Neue Akzente bei aktiver Sterbehilfe

An dem Sterbewunsch eines schwerkranken Mannes bestand kein Zweifel. Außer Frage steht auch, dass ihm seine Frau beim Sterben half, indem die gelernte Krankenschwester ihm große Mengen Insulin verabreichte, an denen er verstarb. Ob sich die Ehefrau damit strafbar gemacht hat, musste der Bundesgerichtshof nun entscheiden. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau nicht zu bestrafen ist – im Gegensatz zur Vorinstanz.

An sich klingt der Sachverhalt nach einer Tötung auf Verlangen, die nach § 216 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann. In der Tat hatte das Landgericht Stendal eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verhängt. Natürlich spielen noch andere Punkte eine wichtige Rolle. So hatte der Mann zunächst selbst alle Schmerzmittel eingenommen, die sich im Haus fanden. Auch diese Mittel wären tödlich gewesen, jedoch wirkte das von der Frau gespritzte Insulin schneller.

Der Bundesgerichtshof sieht es deshalb als „letztlich dem Zufall geschuldet, dass das Insulin seinen Tod verursachte, während die Medikamente ihre tödliche Wirkung erst zu einem späteren Zeitpunkt entfaltet hätten“. Darin erkennt der Bundesgerichtshof nun einen „einen einheitlichen lebensbeendenden Akt“, über dessen Ausführung allein der Mann bestimmt habe. Die Frau habe ihm das Insulin lediglich gespritzt, weil er aufgrund seiner Erkrankung dazu nicht selbst in der Lage war.

Wenn klar unterschiedliche Handlungen ein einheitlicher Akt sein können, es auf die eigentliche Todesursache nicht unbedingt ankommt und letztlich der Wille des Kranken ausschlaggebend ist, eröffnet sich ein deutlich erweiterter Spielraum für die Unterstützung bei Bilanzsuiziden als bisher. Dementsprechend gibt es auch bereits Kritik an dem Beschluss. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht gar einen „Dammbruch bei der aktiven Sterbehilfe“ (Aktenzeichen 6 StR 68/21).