Wer sich aus Protest auf die Straße klebt, riskierte bisher Verfahren wegen Nötigung. Nun kommt möglicherweise ein weiterer Paragraf hinzu: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Das Kammergericht Berlin stellt in einem Urteil fest: Wer sich mit Sekundenkleber auf die Straße pappt, übt Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte aus und leistet deshalb strafbaren Widerstand.
Ein Klimaaktivist hatte sich in Berlin auf eine vielbefahrene Kreuzung geklebt, um den Verkehr lahmzulegen. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sprach den Mann zunächst in zwei Fällen frei. Die Staatsanwaltschaft legte Sprungrevision ein, und das Kammergericht sah die Sache anders: Das gezielte Festkleben mit Sekundenkleber sei ein „materielles Zwangsmittel“, das die Arbeit der Polizei erschwert. Sprich: Es handelt sich um Gewalt im Sinne von § 113 StGB. Das Amtsgericht muss den Fall nun erneut entscheiden.
Das Kammergericht sagt zur Begründung, das Auftragen des Klebers und das Andrücken der Hand auf die Straße seien aktive Handlungen. Durch diese werde die Polizeiarbeit physisch behindert. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der so verstandenen Widerstandshandlung und ihrem Erfolg sei nicht erforderlich. Anders sah es jüngst das Oberlandesgericht Dresden, das solche Aktionen nicht als Gewalt einstufte. Allerdings hatten in dem Dresdner Fall die Polizisten die Demonstranten nicht losgerissen, sondern ihre Hände mit Öl und Zitronensaft eingeweicht (Aktenzeichen 3 ORs 22/25).