Würde gern, kann aber nicht

Die Mandantin ist nach einem Schlaganfall krankgeschrieben. Auf unabsehbare Zeit. Sie bezieht Hartz IV. Die ARGE verlangt nun, dass sie eine Wiedereingliederungsvereinbarung unterschreibt, in der sie sich unter anderem zu Folgendem verpflichtet:

… drei schriftliche Bewerbungen um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis pro Woche.

Wie soll man sich das vorstellen? „Ihr Stellenangebot interessiert mich. Ich bin sicher auch qualifiziert für den Job, kann ihn wegen Arbeitsunfähigkeit, deren Ende nicht abzusehen ist, aber derzeit nicht antreten. Seien Sie so freundlich und reservieren Sie mir den Arbeitsplatz zunächst bis zum 30. Juni 2009.“

Ob sie rechtlich zur Unterschrift verpflichtet ist, lasse ich mal offen. Ich habe die Mandantin an einen Fachanwalt für Sozialrecht „überwiesen“.

Beharrliche Nachfragen

Die Anwältin auf der Gegenseite ist beharrlich. Sie schickt mir ständig Schreiben mit Zahlungsaufforderungen. So viele letzte und allerletzte Fristen wurden mir bisher selten gesetzt. Ich antworte nicht. Weil schon alles gesagt ist und mein Mandant mich nicht für Wiederholungen bezahlen möchte. Jetzt meldet sich die Anwältin auch noch telefonisch und motzt meine Sekretärin an, wieso wir nicht antworten. Dass ihr gesagt wurde, wir würden dazu keine Auskunft geben, hat sie wohl nicht erheitert.

Ich hoffe, sie merkt irgendwann, dass mein Mandant freiwillig nicht zahlen wird. Aber ein bisschen vermute ich, sie hat nur keine Lust, die Klage zu diktieren. Mit den ständigen Erinnerungen scheint sie nur die eigene Partei ruhig zu stellen. Die Klage ist jedenfalls mit Arbeit verbunden. Es ist nämlich ziemlich klar, dass mein Mandant die besseren Karten hat.

Vielen Dank dafür

Auf einem Verbraucherportal hat ein Nutzer unter Nicknamen eine ziemlich vernichtende Kritik über das Restaurant meines Mandanten veröffentlicht. Mit Sicherheit dieselbe Person, die auch das Gesundheitsamt in Marsch gesetzt hat. Die Kontrollen der Behörde blieben ohne Beanstandung.

Der Interneteintrag aber blieb. Mein Mandant weiß natürlich, um wen es sich handelt. Um eine frühere Mitarbeiterin. Die wollte sich was zum Arbeitslosengeld dazu verdienen. Als sie ihre Arbeitszeit aufstocken wollte, wäre das Mehreinkommen angerechnet worden. Als mein Mandant sie nicht schwarz bezahlen wollte, kündigte sie.

Ich habe die Frau angeschrieben und sie aufgefordert, den Beitrag zu löschen oder zumindest die falschen Behauptungen rauszunehmen. Sie antwortete, dass sie dazu überhaupt keinen Grund sieht. Sie berichte nur aufgrund ihrer unschönen Erfahrungen als „Gast“. Und überhaupt sei mein Mandant, zusammengefasst, ein geiziger Fiesling.

Dafür schon mal vielen Dank. Ich denke, das Portal wird nicht lange fackeln und den Beitrag terminieren. Wann kann man schon schriftlich belegen, dass es sich nicht um eine Verbrauchermeinung handelt, sondern um Racheakt?

Der Nächste, bitte

Für 9.45 Uhr hatte ich mich bei einem neuen Mandanten in der Justizvollzugsanstalt angesagt. Der Beamte an der Besucherschleuse hatte allerdings nicht nur mein Fax, sondern auch welche von diversen anderen Anwälten. Wie es aussieht, haben die Angehörigen sich mal wieder nicht abgesprochen und gleich Kohorten von Verteidigern in Marsch gesetzt.

Aber immerhin war ich der erste. Und „mein“ Teil der Familie steht für die Anwaltsgebühren gerade, zuverlässig wie immer. Vor diesem Hintergrund mache ich mir zunächst keine großen Gedanken, wem der Mandant nach mir noch so alles Vollmachten erteilt haben mag.

