Die Demokratie lässt sich nicht retten, indem man sie abschafft

In Ludwigshafen am Rhein hat der Wahlausschuss, ein Gremium lokaler Politiker, den AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul von der Kandidatur zur Oberbürgermeisterwahl ausgeschlossen. Begründung: Zweifel an seiner Verfassungstreue. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat diese Entscheidung gestern bestätigt und Pauls Eilantrag abgelehnt. Die Frage lautet: Was ist das Demokratieprinzip noch wert, wenn Kandidaten vorher nach politischer Opportunität ausgesiebt wurden?

Zunächst einmal ist der Wahlausschuss selbst hochproblematisch. Er setzt sich ausschließlich aus Politikern zusammen – Vertretern etablierter Parteien, die direkt oder indirekt Konkurrenz zu Paul darstellen. Hier entscheidet die Konkurrenz über ihre eigene Konkurrenz, was einen eklatanten Interessenkonflikt darstellt. So argumentiert etwa der Cicero-Magazin, dass der Ausschluss Pauls eine neue Phase im „Kampf für ‚unsere Demokratie'“ markiert, in der der Verfassungsschutz instrumentalisiert wird, um politische Gegner zu diskreditieren. Interne Dokumente, aus denen Cicero zitiert, deuten sogar darauf hin, dass die amtierende Oberbürgermeisterin aktiv beim Verfassungsschutz nach belastendem Material gefragt hat. Denunziation als Teil des demokratischen Prozesses. Wem dabei nicht unwohl wird, dem ist fast nicht zu helfen.

Noch kritischer ist die Rolle des Verwaltungsgerichts. Es hat Pauls Eilantrag abgewiesen mit der Begründung, dass eine Prüfung der Verfassungstreue so kurz vor der Wahl nicht machbar sei. Das Gericht stützt sich dabei rein auf die „Bedenken“ des Wahlausschusses und des Verfassungsschutzes, ohne konkrete Beweise zu fordern oder die Vorwürfe substanziell zu überprüfen. Dabei ist die vom Verfassungsschutz gelieferte Auftragsarbeit nicht mehr als die Zusammenstellung über das, was man zu Paul im Internet finden kann. Das Papier erhebt noch nicht mal den Anspruch auf Vollständigkeit. Das Verwaltungsgericht hätte an dieser Stelle problemlos einhaken und das Spektakel mit der Klarstellung beenden können, dass allenfalls Fakten zählen, die in ihrer Gesamtschau zwingend sind.

Stattdessen erlaubt das Verwaltungsgericht die Aufhebung des Demokratieprinzips und die Einschränkung des passiven Wahlrechts auf bloße, einseitige und eingestandermaßen unvollständige Vermutungen hin. Es priorisiert administrative Hürden und „Zweifel“ zu Lasten des Wählerwillens. Man muss es leider offen sagen: Solche Entscheidungen erinnern an autoritäre Praktiken in anderen Ländern, bei denen der Staat – oder besser: seine politischen Akteure – die Opposition vorab eliminiert und sich noch nicht einmal dafür schämt. In Ludwigshafen zeigt sich, was vom Prinzip der Volkssouveränität übrig zu bleiben droht, wenn der Ausschluss unliebsamer Kandidaten Schule macht.

Wir riskieren mittlerweile sehenden Auges, dass Wahlen zu einer Farce werden, in der nur „genehme“ Kandidaten antreten dürfen. Die Wähler verdienen mehr Respekt – und eine echte Wahl. Und für alle, die mittlerweile an jeder Ecke die „Faschisten“ sehen: Die Demokratie lässt sich nicht dadurch retten, dass man sie abschafft.