MÜDE

MÜDE

Wenn ein Anwalt einfach nicht mehr kann und einschläft, kann er bei einer Fristversäumung nicht auf Gnade der Gerichte hoffen. Zumindest nicht der Finanzgerichte. Der Bundesfinanzhof hat festgestellt, dass ein Anwalt seine Arbeit so
vorplanen muss, dass er nicht plötzlich wegdöst.

JurText online veröffentlicht den Text der Entscheidung.

VIDEOKONTROLLE

Die Post darf ihre Briefverteilungszentren nicht flächendeckend per Video überwachen lassen. Das Bundesarbeitsgericht ist laut beck-aktuell der Auffassung, der damit verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer wiege schwerer als das mögliche Interesse der Post, Briefdiebstähle zu verringern. Die geplante Überwachung sei deshalb unverhältnismäßig.

Ein wichtiges Urteil. Bei der Post gibt es sicherlich ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis und wahrscheinlich auch eine beachtliche Verlustquote. Dazu kommt, dass die Post auch auf die Grundrechte (Postgeheimnis) ihrer Kunden Rücksicht nehmen muss.

Damit wird es für andere, „normale“ Unternehmen ohne Zustimmung des Betriebsrates wohl kaum noch möglich sein, Betriebsflächen mit Video überwachen zu lassen.

SMART

Heute tritt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Kraft. Das erste größere Mandat, das nach den neuen Gebührenvorschriften abgerechnet werden muss, kam um 7.14 Uhr per Fax. Bis 23.59 Uhr gestern Abend wäre es sicher ein paar Euro günstiger gewesen…

Andererseits hatte ich letzte Woche eine smarte Dame hier sitzen, die nur mal ein „unverbindliches Gespräch“ über eine Scheidung führen wollte. Den Auftrag erteilt sie erst im Juli, weil Scheidungen nach dem neuen Gebührenrecht preiswerter werden.

DAHINGESAGT

Meine Mitarbeiterin bittet mich darum, den Mandanten nicht leichtfertig zu sagen, sie könnten „jederzeit“ vorbeikommen. Ein gewisser Teil nehme das wörtlich und wollte keine Termine mehr ausmachen. Diese Mandanten, die Höflichkeit und nackte Realität nicht zu unterscheiden vermögen, berufen sich dann standhaft auf mich und gucken böse, weil sich jemand in die intakte Beziehung zu ihrem Anwalt drängt. Das soll schon zu ernsten Enttäuschungen geführt haben – vor allem wenn ich die nächsten 6 Stunden nicht im Büro bin.

Aber wie sagt man es besser?

MITGELESEN

Vom mit Haftbefehl gesuchten Ex-Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls gibt es vielleicht ein Lebenszeichen. Der ehemalige CSU-Politiker soll versucht haben, „per Fernschreiben“ Kontakt mit einem Anwalt aufzunehmen, berichtet tagesschau.de. Das Fernschreiben soll in einem französischen Postamt aufgegeben worden sein.

Da stellt sich die Frage, welcher schlaue Anwalt heutzutage noch in der Lage ist, Fernschreiben zu empfangen. (Schrecksekunde: Wie viele Topkriminelle mögen mir schon vergeblich ferngeschrieben haben?) Außerdem, welche Computersysteme da fleißig mitgelesen haben, so dass die Sache jetzt rausgekommen ist.

Im Übrigen ein Grund, mal über wirksame e-mail-Verschlüsselung nachzudenken. Mathias Schindler, von dem auch die links stammen, hat mir schon mal einige Tipps zukommen lassen. Danke.

Für das Bundeskriminalamt gehört Holger Pfahls übrigens zu den meistgesuchten Verdächtigen.

HOCHSTAPLER

Ein bislang hochgeschätzter Experte auf dem Pflegemarkt hat sich möglicherweise als Hochstapler entpuppt. Er soll gar kein Professor sein, sondern lediglich ein Krankenpfleger. Auch andere Titel, mit denen sich der Mann schmückte, bleiben fragwürdig. Gegen einen Strafbefehl wegen Titelmissbrauchs habe der Betroffene jedenfalls keinen Einspruch eingelegt, berichtet Spiegel online.

