Striptease

Es geht um knapp 900 Euro. Das Gericht hat einen Schriftsachverständigen beauftragt, der eine Unterschrift überprüfen soll. Hierzu fordert der Sachverständige – und der meint das ernst – folgende Vergleichsunterlagen von meiner Mandantin an:

Unterschriften, wie z.B. Fax-Vorlagen, Arbeits-, Kauf-, Miet-, Versicherungs- oder Leasingverträge, Zeugnisse, Reparaturaufträge, Korrespondenz, Studien- oder Bankunterlagen, Unterlagen des Arbeitsplatzes oder Geschäftsbetriebs, Anträge, Korrespondenz mit Ämtern bzw. Vollmachten. … Kopien von Reisepass, Personalausweis, Führerschein, EC-Karte, Kreditkarte, Versicherungskarte, Mitgliedsausweise.

Ich werde anbieten, dass meine Mandantin im Rahmen eines Ortstermins beliebige Schriftproben erstellt. Und die Originale ihrer Ausweise und Bankkarten zum Vergleich vorlegt. Den restlichen Striptease werden wir verweigern. Persönlichkeitsrechte und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelten, so hoffe ich zumindest, auch im Zivilprozess.

Was Staatsanwälte verteidigen

Wer mit kritischen Staatsanwälten und Strafverteidigern spricht, weiß, dass das geflügelte Wort von der „objektivsten Behörde“ eine Illusion ist, die allenfalls dazu taugt, naiven Studenten davon zu erzählen.

Die gesetzliche Regel stellt schon lange die Ausnahme dar. Die Mehrzahl der Staatsanwälte verteidigt nicht das Recht, sondern allein die Anklage: rein taktisch wird mehr angeklagt, als die Sache hergibt …, die U-Haft wird zur Aussagegewinnung missbraucht, Belastungszeugen werden geschont und Entlastungszeugen hart attackiert.

Die Unschuldsvermutung und der Verfahrensgrundsatz „in dubio pro reo“ verwandeln sich oft ins Gegenteil (vor allem, wenn Aussage gegen Aussage steht). Eine entschlossen geführte Verteidigung wird als persönlicher Angriff und ein Freispruch als Niederlage empfunden. Kurz: Professionelle Distanz gehört innerhalb der Staatsanwaltschaft kaum noch zum Berufsethos.

Dr. Holm Putzke, Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP), Nr. 22/2008.

Ohne weitere Benachrichtigung

Ich habe einige neue Unterlagen durchgesehen. Darunter auch Korrespondenz zu einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Beschwerdeführer hatte um eine Fristverlängerung gebeten. Diese wurde ihm gewährt. Allerdings nur mit einer deutlichen Warnung:

Sollten Sie die erforderlichen Unterlagen nicht innerhalb dieser Frist einreichen, wird die Akte ohne weitere Benachrichtigung zerstört.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsreferentin

Falsche Ankündigung

Aus einer Strafanzeige:

Nach Auffassung der Anzeigenerstatterin haben die Angezeigten durch den Aufruf auf ihrer Internetseite die Tatbestände der Anstiftung zur falschen Verdächtigung, des Aussspähens von Daten und des Geheimnisverrats verwirklicht (vgl. Verweis auf zwei Aufsätze in der Neuen Juristischen Wochenschrift).

Es ist natürlich jeden unbenommen, sich kurz zu fassen. Dann sollte man sich aber auch die Zwischenüberschrift II. Rechtliche Würdigung sparen.

Die Razzia ist nur einen Klick entfernt

Ein Klick auf einen Link kann zur Hausdurchsuchung führen? Wer es nicht glaubt, wird durch diesen Satz aus einer Ermittlungsakte belehrt:

Herr S. steht im dringenden Tatverdacht, am 18.01.2006 auf die Datei 1116916/PTN.rar.html auf der Seite rapidshare.de zum Zwecke des Herunterladens zugegriffen zu haben. Im Original handelt es sich dabei um einen Film mit kinderpornografischem Inhalt, der jedoch zuvor vom LKA BW gegen Daten ohne Kinderpornografie ausgetauscht wurde.

Wir halten fest:

– Es handelt sich um eins der beliebtesten Downloadportale.

