ZWEI TAGE

Für alle enttäuschten Besucher von Discountmärkten, die jetzt doch Auto fahren müssen, ein Zitat aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb:

§ 5 Abs. 5:

Es ist irreführend, für eine Ware zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten ist. Angemessen ist im Regelfall ein Vorrat für zwei Tage, es sei denn, der Unternehmer weist Gründe nach, die eine geringere Bevorratung rechtfertigen.

Der Trick ist aber vermutlich, dass weder Lidl noch die Bahn „Werbung“ gemacht haben dürften. Wenn man von der PR-Kampagne absieht.

FREIER HANDEL

ebay lässt den Handel mit Bahntickets von Lidl zu, berichtet heise. Das kann man eigentlich nur uneingeschränkt begrüßen. Mit welchem Recht nimmt die Bahn denn für sich in Anspruch, ein von vornherein übertragbar gestaltetes Produkt vom Weiterverkauf auszuschließen?

Nach WM-Tickets und Bahnfahrkarten stünden dann womöglich bald auch DVDs und Bücher unter einem Handelsverbot. Uuups, ich bin ja schon still…

(Wobei natürlich schon wieder die Abzocker unterwegs sind. In den meisten Angeboten wird nur eine Fahrkarte angeboten. Dass es bei Lidl allerdings zwei Fahrkarten für 49,90 € gab, wird geflissentlich nicht erwähnt.)

NEUZUGÄNGE

Mein Patenkind Julius (4) erzählt derzeit gerne, dass der Udo ein silbernes Auto kriegt. Mit einer Frau drin. Das hat schon zu Spekulationen über einschneidende Änderungen in meinem Privatleben geführt. Außerdem zu Beschwerden („Wieso kriege ich keine Einladung?“).

Dabei meint er doch nur das Navigationssystem.

KNALLHARTE RECHERCHE

Gespräch mit einer Reporterin. Sie arbeitet für ein nicht ganz unbekanntes Magazin.

„Ich soll über diesen Fall was bringen.“

„Also, wir haben Informationen zusammengestellt. Und Artikel, die bereits erschienen sind“

Eine halbe Stunde später.

„Danke für den Tipp. Das reicht locker, um den Beitrag hinzufrickeln.“

Schön, wenn wir helfen konnten. (Auch wenn unser Bild vom hehren Journalismus einen weiteren Kratzer bekommen hat.)

DOPPEL-GÄHN

In Moskau dauert die Verlesung eines Urteils ja schon mal zwei bis drei Wochen.

Ich kann am Ende eines langen Tages nur erschöpft verlauten lassen, dass schon knappe fünf Stunden an die Unerträglichkeitsgrenze gehen. Wie heute. Das Gericht trägt außerplanmäßig ein 380-seitiges Dokument vor. Wäre ja vielleicht ganz interessant, würde es sich nicht ausgerechnet um eine Gerichtsentscheidung von solcher Wichtigkeit handeln, dass sie sich jeder Prozessbeteiligte schon intravenös verabreicht hat.

Wenn mich mein Gefühl nicht trügte, hätte ich mein Notebook zum fünffachen Zeitwert an manchen verscherbeln können, der im Gerichtssaal nach ein klein wenig Abwechslung lechzte.

Kurz blitzte auch der Gedanke auf, ob das gesetzliche Verbot, in Ton oder Bild aus dem Gerichtssaal zu berichten, auch für akutes Langeweile-Blogging gilt.

Aber unabhängig davon gebietet es sicher der Respekt vor dem Gericht, die Publishtaste allenfalls in Verhandlungspausen zu drücken.

ADJEKTIVE

Ich bin arrogant. Und hochnäsig. Jedenfalls nach Auffassung eines Staatsanwalts, der das in einer Verhandlung über mich gesagt hat. Ich empfinde das durchaus als Kompliment. Jedenfalls würde ich mir mehr Sorgen machen, wenn er meinen Antrag gelobt hätte.

EINGEDAMPFT

Ganz doll lieb habe ich heute Abend unseren Digitalkopierer.

Ich sah mich schon den Maxitrolley rollen, denn alleine die unverzichtbare Ermittlungsakte umfasst sechs prallvolle Aktenordner. Über 3.000 Seiten. Dann noch meine Unterlagen. Einen Prozessrechtskommentar. Die Notebooktasche.

Kein schöner Gedanke. Zumal du mit einem Düsseldorfer Kennzeichen nicht alt vor der Türe wirst, zumindest nicht am Landgericht Köln. Also habe ich mal die Anwendungen des Kopierers ausgereizt. Vier Originalseiten auf eine Seite. Doppelseitiger Druck. Jetzt geht die gesamte Akte locker in einen Elba-Ordner.

