Das Grundgesetz verbietet es nicht, rechts zu sein

NIUS hat vorhin die sachliche Stellungnahme des rheinland-pfälzischen Innenministeriums zur Nichtzulassung des AfD-Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt In Ludwigshafen veröffentlicht. Der Wahlausschuss hatte die Kandidatur des AfD-Politikers Joachim Paul wegen angeblicher Zweifel an dessen Verfassungstreue abgelehnt – und die AfD damit faktisch aus der für den 21. September Wahl des Stadtoberhaupts herausgekickt. Ein für Anhänger des Demokratieprinzips sehr bedrückender Vorgang, das nun geleakte Papier verstärkt allerdings das Störgefühl bei mir fast zu einem Würgereiz.

Zunächst mal beruht das Schreiben offenbar auf Denunziation. Das Ministerium antwortet in Person des Abteilungsleiters Verfassungsschutz auf „Hinweise“, welche die amtierende Oberbürgermeisterin (früher SPD, jetzt parteilos) als Wahlleiterin gegeben haben soll. Das Ganze ist also eine Art Auftragsarbeit, offenkundig mit dem Ziel initiiert, etwas Konkretes gegen den AfD-Kandidaten ins Feld führen zu können. An sich beschränkt sich die Rolle der Wahlausschüsse traditionell auf das Vorliegen formaler Voraussetzungen. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, ob einem Kandidaten das passive Wahlrecht möglicherweise durch Strafurteil entzogen ist, ob er seinen Wohnsitz an einem zulässigen Ort hat und ob er womöglich unter Betreuung steht.

In Abkehr davon und aus offenkundiger Furcht vor der AfD wird nun also also der Verfassungsschutz aktiv angestoßen, um Munition gegen einen offenkundig unliebsamen Kandidaten zu liefern. Statt dem Wähler die Entscheidung zu überlassen, wird also vorher ausgesiebt. Ich bemühe jetzt gar nicht langatmig den Vergleich, aus welchen Ländern und Gesellschaftsordnungen man so was kennt. Das weiß jeder – sofern er es noch wissen will.

Was der Verfassungsschutz liefert, ist ein wildes Konglomerat aus Bulletpoints. Der Kandidat soll mal irgendwie Kontakt zum sehr rechten Herrn Sellner gehabt haben, er soll Veranstaltungen aufgesucht haben (welche Überraschung bei einem Politiker). Er war möglicherweise an der Organisation des Stolzmonats beteiligt und es wird kolportiert, er habe möglicherweise mal einen Fistbum gezeigt, der als White-Power-Gruß verstanden werden könnte. Alles zwar nicht strafbar, aber halt irgendwie rechts.

Man kann dieses wüste Kompromat mit der Schilderung politischer Aktivitäten natürlich inhaltlich sezieren. Aber erschreckend ist vor allem die Methode. Der Verfassungsschutz lässt via Ministerium ganz klar mitteilen, dass man auf die Nachfrage hin halt mal ein bisschen gegoogelt und aus dem Internetz rauskopiert hat, was man so über den Kandidaten findet. Das alles wird weder in eine Struktur gebracht noch inhaltlich fundiert und vor allem im Zusammenhang bewertet.

Diese Zurückhaltung der Behörde ist aber auch positiv zu werten. Immerhin traut man sich kein „Urteil“ über die Verfassungstreue des Kandidaten zu. Immerhin ehrlich ist auch das ausdrückliche Eingeständnis, dass die Indiziensammlung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Man erfährt also nicht, was der Kandidat auch sonst so sagt. Selbst die Menge des Textes ist nur vordergründig beeindruckend. Knapp die Hälfte des Schreibens besteht aus einem banalen Glossar mit Begriffserklärungen.

Man kann den Kandidaten Paul durchaus für rechts halten. Aber das Geschreibsel des Verfassungsschutzes ist nicht mal ansatzweise ein Beleg dafür, dass der Kandidat und letztlich seine Partei den Wählern vorenthalten werden muss. Das Grundgesetz verbietet es nicht, rechts zu sein. Umso schlimmer, dass solche Vorgänge fast Alltag werden. Auch in Nordrhein-Westfalen wurden in den letzten Tagen AfD-Kandidaten als Verfassungsfeinde gebrandmarkt und von Wahlen ausgeschlossen.

Die Verantwortlichen sollten ganz schnell innehalten und überlegen, wer hier eigentlich gerade die Demokratie zerstört, und das leider auch noch ebenso offen wie bösartig vor den Augen des noch einigermaßen geneigten Wählers.

NIUS-Bericht, das Originalpapier ist dort als PDF abrufbar