GIERIG

Für Verteidiger kostet die Aktenversendung € 8,00. Benötigt man die Akteneinsicht dagegen zur Regulierung zivilrechtlicher Ansprüche, zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall, können die Ordnungsämter die Gebühr seit einiger Zeit selbst festsetzen. Die Stadt Düsseldorf nimmt € 16,00. Das kann ich ja noch ansatzweise nachvollziehen.

Aber Essen berechnet mir – oder besser meiner Mandantin – jetzt € 25,00 für die Übersendung einer Akte mit dem sagenhaften Gewicht von 150 Gramm. Das macht an Portokosten € 1,44, denn die Rücksendung zahlen wir ja ohnehin. Selbst wenn man den Arbeitsaufwand rechnet, dürfte eine Überschreitung des Normalsatzes von mehr als 300 % wohl kaum zu rechtfertigen sein.

Schon der Betrag als solcher kommt nach meiner Meinung einer Zugangsverhinderun zu notwendigen Informationen gleich. Das gilt vor allem für den Fall, dass der Mandant keinen Rechtsschutz hat.

Ich habe gegen die Festsetzung der Gebühr Widerspruch eingelegt. Vielleicht verhindert das ja zumindest, dass ein Beamter demnächst € 75,00 fordert.

BEDRÜCKEND

BEDRÜCKEND

Ich hatte mich gestern schon gewundert, dass ausgerechnet ein amtierender Bundesverfassungsrichter die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe per Interview kategorisch für verfassungswidrig erklärt. Und von einer „Schieflage“ des Sozialstaates spricht.

Jetzt dementiert der angeblich interviewte Verfassungsrichter Siegfried Broß in einer Pressemitteilung, dass er sich so scharf geäußert hat. Die Statements stammen nach seinen Angaben ausschließlich aus einem im Internet veröffentlichten Vortrag, den er auf dem Katholikentag gehalten habe.

In dem Statement stellt Broß – sehr einseitig – dar, wie das Bundesverfassungsgericht das Sozialstaatsgebot im Laufe der Jahrzehnte mit Leben erfüllt hat. Er äußert Zweifel, dass unbegrenzter und radikaler Sozialabbau stets zulässig ist. Und Broß erklärt am Schluss, die Verfassungsmäßigkeit von Hartz IV erschließe sich ihm „bisher noch nicht“.

Ansonsten finden sich in dem Papier weitere starke Worte. Außerdem konkrete Forderungen an die Politik. So verlangt Broß unverhohlen, Privatisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge rückgängig zu machen und „anstehende mit Börsengang“ zu unterbinden. Zitat:

Staatswirtschaft kann nicht nur negativ gesehen werden. Vielmehr ist Staatswirtschaft in den Infrastrukturbereichen der Daseinsvorsorge unumgänglich, damit der Staat selbst unabhängig bleibt und nicht erpressbar wird.

Im Rest des Textes schürt Broß die Globalisierungsfurcht. Er warnt vor der Abhängigkeit von internationalen Spekulanten, welche die Währung beeinflussen können und befürchtet, dass ausländische Banken zu großen Einfluss bekommen.

Insgesamt ist das Papier fast noch bedrückender als die (angeblichen) Äußerungen des Bundesverfassungsrichters gegenüber den Zeitungen. Deutlich wird jedenfalls, dass dieser Verfassungsrichter besser Politiker geworden wäre.

SCHLECHTE VERLIERER

Zwischen den Staatsanwälten und der Vorsitzenden Richterin im Mannesmann-Prozess entspinnt sich ein Kleinkrieg. Nach einem Bericht der Rheinischen Post (Printausgabe vom 29. Juni) haben die Staatsanwälte gefordert, Josef Ackermann zur Ordnung zu rufen. Sein Fehlverhalten: Ackermann lese angeblich zu viel in Unterlagen und kümmere sich zu wenig um das Geschehen im Gerichtssaal.

Der Sprecher des Landgerichts konterte kühl, nicht einmal die Vorsitzende Richterin könne erkennen, was Ackermann im Gerichtssaal lese. Sein Fazit: Der Chef der Deutschen Bank habe „die Schwelle zur Missachtung des Gerichts mit Sicherheit bislang nicht überschritten“. Das sei allenfalls der Fall, wenn ein Angeklagter demonstrativ Zeitung lese.

