Du nur Patient

Frau C. ist bei einer unerfreulichen Attacke verletzt worden. Sie benötigt einen Arztbericht, damit Schmerzensgeld geltend gemacht werden kann. Frau C. bittet ihren Arzt um den Bericht. Der sagt ihr, dass er den Bericht nur erstellen darf, wenn ich, also „der Anwalt“, diesen Bericht schriftlich oder telefonisch (!) bei ihm anfordere.

Klingt mir eher nach Arbeitsvermeidungsstrategie. Jedenfalls nach einem guten Grund, den Arzt zu wechseln.

Schnell bei der Hand

Mit Fingerabdrücken und Fotos ist die Polizei schnell bei der Hand. Liegt sonst nicht vor, wird die Anordnung gern auch auf § 81b Alternative 2 der Strafprozessordnung gestützt. Fingerabdrücke und Fotos können nach dieser Vorschrift genommen werden, wenn es für „Zwecke des Erkennungsdienstes“ erforderlich ist.

Das ist so was von schwammig, dass es weht tut. Die Rechtsprechung hat ungefähr folgende Leitlinie herausgearbeitet (Beck’scher Online-Kommentar zur StPO, § 81b Rn. 5):

Für präventivpolizeiliche Maßnahmen besteht eine Notwendigkeit, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, dass der Beschuldigte erneut straffällig werden könnte und die erkennungsdienstlichen Unterlagen die daraufhin einzuleitenden Ermittlungen fördern könnten. Dies ist in der Regel bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig handelnden Beschuldigten oder Wiederholungstätern der Fall.

Auch darunter kann man natürlich so gut wie alles pressen. Es ist deshalb schwierig, die tatsächlichen Voraussetzungen für die ED-Behandlung wegzudiskutieren.

Einen anderen Ansatzpunkt bietet das Verwaltungsrecht. Bescheide, noch dazu belastende wie die ED-Behandlung, müssen nicht nur ergehen und dem Betroffenen bekanntgemacht werden. Sie müssen auch nachvollziehbar begründet werden.

Hier lehrt die Erfahrung, dass sich die Polizei bei der Anordnung der ED-Behandlung keine Mühe gibt. Heute hatte ich mal wieder Gelegenheit, einen schlampig formulierten Bescheid überprüfen zu lassen. Ganze vier Sätze war dem zuständigen Beamten die Begründung wert. Wobei ihm das Kunststück gelang, in diesem knappen Text die Gefahr künftiger Straftaten auch noch selbst auszuräumen.

Im ersten Satz des Bescheides steht, mein Mandant stehe im Verdacht, (legale) Grundstoffe zur Herstellung von Betäubungsmitteln bezogen zu haben. Im zweiten Satz steht, er habe mit diesen Stoffen zündeln wollen. Wenn er aber keine Betäbungsmittel herstellen wollte, war der „Einkauf“ zweifellos nicht strafbar. Und mit Zündeln war, was sich unschwer aus den sonstigen Unterlagen ergibt, eher was in Richtung Jugend forscht gemeint.

Auf die Tatsachen kam es dem Verwaltungsgericht aber gar nicht an. Der knappe Text genüge gar nicht den „rechtsstaatlichen Anforderungen an einen Verwaltungsakt“. Es werde kein nachvollziehbarer, zeitlich und räumlich abgrenzbarer Sachverhalt geschildert. Ohne zusammenhängende Darstellung der „Anhaltspunkte“ seien die rechtlichen Folgerungen aber nicht überprüfbar. Diese Mängel, und das ist wichtig, ließen sich auch nicht durch später nachgeschobene Argumente heilen.

Über den Ausgang des Rechtsstreits ließ das Gericht am Ende der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel: Der Bescheid wird aufgehoben; die Kosten (Streitwert: 5.000 €) trägt der Steuerzahler.

Suizidaler Antrag

Heute einen Schriftsatz gelesen, in dem der Verteidiger eines mutmaßlichen Sexualstraftäters vehement darauf drängt, das Opfer auf seine Glaubwürdigkeit zu untersuchen. So was kann man machen. Aber doch nicht, bevor man die Aussage des Opfers zumindest gelesen hat.

