Die Marke rot

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Nein, dies ist kein Ausflug in die Gegenwartskunst. Vielmehr hat sich der deutsche Sparkassen- und Giroverband schon 2007 die Farbe Rot als Marke gesichert. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat sie so wie oben abgebildet eingetragen. Einige Widersprüche und Löschungsanträge hatten keinen Erfolg. Die Marke genießt für die deutschen Sparkassen nun Schutz in praktisch allen Bereichen des Bank- und Versicherungsgeschäfts.

Aktuell klagen die Sparkassen gegen die Santander Consumer Bank, weil diese nach ihrem Geschmack zu viel rot in ihrem Auftritt verwendet (zum Vergleich: die Website der Sparkassen).

Wer keine Geldgeschäfte macht, darf rot übrigens verwenden. Noch.

(Bericht in einem Fachblog)

Fluggastrechte: ohne Ärger online melden

Das EU-Recht ist knallhart. Bei Annullierung, Überbuchung und Verspätung müssen Fluggesellschaften ihre Passagiere entschädigen. Mit Bargeld; warme Worte tun es nicht.

Die Praxis sieht dagegen beschämend aus. Die meisten Airlines tun alles, um ihre Kunden leer ausgehen zu lassen. Das fängt bei hyperbürokratischen Formularen an und hört bei den albernsten Ausreden auf. Hauptsache, der Fluggast wird abgeschreckt.

Wer sich das Prozedere nicht selbst antun möchte, kann seine Ansprüche jetzt einfach online über den Dienstleister Fairplane geltend machen (Apps für Android und iPhone gibt es auch). Die Gründer sind zwei österreichische Wirtschaftsanwälte. Sie melden die Ansprüche im Namen der Kunden über Vertragsanwälte bei den Airlines an. Nur im Erfolgsfall erhält Fairplane eine Provision von maximal 27 % der Entschädigung.

Als besonderen Vorteil betrachtet Fairplane seine Datenbank mit Flug-, Wetter- und Verfahrensdaten. Bei der großen Zahl bearbeiteter Fälle lasse sich der Vermeidungsstrategie von Fluggesellschaften so leichter etwas entgegensetzen.

Interview mit den Fairplane-Gründern

Strafgeld für lahme Gerichte

Verfahrensverzögerungen kosten künftig Geld – und zwar dem Staat. 1.200 Euro muss die öffentliche Hand regelmäßig für jedes volle Jahr an Prozessparteien zahlen, um das ein Prozess verschleppt worden ist. Eine entsprechende gesetzliche Regelung beschloss der Bundestag Ende letzter Woche.

Etliche Male hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Verfahrensverzögerungen in Deutschland kritisiert. Zuletzt forderte er in einem Grundsatzurteil die Bundesrepublik auf, eine Wiedergutmachung für Verfahrensverzögerungen gesetzlich zu verankern. Hierzu setzte das Gericht eine Frist bis zum Ende des Jahres 2011.

Mit der nun verabschiedeten Regelung gibt es erstmals einen pauschalen Schadensersatzanspruch bei vertrödelten Verfahren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die zuständigen Richter tatsächlich faul waren. Auch nicht vorwerfbare Verzögerungen, etwa die Überlastung von Gerichten, lösen den Entschädigungsanspruch aus.

Wie lange ein Verfahren dauern darf, ist im Gesetz allerdings nicht geregelt. Somit gibt es auch künftig keine klare Obergrenze, ab wann von einer Verzögerung überhaupt gesprochen werden kann. Außerdem geht der Betroffene leer aus, wenn er sich selbst nicht rechtzeitig über die schleppende Bearbeitung beschwert hat. Künftig kann es also wichtig sein, die Richter zu zügiger Arbeit zu ermahnen.

Die Neuregelung sanktioniert Fehlverhalten von Richtern in ganz neuer Art und Weise. Bisher konnten sich die Juristen im Staatsdienst immer darauf verlassen, dass ihr Verhalten von der nächsten Instanz vielleicht missbilligt wird – andere spürbare Konsequenzen gab es aber fast nie. Nun muss der Staat immerhin in die Kasse greifen; das gibt der Sache eine andere Dimension.

