Im Entführungsprozess gegen die Steakhaus-Erbin Christina Block und weitere Angeklagte in Hamburg entfaltet sich seit einigen Tagen ein strafprozessuales Drama, das man zum Beispiel gut im Ticker der Bild-Zeitung verfolgen kann. Christina Block hat sich entschlossen, auszusagen. Sie nahm stundenlang gegenüber dem Gericht Stellung. Allerdings möchte sie keine Fragen der Nebenklage beantworten. Sicherlich ist die Annahme berechtigt, dass ihr der Rechtsanwalt ihres früheren Ehemanns, dem die gemeinsamen Kinder entzogen worden sein sollen, besonders kräftig zusetzt. Aber führt dies dazu, dass der Nebenklageanwalt nun gar nichts fragen darf, wie es die Block-Anwälte durchsetzen möchten? So einfach ist das alles nicht…
… aber auch nicht sonderlich kompliziert. Es gilt zunächst der uneingeschränkte Grundsatz: Kein Angeklagter muss sich selbst belasten. Er kann was sagen, muss es aber nicht. Überdies ist es absolut unbestritten, dass der Angeklagte sich zu jedem Zeitpunkt auf sein Schweigerecht berufen kann, ohne dies begründen zu müssen. Redselig vor ein paar Minuten, nun eisernes Schweigen – für einen Angeklagten formal kein Problem. Dabei ist es völlig egal, ob das Gericht fragt, der Staatsanwalt, die Nebenklage oder der eigene Verteidiger. Der Angeklagte kann also jederzeit die Antwort auf Fragen verweigern. Kurz gesagt: Er muss gar nichts.
Hat der Angeklagte aber mal was zur Sache gesagt, kann ein Schweigen auf spätere Fragen für ihn trotzdem Probleme mit sich bringen. Und genau darum geht es im Hamburger Prozess. Die Verteidigung hat demgemäß nachvollziehbar versucht, die erwartbar unliebsamen Fragen der Nebenklage von vornherein zu verhindern. Denn jede Frage der Nebenklage, die unbeantwortet bleibt, kann dem Angeklagten schaden. Es gibt zwar den Grundsatz, dass aus dem Schweigen eines Angeklagten keine negativen Schlüsse gezogen werden müssen. Aber genau in dieser Konstellation gibt es – so zumindest die Gerichte – eine Einschränkung: Wenn ein Angeklagter Fragen beantwortet hat, also anfangs typischerweise die Fragen des Gerichts, muss er auch den anderen Frageberechtigten antworten. Ein selektive Schweigen kann das Gericht später als taktisches oder widersprüchliches Verhalten werten, und zwar allgemein bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten. Mit seiner Aussage macht sich der Angeklagte also selbst zum Beweismittel. Wenn er dann aber nicht mehr mitspielt, ist dieser Beweis sozusagen kompromittiert. In welchem Umfang, ist dann gerne Thema von Revisionsprozessen.
Allerdings ist die Verteidigung im Fall Block erwartbar mit dem Versuch gescheitert, die Fragen der Nebenklage insgesamt zu verhindern. Die Nebenklage hat nämlich das Recht zu fragen. Eine Frage nach der anderen. Der Angeklagte muss dann jedes Mal entscheiden, ob er antwortet. Wenn es sich um gute, also für den Angeklagten unangenehme Fragen handelt, können sich verweigerte Antworten natürlich schon gewaltig aufaddieren. Dementsprechend wird die Nebenklage also versuchen, möglichst viele Fragen zu stellen, selbst wenn die Angeklagte sich möglicherweise jeder Antwort verweigert. An Ansatzpunkten für die Nebenklage wird es nicht mangeln, denn die Verteidigungslinie der Angeklagten ist ja, sie habe so gut wie nichts gewusst. Das macht es für einen Nebenkläger leicht, mit Fragen zu Details Widersprüche offen zu legen.
Karikatur: wulkan