Gelesen hat der Anwalt die Aussage noch nicht, denn er hatte bislang keine Akteneinsicht. Wenn er die Aussage gelesen und auf ihre Konsistenz abgeklopft hätte, hätte ihm der Gedanke kommen müssen, dass ein Glaubwürdigkeitsgutachten für seinen Mandanten zum üblen Querschläger werden dürfte. Die Aussage ist nämlich ungewöhnlich stringent. An vielen Stellen ist förmlich zu spüren, dass man sich so etwas kaum aus den Fingern saugen kann. Zumal das Opfer noch nicht mal ein Motiv hätte, den mutmaßlichen Täter zu Unrecht zu beschuldigten – bisher kam es mit dem Mann glänzend klar.

Aber das kommt davon, wenn man sich vom – sicherlich höchst verunsicherten – Auftraggeber breitschlagen lässt, eine Verteidigungsschrift ins Blaue hinein einzureichen. Würde mich nicht wundern, wenn die Staatsanwaltschaft diesem suizidalen Antrag sofort und vollständig entspricht.

In jahrzehntelanger Tätigkeit

Rechtsanwalt L. aus Ratingen liebt starke Worte:

Solch einen Blödsinn hat der Unterzeichner in seiner jahrzehntelangen Anwaltstätigkeit selten als Einlassung in einer Strafsache gelesen.

Damit meint er mich. Aber Strafrecht gehört ausweislich seiner Homepage nicht zu seinen Schwerpunkten. Vielleicht weiß er deswegen gar nicht, was sonst so geschrieben wird.

Keine falschen Rücksichten

Heute so lange Vernehmung im Polizeipräsidium Bochum gehabt, dass wir mit dem Beamten durch den Seiteneingang raus musste. Er hatte seinen Privatwagen am Straßenrand neben dem Hauptgebäude geparkt. Routiniert pulte er das Knöllchen unter dem Scheibenwischer hervor.

„Das ist die Lieblingsbeschäftigung des Ordnungsamtes“, erzählte er. „Hier wird jeden Nachmittag noch mal ordentlich Kasse gemacht.“

Ohne falsche Rücksichten, wie es aussieht. Nicht mal der GdP-Sticker scheint noch zu helfen.

Beweismittel? Vernichten!

Es geht um verschwundene Beweismittel. Die waren was wert. Das zuständige Gericht hat am Ende des Prozesses angeordnet, dass die Sachen an meinen Mandanten zurückgegeben werden. Aber sie sind nicht mehr da, wie mir die Staatsanwaltschaft mit einem dürren Satz erklärt:

Die … Gegenstände waren als Beweismittel sichergestellt worden und wurden daher nach Auskunft des Polizeipräsidiums … bereits vernichtet.

Dieser Begründung fehlt es nicht nur an Logik. Sie ist auch ein weiteres Bespiel dafür, dass manche Behörden einfach nicht in der Lage sind, einen Fehler zuzugeben.

Gesprächsstoff

In einem Rechtsstreit geht es darum, ob eine Unterschrift von unserer Mandantin stammt. Der Sachverständige hat Schriftproben im Original angefordert. Da die Unterlagen heute eigentlich beim Gericht sein sollten, haben wir kurz diskutiert, ob eine Übersendung „vorab per Telefax“ sinnvoll ist.

Bestimmt – wenn man der Richterin Gesprächsstoff für die Cafeteria liefern will.

Das Google-Imperium

Ich habe ein gerade erschienenes Buch geschickt bekommen: Das Google-Imperium von Lars Reppesgaard. Klingt interessant, aber mir fehlt die Zeit und ein bisschen die Lust, es zu lesen.

Bevor das Werk alt wird, verschenke ich es. Bei Interesse bitte einen Kommentar hinterlassen, und zwar bis heute 18 Uhr. Bitte an eine gültige E-Mail-Adresse denken, damit ich den Empfänger informieren und mir seine Postanschrift geben lassen kann.