Vielleicht hat diese Neuausrichtung Signalwirkung auch für andere Bereiche. Bei illegalen Hausdurchsuchungen und unnötigen Verhaftungen wird auch nicht selten festgestellt, dass die Maßnahme rechtswidrig war. Diesen Beschluss darf sich der Betroffene dann zu Hause an die Wand hängen, während dieselben Polizisten, Staatsanwälte und Richter am nächsten Tag in anderer Sache wieder genau dasselbe machen.

So lange es kein automatisches Beweisverwertungsverbot für illegal erlangte Beweismittel gibt, könnte ruhig zumindest ein Strafgeld verhängt werden. Einfach, damit Rechtsverstöße nicht wie ohne Konsequenz bleiben, wie es heute so oft geschieht. 

Das neue Gesetz muss noch den Bundesrat passieren.

Keine Durchsuchung aus Bequemlichkeit

Auf bloße Behauptungen hin darf keine Hausdurchsuchung angeordnet werden – schon gar nicht bei einer Fernsehproduktionsfirma. Mit dieser Begründung erklärte jetzt das Landgericht Berlin eine Razzia bei einem Unternehmen für unzulässig, das regelmäßig für SAT 1 Fernsehberichte erstellt.

Bei einer Recherche in einer Firma sollen die Reporter einen Angestellten gestoßen und sich geweigert haben, die Räume zu verlassen. Lediglich auf diese Angaben gestützt, erwirkte die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungbeschluss, um die Namen der verantwortlichen Reporter zu erhalten. 

Das Landgericht sah dies als rechtswidrig an. So hätte es zunächst weiterer Ermittlungen bedurft, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. So hatte die Staatsanwaltschaft nicht einmal den Filmbericht angesehen. Schon dieses Material zeige jedoch, dass die Reporter sich korrekt verhalten haben. Zeugen wurden ebenfalls nicht befragt.

Schon wegen dieser fehlenden Ermittlungen im Vorfeld sei der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig. Die Ermittlungsbehörden müssten stets zunächst andere Erkenntnisquellen auswerten. Eine Hausdurchsuchung aus Bequemlichkeit ist damit unzulässig.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 4. August 2011, Aktenzeichen 525 Qs 10/11

Heizkosten: Mieter muss Funkzähler akzeptieren

Mieter müssen es akzeptieren, wenn der Vermieter funkbasierte Ablesesysteme für die Heizung einbauen will. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Eine Mieterin hatte sich gegen den Einbau der Geräte mit der Begründung gewehrt, sie wolle keinen Funkzähler. Die Entscheidung liegt zwar noch nicht schriftlich vor, aber sicherlich hat die Mieterin auch die bekannten datenschutzrechtlichen Bedenken gegen Funkzähler geäußert.

Der Bundesgerichtshof scheint die Bedenken jedoch nicht zu teilen. Er beanstandet nicht, dass die Vorinstanzen die funkbasierten Geräte als “Wohnwertverbesserung” eingestuft haben. Hervorgehoben wird in der bislang vorliegenden Pressemitteilung des Gerichts der Umstand, dass kein Ableser mehr die Wohnung betreten müsse. Das könne den Wert des Objekts steigern.

Der Mieter müsse den Austausch auch dann akzeptieren, wenn das alte Ablesesystem noch funktionsfähig sei.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. September 2011, Aktenzeichen VIII ZR 326/10

Abzocke nach der Abzocke

Die bayerische Polizei hat vier Männer festgenommen, die sich auf die Abzocke nach der Abzocke spezialisiert haben sollen. Bereits durch windige Gewinnspiele geschröpften Menschen sollen sie wirksame Hilfe gegen weitere Abzocke versprochen, am Ende aber nur kassiert haben. Nach Ermittlungen der Polizei soll es sich bei den Festgenommenen um die Drahtzieher einer Bande handeln, die ihr Geschäft über professionell organisierte Callcenter betrieb.  