Landgericht Krefeld: Mikros aus, Kameras weg

Alles was Sie sagen, kann gegen Sie verwandt werden – diese übliche Belehrung in Strafverfahren haben die sieben Überwachungskameras am Landgericht Krefekld verschwiegen. Stattdessen trugen eingebaute Mikrofone die Gespräche von Rechtsanwälten, Prozeßbeteiligten und Zuschauern und so ziemlich alle anderen Töne und Geräusche von draußen in die Kabine des Pförtners. Diese Abhöraktion dauerte wenigstens sieben Tag lang.

Sie könnte Befangenheitsanträge von Verteidigern auslösen. Denn sie war illegal, wie gestern Ralph Neubauer vom Justizministerium bestätigte. Videokameres gehören zum Sicherheitskonzept für die Gerichte und Staatsanwaltschaften im Lande. Für die Beschaffung ist der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) zuständig. Der hatte Mitte November eine Firma mit der Installation in Krefeld beauftragt.

Was die Handwerker wussten, ahnte sonst niemand. Verteidiger in einem laufenden Zuhälterprozeß etwa unterhielten sich rauchend über ihre Strategie. Der Anwalt des Opfers sprach mit seiner Mandantin offen über deren Aussage. Auch Wolfgang Thielen, ein Haftrichter sollte dort plaudern. Doch das Interview mit einem Kamerateam wurde ständig unterbrochen – es gab Rückkoppelungen.

Erst jetzt wurde auch Gerd Waldhausen, dem Landgerichtspräsidenten, der öffentliche Lauschangriff klar. Dumm nur, dass sich die serienmäßig fest eingebauten Mikrofone nicht entfernen ließen. Deshalb wurden die Kameras samt und sonders abgebaut. Ähnliche Geräte gibt es an Justizbauten in Mönchengladbach, Höxter und Bochum. „Dort waren“, heisst es beim BLB, „die Mikrofone von vorherein deaktiviert“. Warum es sie überhaupt gibt – das weiß niemand. (pbd)

Zu bezahlbaren Preisen

Da wirbt ein Chefredakteur für ein Hochglanzmagazin, „welches Sie nicht am Kiosk kaufen können“. Also für ein PDF. Zu „bezahlbaren … Preisen“ bietet er die Möglichkeit, „selbst einmal zur Titelstory“ zu werden. „Oder lassen Sie sich durch uns in unseren Medien porträtieren.“ Denn:

Was kann Ihnen mehr Glaubwürdigkeit verleihen und was mehr Seriösität ausstrahlen, als ein Portrait oder gar eine Titelstory in einem Branchenmagazin wie dem … ?

Jetzt wehrt sich der Herr über seinen Anwalt gegen die Bezeichnung „Mietmaul“. Ich finde, da hat der Abgemahnte wirklich treffend formuliert.

Wie man andere verdächtig macht

Nächste Woche muss ich einem Ermittlungsrichter mal erklären, dass die „Anmeldung“ einer Prepaid-Telefonkarte keine besondere Aussagekraft hat. Immerhin lässt sich bei diversen Anbietern gerade online so ziemlich jeder registrieren.

Von daher ist es eher mutig, einen Durchsuchungsbeschluss mit folgendem Satz zu rechtfertigen:

Zwei der telefonischen Erreichbarkeiten der Täter sind auf den Beschuldigten gemeldet, nämlich die Mobilfunknummern 0170-…. und 0174-…

Da darf man sich nicht wundern, wenn bei der Durchsuchung rein gar nichts gefunden wird. Ich frage mich, ob man zu einer A. Merkel oder einem T. Gottschalk ebenso unbedarft hinmarschiert wäre, wenn die Prepaid-Karten auf sie registriert gewesen wären.

Fahrplan der besonderen Art

Von Gefangenentransporten wusste ich bisher zwei Dinge: Sie können lange dauern. Der Transport selbst, aber auch die Unterbringung auf den Zwischenstationen lassen am humanen Strafvollzug zweifeln. Der Lübecker Strafverteidiger Andreas Mroß stellt das sehr anschaulich in seinem Aufsatz Realität und Rechtswidrigkeit der gegenwärtigen Transporthaft – ein Überblick dar.

Neu ist mir das Kursbuch für den Gefangenentransport, wirklich ein Fahrplan der besonderen Art.