– Der Link hat einen nichtssagenden Namen.

– Der Inhalt der Datei ist manipuliert.

Über die Folgen von Hausdurchsuchungen für die private und berufliche Existenz habe ich schon häufiger berichtet. Der Beschuldigte kann sich wenig davon kaufen, wenn nach Monaten festgestellt wird, dass seine Datenträger sauber sind. Dann liegen die private und berufliche Existenz häufig schon in Scherben.

Die oben beschriebene Konstellation macht überdies deutlich, wie gering die Anforderungen an einen Tatverdacht mittlerweile sind. Übrigens ist es auf dieser Grundlage ein Kinderspiel, sich seine Beschuldigten beliebig selbst zu basteln.

Umsatzsteuer geschenkt

Wir haben für eine Firma einen Unfallschaden reguliert. Die gegnerische Versicherung hat unsere Kosten bezahlt. Inklusive Umsatzsteuer. Obwohl wir in die Rechnung reingeschrieben haben, dass unsere Mandantin die Vorsteuer abziehen kann und somit lediglich der Nettobetrag zu zahlen ist.

(Trotzdem schicke ich immer eine Bruttorechnung, weil es dann nicht noch mal eine neue Rechnung produzieren muss, um beim Mandanten die Umsatzsteuer anzufordern. Prügel von Steuerexperten nehme ich für diese Praxis demütig entgegen.)

Jetzt überlege ich natürlich, ob ich die Versicherung informieren muss. Ich denke eher nicht, immerhin ist unsere Rechnung eindeutig. Wenn die Versicherung die Umsatzsteuer trotzdem zahlt, darf ich das doch als freundliche Geste betrachten. Falls reklamiert wird, erstatten wir den Betrag natürlich.

Der Mandantin ist es sowieso egal, Stichwort: durchlaufender Posten.

Mit dem law blog zum nächsten Date

Ich hoffe, es wird nicht langweilig. Aber ich habe mal wieder was zu verschenken. Jemand, ich nehme an der Verlag, hat mir das Buch „Traced!“ von Barbara Goldmann und Michail Borchewski zugesandt. Untertitel: So googlen Sie Schuldner, Nachbarn, Bewerber oder Ihr nächstes Date.

Wer das noch eingeschweißte Buch haben möchte, schreibt bitte einen Kommentar mit gültiger E-Mail-Adresse. Beim Gewinner frage ich dann über diese E-Mail-Adresse (und keine andere, Gruß an den Trickser vom letzten Mal) die Postanschrift ab.

Heute nehme ich Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung. Kommentare können bis 22 Uhr abgegeben werden.

Nachtrag: Der Zufallszahlengenerator hat sich für die 121 entschieden. Herzlichen Glückwunsch an oldmanmoses.

Auf der Jagd nach…

Vorhin fragte ich einen neuen Mandanten nach seiner Telefonnummer. Er kannte sie nicht und konnte sie auch nicht im Speicher seines Handys finden. Sein Begleiter hatte die Nummer zwar im Handy gespeichert, aber das Telefon zu Hause vergessen.

Ich hatte eine Idee. „Rufen Sie doch einfach mal hier an. Dann schreibe ich Ihre Nummer aus dem Display ab.“ Das ging aber auch nicht. Auf der Handykarte war kein Guthaben mehr.

Er will mir die Telefonnummer mailen. Ich bin gespannt.

Doppelt zahlen, ein Drittel bekommen

1 GB über UMTS für 9,90 Euro im Monat. Wenn ich so was lese, frage ich mich schon , warum ich bei Vodafone mit 19,90 Euro doppelt so viel bezahle, dafür aber mit 300 MB nicht mal ein Drittel des Datenvolumens bekomme.

Der immer wieder herausgestellte „Datenturbo“ HSDPA ist für mich als Multimedia-Muffel jedenfalls nicht so wichtig. Was sich ja schon daran zeigt, dass ich die 300 MB bislang noch nicht überschritten habe.