Den Geschädigten waren zunächst größere Geldgewinne oder Oberklasse-Fahrzeuge telefonisch oder per Brief in Aussicht gestellt worden. Für den Erhalt dieser Gewinne, die letztlich nicht ausgezahlt wurden, waren dann allerdings Vorleistungen in Form von Geldzahlungen zu erbringen, die direkt auf Konten im Ausland gingen.

Die Beschuldigten stehen nun im Verdacht, eine offenbar wirksame Strategie mit der Zielrichtung entwickelt zu haben, die bereits betroffenen Menschen nochmals um ihr Geld zu bringen. Sie betrieben laut Polizei Callcenter im In- und Ausland. Diese Callcenter sollen mit illegal erworbenen Adresslisten gespeist worden sein.

Mit Cold-Calls boten die Verdächtigen zumeist älteren Menschen „Schutz“ vor den illegalen Gewinnspielanbietern an. Außerdem versprach man rechtliche Unterstützung und Rechtsberatung, Löschung aus Adresslisten und den Eintrag in Sperrlisten.

Alle diese „Maßnahmen“ sollten angeblich umfassenden Schutz vor weiteren Belästigungen bieten. Den Beschuldigten soll aber bekannt gewesen sein, dass gar keine Maßnahmen geplant waren. Stattdessen sollen sich die Verdächtigen auf das Eintreiben ihrer angeblichen Forderungen konzentriert haben. Zahlten die meist älteren “Kunden” die Rechnungen über Beträge von 29 bis 156 Euro nicht, wurde massiv mit Inkasso und Prozessen gedroht.

Gegen die vier Hauptverdächtigen ist Haftbefehl ergangen. Die Polizei wertet nun das Beweismaterial aus, das sie bei Durchsuchungen in rund 20 Objekten sichergestellt hat.

Ich will das alles nicht

Aus einem Protokoll des Familiengerichts:

Nach Erörterung erklärt die Antragstellerin ausdrücklich zu Protokoll: Ich möchte nicht mehr geschieden werden. Ich will das alles nicht. Ich will wohl getrennt leben, aber ich will keine Scheidung. Dieses ist mein ausdrücklicher Wunsch. Ich nehme den Scheidungsantrag zurück und bevollmächtige meine Anwältin, für mich den Scheidungsantrag zurückzunehmen.

Ich war selbst nicht dabei, es soll in dem Termin aber hoch her gegangen sein. Am Ende ergriff die Anwältin der Antragstellerin wohl laut schimpfend die Flucht, weil sie die eigene Mandantin nicht mehr ertrug.

Hoffentlich hat sie an einen ausreichenden Vorschuss gedacht.

Gericht: Anonymität im Netz ist eine gute Sache

Anonymität im Netz ist nicht böse, sondern eine gute Sache. Diese Auffassung vertritt ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm. In einem Beschluss bekennen sich die Richter mit deutlichen, durchaus grundsätzlichen Worten zum Recht, im Internet anonym zu kommunizieren:

Die für das Internet typische anonyme Nutzung entspricht zudem auch der grundrechtlichen Interessenlage, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden.

Ein Mediziner hatte gegen ein Ärzte-Bewertungsportal geklagt, weil ihm ein dort abgegebener Kommentar missfiel. Nach dem Urteil aus Hamm muss das Portal nicht die Nutzerdaten des Kommentators herausgeben. Seine Äußerungen seien außerdem eine zulässige Meinungsäußerung.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 3. August 2011, Aktenzeichen I-3 U 196/10

Im übrigen drängt sich auf

Verhandlungen über Bußgeldbescheide sind Massengeschäft. Also lästig. Das Amtsgericht Linz am Rhein praktiziert eine an Deutlichkeit nicht zu überbietende Methode, um Betroffene in Bußgeldverfahren nachdenklich zu stimmen. Nachdenklich darüber, ob es nicht vielleicht besser ist, auf eine Verhandlung über den Bußgeldbescheid zu verzichten und die Kröte zu schlucken.

