämlich übersehen, dass die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zwar einen Monat beträgt. Aber zu laufen beginnt die Frist nicht am Tag des Urteils, sondern erst wenn dem Betroffenen das (schriftliche) Urteil zugestellt wird (§ 345 StPO).

Nun ja, in dem Fall gibt es aber noch gar kein schriftliches Urteil. Und falls es doch in einer Schublade schlummern sollte – bekommen hat es der Betroffene jedenfalls noch nicht. Vielleicht war auf der Richterseite neben einer Portion Fahrlässigkeit auch etwas Wunschdenken im Spiel. Ein Urteil rechtskräftig zu bekommen, ohne dass es überhaupt geschrieben werden musste, wäre ja irgendwie schon ganz nett.

Wird aber nicht klappen…