Mitunter sind es solche kleinen Dinge, die mir gute Laune machen.

ZU GEGEBENER ZEIT

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beantwortet eine Sachstandsanfrage. Es geht um eine Beschwerde, die wir am 28. April 2004 eingereicht haben:

In Anbetracht der Anzahl der anhängigen Beschwerden beim Gerichtshof ist es mir derzeit leider nicht möglich, Ihnen mitzuteilen, wann sich der Gerichtshof erstmals mit Ihrer Beschwerde befassen wird. Jede Entscheidung des Gerichtshofs in Bezug auf Ihre Beschwerde wird Ihnen zur gegebenen Zeit mitgeteilt werden.

Das hätte ein deutsches Gericht nicht schöner formulieren können.

ANFRAGE

Sehr geehrte Damen und Herren ,

Ich bin Herr Zhao aus China . Ich kennen ein bisschen Deutschsprache . In China habe ich viele deutsche Firmen gesehen . Deswegen m?chte ich mit den Firmen zusammenarbeiten , die noch nicht direckt mit China zusammenarbeiten oder mit ein bisschen Schwerigkeiten dazwischen sind .

Leider weisse ich nicht ganz genau ,wie ich machen soll . Aber wenn Sie mir etwas Idee oder Massnahmen haben ,wuerde ich Ihnen sehr dankbar .

Herr Zhao,

GELD GIBT ES TROTZDEM

Um 8.30 Uhr eine Strafsache. Ich bin gespannt, ob der wichtigste Zeuge wieder nicht kommt. Und auch nicht von der Polizei, die ihn zwangsweise vorführen soll, aufgetrieben werden kann. Das dürfte dann der vierte Termin sein, zu dem alle anderen Beteiligten vergeblich anreisen.

So was sieht man nur gelassen, wenn man Pflichtverteidiger ist.

Nachtrag: Zeugen, die sogar der Polizei entwischen, eröffnen mitunter auch den Weg zu einer ökonomischen Lösung des Verfahrens. Eingestellt.

KINDERGELD: WICHTIGES URTEIL

Das Bundesverfassungsgericht stärkt die Rechte von Kindergeldempfängern. Bei den Freibeträgen müssen auch die Sozialabgaben berücksichtigt werden, weil diese direkt vom Lohn abgezogen werden. Dies haben die Finanzbehörden bisher verweigert. Einzelheiten in der WELT.

RÜCKGANG !

Das Bundesinnenministerium hat ein „Definitionssystem“ für politische Straftaten eingeführt.

Dank der „differenzierten Betrachtung“ ist es jetzt möglich, dem allgemeinen Anstieg rechter Straftaten noch in eine Erfolgsmeldung umzuwandeln. Denn die Zahl rechter Gewalttaten soll abgenommen haben.

Churchill lässt grüßen.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

NACH RIGA

Der polnische Verfassungsgerichtshof hat den Europäischen Haftbefehl für verfassungswidrig erklärt. Das meldet der Spiegel (Nr. 20/2005, S. 97). Auch im Nachbarland stößt die Verpflichtung auf Widerstand, eigene Staatsbürger an andere EU-Länder ausliefern zu müssen.

In Deutschland beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls mit dem Europäischen Haftbefehl. Eine geplante Überstellung ist sogar per einstweiliger Anordnung gestoppt worden. Die abschließende Entscheidung steht noch aus.

Mich wundert es sowieso, dass zum Beispiel die deutsche Wirtschaft nicht gegen den Europäischen Haftbefehl mobil macht. Offensichtlich hat man sich dort noch keinerlei Gedanken über die simple Tatsache gemacht, dass gerade Geschäftsführer und Vorstände international tätiger Unternehmen extrem gefährdet sind.

Man denke nur an Umweltdelikte, Betrugs- und Korruptionsfälle. Oder an einen simplen Geldwäscheverdacht. Diese wirtschaftsspezifischen Deliktgruppen sind alle im Katalog der Taten enthalten, auf die der Europäische Haftbefehl anwendbar ist. Und passt das alles nicht, kann sich der Verdacht ja auch immer problemlos auf eine „kriminelle Vereinigung“ richten.

Wenn demnächst ein spanischer, slowenischer oder litauischer Untersuchungsrichter die strafrechtliche Verantwortung in einer deutschen Firmen- oder Konzernzentrale vermutet, kann das auch für deutsche (Top)-Manager einen plötzlichen Umzug ins Untersuchungsgefängnis von Madrid, Ljubljana oder Riga bedeuten.

Und wer denkt, dass die sich „so was“ schon nicht trauen, wird sicher bald eines Besseren belehrt werden.