Im Gerichtsjargon liest sich das so:

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Ein unverhohlener Wink mit dem Zaunpfahl. Mach mir Arbeit, dafür wird es am Ende dann noch schlimmer für dich. Die Bejahung von Vorsatz rechtfertigt nämlich ein höheres Bußgeld, vielleicht sogar mehr Punkte. Und womöglich sogar ein Fahrverbot.

Ich tippe mal, dass bei dem Richter überdurchschnittlich viele Einsprüche vor der Verhandlung zurückgezogen werden. So hat er sein Ziel erreicht. Die Betroffenen aber werden kaum das Gefühl haben, dass man ihnen fair und unvoreingenommen begegnet. Das ist dann die Schattenseite.

Wieder ein Urteil gegen Mobilfunk-Kostenfallen

Mobilfunkbetreiber müssen ihre Kunden auf Kostenfallen hinweisen. So ist es unzulässig, wenn ein Telefonanbieter seinem Kunden ein Handy überlässt, bei dem sich die Navigationssoftware nach dem Start ausgiebig online aktualisiert. Fast 11.500 Euro sollte ein Kunde für diesen unerwarteten Spaß zahlen. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein befand die Forderung des Anbieters jedoch für unrechtmäßig. 

Der Kunde hatte das Mobiltelefon subventioniert erworben. Sein verlängerter Vertrag hatte eine Internetoption für Wenignutzer. Dementsprechend schlug die Aktualisierung der Navigationssoftware zu Buche, die sich über Stunden hingezogen haben soll. 

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein befand, die Klägerin habe ihre Nebenpflichten aus dem Mobilfunkvertrag verletzt, als sie dem Kunden ohne nachdrückliche Warnung vor der Kostenfalle das Mobiltelefon verkaufte. Es gehöre auch bei Mobilfunkverträgen zu den Nebenpflichten, für eine möglichst reibungslose und transparente Abwicklung zu sorgen. Außerdem gebiete es die Fürsorgepflicht, Schäden von der anderen Seite abzuwenden.

Der Käufer eines Mobiltelefons mit Navigationssoftware gehe davon aus, dass diese auf aktuellem Stand ist. Muss er sich im Laufe der Installation entscheiden, ob er eine Kartenaktualisierung in Gang setzen will, so wird und darf er nach Auffassung der Richter denken, dass er nur so und ohne weitere Kosten an die ihm nach dem Kaufvertrag zustehende aktuelle Software gelangen kann. Auf Abweichendes müsste der Verkäufer ausdrücklich hinweisen, was hier nicht geschehen ist.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15.9.2011, Aktenzeichen 16 U 140/10

Filmreif

Es sieht nach Dreharbeiten für einen Film aus, war aber wohl ein ganz normaler Verkehrsunfall. In Langerwehe hat ein Autofahrer seinen Opel etwas zu flott in eine Kurve gelegt. Folge: Sein Auto prallte in anderthalb Meter Höhe gegen einen anderen Wagen. Ein Spezialkran musste die beiden Fahrzeuge trennen, um größeren Schaden zu vermeiden.

So sah es an der Unfallstelle nach dem Crash aus:

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Foto: Polizei Düren

Nur das Beste

Herr N. ist unterwegs festgenommen worden, weil ihm die Polizei ein (kleines) Drogendelikt unterstellt. Während er auf der Wache sitzt, entschließen sich die Beamten zu einer Hausdurchsuchung. Auf den erforderlichen richterlichen Beschluss verzichten sie aus folgenden Gründen:

Die Einholung einer richterlichen Anordnung zur Wohnungsdurchsuchung über die Staatsanwaltschaft würde auf Grund des grundsätzlich schriftlich zu begründenden Antrags zu einer unverhältnismäßigen Dauer einer Freiheitsentziehung des Beschuldigten führen.

Die Polizei verstößt also selbstlos gegen die Strafprozessordnung, weil sie nur das Beste für den Beschuldigten will. Wie rührend. Vor allem angesichts der Tatsache, dass bei der dünnen Faktenlage ein Ermittlungsrichter mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit den Antrag zurückgewiesen hätte.