Statt sich als schlechte Verlierer zu blamieren, könnten die Staatsanwälte ja mal im eigenen Laden anfangen. Sie haben durchaus einige Kollegen, die grundsätzlich die Tageszeitung „blickgünstig“ neben die Akte platzieren.

BEHÖRDENZEIT

BEHÖRDENZEIT

Das Verwaltungsgericht Berlin, immerhin für zahlreiche Klage gegen den Bund zuständig, warnt auf der ersten Seite seiner Homepage:

Die E-Mail-Adresse steht nur für Presseanfragen zur Verfügung. Sonstige Anfragen, Klagen, Anträge und Schriftsätze zu laufenden Gerichtsverfahren sowie Anforderungen von Entscheidungsabdrucken können nicht per E-Mail eingereicht werden.

Wir schreiben das Jahr 1997, Behördenzeit…

MONSTRÖSER REGRESS

MONSTRÖSER REGRESS

Die Anwaltskanzlei Haarmann Hemmelrath wird mit Schadensersatzansprüchen in bisher unbekannter Größenordnung konfrontiert. Eine Neusser Firma will 480 Millionen Euro Schadensersatz. Haarmann Hemmelrath soll das Unternehmen beim Verkauf der AKB-Bank falsch beraten haben.

Wie die Financial Times Deutschland berichtet, könnte die immense Forderung ein Erdbeben in der Haftpflichtbranche für die freien Berufe auslösen.

Nicht nur dort. Die Anwaltskanzlei selbst soll „nur“ mit 200 Millionen Euro versichert sein.

(link gefunden bei McNeubert)

KARTE

„Sagen Sie mir noch Ihre Telefonnummer.“

„Hier, nehmen Sie doch meine Karte. Den Festnetzanschluss müssen Sie aber streichen. Den habe ich gekündigt. Dafür bin ich über Handy zu erreichen. Moment, die Handynummer stimmt nicht mehr. Meine neue lautet 0163 57….. Oh, und die Adresse. Auf der Karte steht noch die alte. Ich bin umgezogen, ist aber auch schon zwei oder drei Jahre her. Wenn Sie dann noch die neue Anschrift notieren, tut mir leid für die Umstände, wäre aber schade um die schönen Karten, wenn ich mir jetzt neue drucken lasse.“

Ich weiß nicht, aber ich mag solche Mandanten.

NICHT NÖTIG

NICHT NÖTIG

Das Amtsgericht Kiel ist der Meinung, dass ein Jurastudent keinen Computer fürs Studium braucht. Deshalb dürfe der Computer gepfändet werden. Aus den Urteilsgründen:

Die Rechtsprechung hat bisher in mehreren Entscheidungen einen PC für unpfändbar gehalten, etwa für Studenten der Betriebswirtschaft … Diese Bereiche zeichnen sich aber auch gerade dadurch aus, dass komplexe Rechenoperationen durchzuführen sind … Für einen Jurastudenten ist dagegen ein PC regelmäßig nicht erforderlich. Das Studium betrifft eine Geisteswissenschaft, die die Bearbeitung großer Datenmengen gerade durch EDV – wie etwa bei Rechenoperationen, Datenbanken u.ä. – nicht verlangen.

Auch in den Übrungen wird verlangt, durch die Lektüre von rechtlicher Literatur und aus eigenen Kenntnissen und Überlegungen heraus, einen konkreten Fall einer eigenen Lösung zuzuführen. Dieser Vorgang entzieht sich einer schematischen Behandlung, die ein PC durchführen könnte …

Über das Ergebnis kann man ja streiten. Aber die Weltfremdheit, verbunden mit dem Anspruch, wirklich Bescheid zu wissen, ist schon atemberaubend. Und beängstigend.

(Aktenzeichen 21 M 1361/04; Urteil abgedruckt in Juristisches Büro 2004, 334)

Update: Sascha Kremer, noch etwas näher am Studium, kommentiert die Entscheidung ausführlich.

UNGLAUBWÜRDIG

UNGLAUBWÜRDIG

Weil er (angeblich) privat einen Gangster verfolgte und deshalb aufs Gaspedal treten musste, spart ein Kölner Polizist 25 Euro für ein Knöllchen. Allerdings verursachte er bei der zuständigen Richterin in Bonn Bauchschmerzen – die glaubte ihm nämlich kein Wort, so der Express.