Mein letzter Willi

Ein mit „Mein letzter Willi!“ überschriebenes Testament muss kein Scherz sein. (Leitsatz der law blog – Redaktion)

Manche Anwälte sind sich für kein Argument zu schade. Das Landgericht Düsseldorf bewahrt aber die Contenance und argumentiert rechtsmittelsicher:

Das Testament ist wirksam. Soweit das Testament mit „Mein letzter Willi!“ überschrieben ist, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen.

Der letzte Buchstabe des Wortes „Willi“ kann ohne weiteres auch als ein „e“ interpretiert werden. Die Erblasserin hat teilweise den Buchstaben „e“ nämlich wie ein „i“ ohne i-Punkt geschrieben, also den Bogen des Buchstabens „e“ so schmal gefasst, dass er mit dem Schriftzug eines in Schreibschrift verfassten „i“ ohne den Punkt erscheint, so zum Beispiel im Testament bei den Worten „meinem“, „Meine“ und „Enkel“.

Es spricht alles dafür, dass die Erblasserin augenscheinlich über dem als „e“ zu interpretierenden letzten Buchstaben des Wortes „Willi“ offensichtlich nur versehentlich einen i-Punkt gesetzt hat.

Es sind keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass dieses Testament nur als Scherz gemeint war.

(Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. November 2008, 19 T 130/08)

Im Innenverhältnis

Ich musste vor einiger Zeit einen Verteidiger beauftragen, meinen Mandanten in der Untersuchungshaft zu besuchen. Der Mandant war sehr weit weg festgenommen worden. Ich hatte keine Möglichkeit, ihn kurzfristig zu sprechen.

Der Kollege machte das auch sehr schön. In seine E-Mail, mit der er mir über den Besuch berichtete, schrieb er allerdings:

Der gemeinsame Mandant hat die Tat übrigens im Innenverhältnis eingeräumt.

Und das in einem Fall, in dem Telefone überwacht wurden. Nun ja, die Sache ist jetzt schon länger erledigt. Falls jemand in der Justiz von der E-Mail Kenntnis hatte, hat er es sich jedenfalls nicht anmerken lassen.

Sachsens SPD sägt am BKA-Gesetz

Der Dank des Tages geht an „irgendwelche pubertären Jungsozialisten“ in der sächsischen SPD. Die haben nach Auffassung der dortigen Landes-CDU nämlich auf einem SPD-Parteitag dafür gesorgt, dass die Bundesratsmehrheit für das BKA-Gesetz derzeit nicht mehr gewährleistet ist, wie Spiegel online berichtet.

Die Sachsen-SPD forderte ihre Regierungsmitglieder auf, das Gesetz abzulehnen. Damit müsste sich die schwarz-rote Regierung in Sachsen im Bundesrat ebenso enthalten wie die von der CDU und FDP regierten Länder.

Auch wenn vielleicht das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, sendet die sächsische SPD ein klares Signal an die willfährigen Parteioberen in Berlin. Die Demontage des Rechtsstaats wird wahr- und offensichtlich auch übel genommen. Dieter Wiefelspütz und seine Entourage sollten aufwachen.

Die Karten auf den Tisch legen

Ich erinnere mich noch gut, wie ich vor kurzem einem Kommissar am Telefon sagte, mein Mandant werde sich nicht zur Sache äußern. Jedenfalls nicht, bevor wir die Akte einsehen konnten. Der Beamte war natürlich nicht begeistert, nahm das aber zur Kenntnis. Überdies steht alles auch ausdrücklich in meinem Schreiben, mit dem ich mich noch am gleichen Tag als Verteidiger legitimierte.

Nun erfahre ich, dass eben jener Beamte möglicherweise Tatverdächtige aufsucht und sie drängt, „die Karten auf den Tisch zu legen“. Mit der Begründung, mein Mandant habe sowieso schon alles zugegeben. Mit einem Geständnis könnten sie also zumindest gleichziehen, damit es eine milde Strafe gibt. Einer Person, die das mit dem Geständnis meines Mandanten nicht glauben wollte, soll der Beamte sogar geraten haben, meinen Mandanten dann halt wegen Verleumdung zu verklagen.

Ich muss gleich am Montag mit dem Staatsanwalt sprechen. Wenn der seinen Ermittler nicht zu sauberer Arbeit anhält, kann ich das auch gern schriftlich machen.