Ein Wimpernschlag bis zum Prädikatsexamen

Das Prädikatsexamen ist natürlich der Wunschtraum jedes angehenden Volljuristen. Der Weg bis dahin war für eine Referendarin aus Hessen aber ein wilder Ritt. Die Klausuren in der Zweiten Staatsprüfung lagen zwischen fünf und elf Punkten. Die vorherigen Stationsnoten waren dagegen durchgehen prima, die Wahlstation strahlte gar mit einer Supernote von 16 Punkten. Und dann die mündliche Prüfung: elf Punkte im Kurzvortrag, zehn im Zivilrecht, dreizehn im Strafrecht, zwölf im Öffentlichen Recht. Doch am Ende steht auf dem Zeugnis: 8,95 Punkte. Einen Wimpernschlag, einen Hauch, ein mickriges 0,05-Punkte-Lüftchen entfernt von der magischen 9, dem „vollbefriedigend“ und damit dem sogenannten Prädikatsexamen.

Die Kandidatin war nicht bereit, diese mathematische Kluft zu hinzunehmen. Sie beanstandete das Ergebnis, zog bis vor das Verwaltungsgericht Wiesbaden, in der Hoffnung, die Prüfungskommission möge ein Einsehen haben und die Note nach oben runden. Die Kommission, so argumentierte sie, habe ihr Ermessen missbraucht, als sie den Notensprung verweigerte. Schließlich hatte die Kandidatin auch in der mündlichen Prüfung solide geliefert, und ihre Stationsnoten deuteten ebenfalls eher Richtung Prädikat.

Doch das Verwaltungsgericht zeigte sich ebenso unerbittlich wie die amtlichen Prüfer. 8,95 ist 8,95 – und nicht 9,00, sagt das Gericht zusammengefasst, und Ermessen ist kein Wunschkonzert. Zwar habe die Prüfungskommission in der Tat Fehler gemacht, aber diese Fehler seien bei der späteren, mehrfachen Überprüfung des Ergebnisses wettgemacht worden. Letztlich weigert sich das Gericht, den Entscheidungsspielraum der Prüfer durch einen eigenen zu ersetzen. Aber immerhin werden Juristen ja momentan stark gesucht, vielleicht ist der Betroffenen die Karriere also gar nicht so sehr verbaut.

Aktenzeichen 7 K 298/25.WI