Nachtrag: Der Zufallszahlengenerator hat Kommentar 165 ausgewählt. Michael_BB kriegt das Buch.

Ein Geständnis ist nicht immer wahr

Für Spiegel-Reporterin Gisela Friedrichsen ist die Beweislage im heute beginnenden Prozess im Holzklotz-Fall „eher dünn“. Es ist ja nicht so, dass es keine anderen Verdächtigen gegeben hätte. Zunächst suchte die Polizei nach einer Gruppe Jugendlicher, die sich zum Tatzeitpunkt auf der Brücke aufgehalten haben soll.

Mangels handfester Beweise werde sich die Anklage hauptsächlich auf das Geständnis des seinerzeit drogenkranken Angeklagten stützen, schreibt Friedrichsen. Und erzählt ein nachdenklich stimmendes Detail aus dem Leben des Angeklagten:

Er hat schon einmal ein falsches Geständnis abgelegt. Als ein Verwandter am 28. April 1998 unter Alkoholeinfluss einen schweren Verkehrsunfall mit zwei Toten verursachte, gab H. zu, den Wagen gesteuert zu haben. Damals musste ihm die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass nicht er der Fahrer gewesen war.

Sie erklärt auch, warum es gar nicht so wenige falsche Geständnisse gibt:

Forensische Psychologen wie Günter Köhnken kennen die Risikofaktoren für falsche Angaben. Sie reichen von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen des Beschuldigten bis zu den Vernehmungsbedingungen und der jeweiligen Überzeugung der Ermittler. Nicht nur geistig Behinderte halten starkem psychischem Druck irgendwann nicht mehr stand; manche Menschen zweifeln auch leicht an sich selbst, wenn ihnen vorgehalten wird, man habe Zeugen und eindeutige Beweise. Und ein Geständnis wirke sich günstig aus.

Abwechslung mit Denkfehler

Eine treue Mandantin ärgerte sich über eine Betriebskostennachzahlung. Mit fast 350 Euro wird sie zur Kasse gebeten, dabei wohnt sie nur auf knapp 40 Quadratmetern. Ich sah mir die Unterlagen an und stellte fest, dass die Vorauszahlung falsch berechnet zu sein schien. Die Mandantin zahlt 12 x 95 Euro, in der Abrechnung wurden aber nur 12 x 50 Euro angesetzt.

Ich hatte das Schreiben gerade diktiert, als ich meinen Denkfehler bemerkte. Die Heizkosten werden separat abgerechnet. Der Vermieter berücksichtigt hier noch mal 45 Euro Vorauszahlung im Monat.

Wäre auch zu einfach gewesen. Jetzt bleiben als Diskussionspunkte Müllgebühren, die in einem Jahr um 68 Prozent gestiegen sein sollen. Außerdem 2.000 Euro Reinigungskosten fürs Treppenhaus. Fragt sich, wie das Treppenhaus in den Vorjahren gereinigt wurde. Da wurden nämlich keine Kosten verlangt.

Unverschämte Honorare

Ich musste gerade eine freundliche Dame enttäuschen.

Sie hätte mich gern als Verteidiger in einem Prozess an einem schwäbischen Amtsgericht engagiert. Irgendwie hatte sie gehofft, dass ich mich für ein Honorar von 400 Euro begeistern kann. Dafür hätte ich dann Ende November nach Süddeutschland reisen sollen.

Man könnte jetzt natürlich auf eine völlige Verkennung des Preisgefüges tippen. Aber im Gespräch stellte sich heraus, dass die Betroffene bereits so ziemlich jeden Anwalt in ihrer Heimatstadt angerufen hat. Selbst der billigste soll 500 Euro verlangen.

Da sie so einen, O-Ton, unverschämten Betrag nicht bezahlen will, hat sie ins Internet geschaut. Ich hoffe nur, ich habe ihr nicht zu viele Illusionen über das Internet geraubt.